In der Bevölkerung ist die Wahrnehmung über die Anzahl und sozioökonomischen Eigenschaften von Migranten oft stark verzerrt. Viele überschätzen die Höhe der Zuwanderung stark. Zum Beispiel liegt der Anteil von Migranten in Italien bei 10 %, während der wahrgenommene Anteil bei 26 % liegt. Außerdem nimmt man die kulturellen und religiösen Unterschiede stärker wahr als sie tatsächlich sind und überschätzt den Anteil der Zuwanderer aus Regionen, welche in der öffentlichen Debatte als „problematisch“ gesehen werden. Der Anteil von Muslimen (Naher Osten, Nordafrika) unter den Zuwanderern wird gegenüber Christen übertrieben gesehen. Zuwanderer werden als ökonomisch schwächer gesehen als es in Wirklichkeit der Fall ist – hinsichtlich des Bildungsstands, der Arbeitslosigkeit, des Vermögens und der Abhängigkeit von staatlichen Transferzahlungen. Zu dem Ergebnis kommen Alberto Alesina, Armando Miano und Stefanie Stantcheva in einer aktuellen Untersuchung, die auf Umfragen in Frankreich, Deutschland, Italien, Schweden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zurückgreift. [1] Die Unterstützung für Immigration und Umverteilung hängt von der wahrgenommenen Arbeitsethik von Immigranten, dem Anteil von gut ausgebildeten Immigranten und davon, ob man Immigranten persönlich kennt, ab. Wie sehen die Fakten der Migration in Österreich aus?
Im Jahr 2017 betrug die Netto-Zuwanderung nach Österreich, auch Wanderungssaldo genannt, 44.630 Personen. Wird die negative Netto-Zuwanderung jener Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft in der Höhe von 5.143 exkludiert, ergibt sich eine Netto-Zuwanderung jener Personen ohne österreichischer Staatbürgerschaft von 49.773 Personen. Dies entspricht 0.57 % der österreichischen Gesamtbevölkerung. Kumuliert über die letzten 10 Jahre (2008-17) steigt der Anteil auf 6.3 %.
Grafik 1, zeigt die Entwicklung der Zuzüge aus dem Ausland sowie der Wegzüge ins Ausland. Bis zum Jahr 2011 blieb die Anzahl an Zuzügen relativ konstant bei durchschnittlich 84.000 Personen pro Jahr und stieg dann stetig an bis im Jahr 2015 fast 200.000 Personen nach Österreich immigrierten. Im Jahr 2016 und 2017 nahm die Zuwanderung wieder deutlich ab und befindet sich mit 139.329 Personen im Jahr 2017 auf dem Stand des Jahres 2013. Wegzüge ins Ausland nahmen über die Jahre stetig, wenn auch deutlich langsamer, zu. Auch der Wanderungssaldo stieg 2015 deutlich an (118.500 Personen) und liegt nun auf dem Stand der Jahre 2004-2005.
Ein detaillierter Blick auf den Wanderungssaldo zeigt ein buntes Bild an Netto-Zuwanderung nach Staatsbürgerschaft. Grafik 2 stellt die kumulierten Wanderungssalden der Jahre 2008 bis 2017 dar. Deutschland und Rumänien weisen mit knapp über 66.000 Personen die höchste Netto-Zuwanderung auf. Auch Ungarn, Syrien und Afghanistan tragen wesentlich zum positiven Wanderungssaldo bei. Darüberhinaus befinden sich auffallend viele Länder (10) der CEE-Region unter den dargestellten Nationen.
Demnach ist es wenig überraschend, dass die Länder der EU Osterweiterung (EU-Beitrittsstaaten ab 2004, NMS) mit 38.4 % den größten Anteil darstellen. Asien, worin auch die Staaten des Nahen Osten enthalten sind, hat mit 24 % den zweitgrößten Anteil am Wanderungssaldo. Die EU-Staaten vor 2004 (18.3 %) und Europa (13.6 %), exklusive EU und EFTA (Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) aber inklusive der Türkei, stellen weitere bedeutende Zuwanderungs- regionen dar (Grafik 3). In den letzten 10 Jahren war die größte Veränderung in den regionalen Anteilen nach Staatsangehörigkeit der Anstieg der neuen EU-Beitrittsstaaten. Dieser blieb mit Ausnahme der Jahre 2015 und 2016 stabil bei 66 %. Trugen die alten sowie die neuen EU-Staaten 2008 noch jeweils 33 % zum Wanderungssaldo bei, fiel der Anteil der alten EU-Staaten 2017 auf 18.5 % während der Anteil der neuen EU-Staaten auf 48 % anstieg.
