War mit dem Schilling alles besser in Österreich? (Michael Gredenberg)

Der Schilling war in Österreich von 1925 bis 1938 sowie von 1945 bis 1999 die offizielle Währung. Von 1999 bis 2002 wurde der Schilling zwar noch als Zahlungsmittel verwendet, allerdings war der Euro de facto bereits eingeführt, da der Wechselkurs des Schilling damals schon fix an den Euro gebunden war (13,7603 Schilling entsprachen in dieser Zeit einem Euro)

Nun gibt es viele Stimmen die meinen, zu Zeiten des Schillings war alles besser. Besonders die Inflation seit Einführung des Euro wird sehr negativ wahrgenommen. Der Begriff des “Teuro” wurde geboren: Mit dem Euro wurde alles teurer, so heisst es.

Heute werde ich dieser Frage auf den Grund gehen und untersuchen ob tatsächlich seit der Euro-Einführung die Preise stärker gestiegen sind als zu Schilling-Zeiten bzw,. welche sonstigen Auswirkungen die Einführung des Euro für Österreich hatte.

Österreichs Wirtschaft zur Zeit des Schillings und zur Zeit des Euro

Der österreichische Schilling war von 1925 bis 1938 und von 1945 bis 1999 die österreichische Währung.  Während der Annexion Österreichs an das deutsche Reich unter Adolf Hitler (was sich weitgehend mit der Zeit des zweiten Weltkrieges deckt)  von 1938 bis 1945 wurde in Österreich mit der Reichsmark bezahlt.

Seit 1999 ist der Euro das offizielle Zahlungsmittel in Österreich. Die ersten 3 Jahre nur als Buchgeld – der Schilling war in dieser Zeit bereits mittels fixem Wechselkurs von 13,7603 Schilling (ATS) pro Euro an den Euro gekoppelt. Als Bargeld existiert der Euro in Österreich seit Anfang 2002. De facto fand die Euro-Einführung aber 1999 statt, da ab diesem  Zeitpunkt in Österreich keinerlei geldpolitischen Entscheidungen mehr von der Nationalbank getroffen werden konnten. Die Bindung an den Euro war fix und die Entscheidungen über Zinssätze, Geldmenge etc. lagen bei der europäischen Zentralbank.

Die Wirtschaft in Österreich zu Zeiten des Schillings

Ich habe die letzen 15 Jahre des Schillings mit den ersten 15 Jahren des Euros verglichen und die zwei wichtigsten Kennzahlen die Aussagen über den Wohlstand der Bürger und die Kaufkraft der Währung machen zusammengefasst und gegenübergestellt:

Es handelt sich einerseits um das BIP pro Einwohner, also die Wirtschaftsleistung die ein österreichischer Staatsbürger im Durschnitt pro Jahr erbrachte. Diese Kennzahl sagt auch viel über das Volkseinkommen aus. Ist das BIP pro Einwohner höher, so ist auch das Einkommen pro Einwohner automatisch höher.

Ich habe die Entwicklung des BIP pro Einwohner sowohl nominal als auch real dargestellt: Nominal bedeutet, dass die absolute Entwicklung dieser Kennzahl gezeigt wird und real bedeutet, dass die Zahl inflationsbereinigt wird – die reale Entwicklung des BIP pro Einwohner zeigt also am ehesten wie viel mehr oder weniger den Bürgern am Monatsende übrigbleibt.

Dazu ein kurzes Beispiel: Angenommen die Inflation betrug in einem Jahr 3% und das nominale BIP pro Einwohner ist von 100 auf 103 gestiegen, so währe inflationsbereinigt das reale BIP pro Einwohner gleich geblieben (bei 100 – da die Inflation und der Zuwachs sich in diesem Beispiel gegenseitig aufheben)

Als zweite Kennzahl habe ich die Inflationsrate genommen, also die durchschnittliche Teuerung der Produkte eines standardisierten Warenkorbes pro Jahr. (auch Verbraucherpreisindex genannt)

In den folgenden Diagrammen stelle ich die beiden Zeiträume gegenüber. Ich habe die Skala der Y-Achse bewusst bei beiden Diagrammen gleich gewählt, damit man leichter vergleichen kann:

Die letzten 15 Jahre des Schillings:

Entwicklung des BIP/Einwohner und der Inflation in Österreich von 1983-1999Entwicklung des BIP/Einwohner und der Inflation in Österreich von 1983-1999

Die ersten 15 Jahre des Euros:

Entwicklung des BIP/Einwohner und der Inflation in Österreich seit Euro-EinführungEntwicklung des BIP/Einwohner und der Inflation in Österreich seit Euro-Einführung

Was kann man aus den Diagrammen schließen?
  • Das reale BIP pro Einwohner, , d.h. das Wirtschaftswachstum – und damit auch der Zuwachs des Einkommens pro Einwohner – ist seit der Euro-Einführung nicht so stark gewesen wie in den 15 Jahren zuvor
  • Das schwächere Wirtschaftswachstum kann man aber nicht dem Euro vorwerfen – es hat mit vielen anderen Faktoren zu tun die bei der weltwirtschaftlichen Situation beginnen und – im Falle Österreich – besonders auch mit der Situation in Osteuropa zu tun haben. Österreichs Wirtschaft hat sich nach der Ostöffnung (und natürlich lange vor der Euro-Einführung) sehr stark in Osteuropa engagiert. Die Erwartungen waren sehr hoch und in den ersten Jahren gab es eine Euphorie was die Wirtschaft antrieb. Im letzten Jahrzehnt kam allerdings dann die Ernüchterung. Das hat meiner Ansicht nach aber nichts mit dem Euro zu tun, da die Handelspartner in Osteuropa meistens sowieso eigene Währungen haben (z.B. Rubel in Russland, Zloty in Polen, Forint in Ungarn, etc)
  • Die Inflation ist seit der Euro-Einführung geringer als in den 15 Jahren vorher
  • Der Euro war also (bisher) kein Teuro. Die Preise sind vor der Euro-Einführung verhältnismäßig stärker gestiegen als nachher.
Welche Ursachen hat die gefühlte Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Euro?

Die häufigste Klage die über den Euro kommt ist, dass er so schwach ist und der Schilling sei so stark gewesen. Seit Euro-Einführung sind die Preise angeblich eklatant gestiegen.

Mein Diagramm beweist das Gegenteil: Die Preise sind in den Jahren vor der Euro-Einführung stärker gestiegen als seither.

Es handelt sich also wohl um einen psychologischen Effekt: Mit der Einführung des Euro wurden die Schilling-Preise der damaligen Zeit in den Gedanken der Österreicher quasi “eingefroren”. Den Schilling gab es ja nicht mehr, aber die Erinnerung was die einzelnen Produkte zur damaligen Zeit in Schilling kosteten sehr wohl. Viele Leute rechnen noch heute in Schilling um und wundern sich wie teuer alles geworden ist. Beispielsweise kostete ein Kilo Brot etwa 15 Schilling bevor der Euro kam. Heute kostet der Kilo Brot etwa 3,20 Euro was über 44 Schilling ausmacht – also eine Verdreifachung des Preises. Allerdings sind seither 15 Jahre vergangen,

Im Jahr 1999 wäre wohl niemand auf die Idee gekommen den damaligen Brotpreis mit dem von 1983 zu vergleichen. 

Nun kommt oft das Argument der Warenkorb aus dem sich der Verbraucherpreisindex errechnet sei manipuliert und tatsächlich sei die Inflation viel höher als statistisch ausgewiesen.

Das stimmt teilweise, da jeder Mensch individuelle Bedürfnisse hat und somit seinen eigenen Warenkorb. Jedermann hat also seine “persönliche” Inflation.  Ich traue mich auch zu behaupten: Je anspruchsvoller der Lebensstil eines Individuums ist umso höher ist seine persönliche Inflation. 

Den derzeitigen Warenkorb der für die Berechnung des Verbraucherpreisindices heran genommen wird kann man übrigens hier finden.

Ein weiterer Beweis dafür, dass der Euro keine “weichere” Währung ist als es der Schilling war zeigt der Vergleich des Wechselkurses zu anderen Währungen – allen voran der Vergleich mit der wohl wichtigsten Währung der Welt, dem US-Dollar.

Der Wechselkurs des österreichischen Schillings bzw. Euro im Vergleich zum US-Dollar:

Im folgenden Diagramm habe ich die Wechselkursentwicklung der Schillings bzw. Euro im Vergleich zum US-Dollar dargestellt: Es zeigt wie viele Schilling bzw. Euro man für einen Dollar bezahlen musste.

Je weniger ein Dollar kostet umso stärker war logischerweise die Währung, d.h. Je weiter oben sich die Linie an der Y-Koordinate bewegt umso schwächer war der Schilling bzw. Euro im Vergleich zum US-Dollar.

Die blaue Linie zeigt den Zeitpunkt der Euro-Einführung.

US-Dollar in Schilling bzw. Euro seit 1954US-Dollar in Schilling bzw. Euro seit 1954, der senkrechte Strich zeigt den Zeitpunkt der Euro-Einführung

Zuerst einmal ist zu sehen, dass es Anfang der 1970er Jahre eine massive Stärkung des Schillings gegenüber des Dollars gab die sich Anfang der 1980er Jahre wieder umkehrte. (Der stabile Kurs in den 1950er und 1960er Jahren ist mit dem Bretton-Woods Abkommen zu erklären wo man versuchte alle wichtigen Weltwährungen an den Dollar zu binden)

Die Währungschwankungen waren in der Zeit nach Bretton-Woods bis zur Euro-Einführung extrem hoch – was der Import bzw. Exportwirtschaft nicht gerade zu gute kommt.

Seit der Euro-Einführung haben die Schwankungen abgenommen und heute stehen wir ungefähr da wo wir auch bei der Euro-Einführung standen. Der Euro ist also gegenüber der “Weltwährung” Dollar nicht extrem schwach. Da die meisten wichtigen Rohstoffe weltweit in US-Dollar gehandelt werden (wie z.B. Rohöl) ist das ebenfalls eine wichtige Erkenntnis.

Eine wirklich starke Währung gegenüber dem US-Dollar ist z.B. der schweizer Franken (CHF) gewesen, er zeigt seit Anfang der 1970er Jahre eine stetige Tendenz der Stärkung gegenüber dem US-Dollar. Für den Schilling allerdings kann (bzw. konnte)  man das nicht behaupten.

Fazit:

Meiner Ansicht nach war der Schilling nicht besser für Österreich als der Euro. Fakt ist, dass die Inflation seit der Euro-Einführung zurückgegangen ist und auch die Währungsschwankungen international abgenommen haben. 

Tatsache ist aber auch, dass die Wirtschaft in Österreich insgesamt seit der Euro-Einführung nicht mehr so gut wächst wie in den Jahren davor. Dir Ursache dafür ist aber nicht (alleine) beim Euro zu suchen.

Außerdem neigen viele Österreicher selbst heute noch dazu Preise in Schilling umzurechnen und erschrecken dann über die Preissteigerungen seit der Euro-Einführung. Dabei wird vergessen, dass innerhalb von 15 Jahren einfach eine Inflation stattgefunden hat. Das war zu Schilling-Zeiten teilweise sogar noch schlimmer, allerdings hat man damals nicht ständig die Preise mit denen vor 15 Jahren verglichen.

Diese beiden Tatsachen (schwächeres Wirtschaftswachstum und gefühlte starke Inflation) führen dazu, dass viele Österreicher mit dem Euro unzufrieden sind.

 

Der Beitrag War mit dem Schilling alles besser in Österreich? erschien zuerst auf Financeblog.



(04.10.2015)

1.000-Schilling-Note, Erwin Schrödinger, aus dem Jahr 1983 - Fälschungen und Original, (© finanzmarktfoto.at/Martina Draper)


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Michael Gredenberg

Inode-Gründer. Heute u.a. passionierter Radfahrer und Finanzautor via financeblog.at.

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