Migration hat viele ökonomische Facetten. Die Struktur der Netto-Zuwanderung nach Staatsangehörigkeit wurde bereits dargestellt, nun stellt sich die Frage wie gut Migranten in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert sind. Grafik 4 stellt die Erwerbsquoten für die Altersgruppe 15 bis 64 Jahre nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht dar. Im Zeitraum 2008 bis 2017 waren durchschnittlich 71,2 % der österreichischen Gesamtbevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren erwerbstätig. Die Erwerbsquote der österreichischen Bevölkerung ohne österreichischer Staatsbürgerschaft ist mit 63,1 % deutlich geringer und die Erwerbsquote der Bevölkerung mit österreichischer Staatsbürgerschaft dementsprechend höher (72,5 %). Die niedrigste Erwerbstätigkeit zeigen Frauen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (56,0 %), wenn auch betont werden muss, dass die Erwerbsquote von Frauen mit österreichischer Staatsbürgerschaft (68,2 %) auch deutlich unter jener von Männern (76,7 %) liegt. Die niedrigere Erwerbstätigkeit von Migranten kann demnach sowohl durch eine niedrigere Erwerbsquote bei Männern und, noch deutlicher, bei Frauen erklärt werden. Partizipationsraten, zeigen ein ähnliches Bild weisen jedoch geringere Unterschiede nach Staatsangehörigkeit auf, da Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft deutlich höhere Arbeitslosenraten aufweisen. 2017 betrug die Arbeitslosenrate von Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft 7,9 % und jene von Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft 3,5 %.
Partizipationsraten am österreichischen Arbeitsmarkt weisen auch maßgebliche Unterschiede nach Geburtsland auf. Grafik 5 zeigt Partizipationsraten nach Geburtsland als Durchschnitt über Altersgruppen und Ausbildungsgrade. Migration innerhalb der Europäischen Union weist im Vergleich zu in Österreich geborenen ähnlich hohe Arbeitsmarktintegration auf. Personen mit der Geburtsregion Europa exklusive EU28, was sich vorwiegend auf die Türkei und die Staaten des ehemaligen Jugoslawien bezieht, weisen eine niedrigere Partizipationsrate, vor allem für Frauen, auf. Die niedrigsten Partizipationsraten stellen Migranten mit der Geburtsregion des Nahen Osten dar. Ein wesentlicher Grund für niedrigere Arbeitsmarktintegration dieser Geburtsregionen stellt der Ausbildungsgrad dar. Beispielsweise haben lediglich 22 % der Frauen und 34 % der Männer, welche in der Türkei geboren wurden, zwischen 15 und 64 Jahre alt sind und 2015 in Österreich wohnhaft waren, eine höhere Ausbildung als Pflichtschule genossen. Für aus der EU stammende Migranten trifft dies auf über 70 % zu (Männer: 73 %, Frauen: 72 %). Da der Anteil der Netto-Zuwanderung aus der Europäischen Union konstant deutlich über 60 % liegt, kann schlussgefolgert werden, dass die Mehrheit der nach Österreich kommenden Migranten eine gute Aussicht auf erfolgreiche Arbeitsmarktintegration hat.
Nichtdestotrotz, verdienen Nicht-Österreicher im Schnitt rund 20 % weniger (Grafik 6). Der durchschnittliche Bruttojahresverdienst von unselbständig Erwerbstätigen (Vollzeit) mit ausländischer Staatsangehörigkeit liegt bei 36.289 EUR, wohingegen österreichische Staatsangehörige im Schnitt 46.751 EUR verdienen. Es ergeben sich allerdings erhebliche Unterschiede je nach Nationalität. Staatsangehörige aus der EU15 (ohne NMS) verfügen über einen um 10 % höheren Bruttojahresverdienst (51.378 EUR) als österreichische unselbstständig Erwerbstätige. Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedsstaaten (NMS), also vorwiegend aus osteuropäischen Ländern, verdienen im Schnitt um rund ein Drittel weniger (30.637 EUR) als Österreicher. Ähnliches gilt für unselbständig Erwerbstätige aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien (ex EU) und der Türkei, welche im Schnitt 31.232 EUR bzw. 31.062 EUR verdienen. Teilzeitbeschäftigte aus den EU-15 verdienen allerdings um rund 8 % weniger (17.163 EUR) als Österreicher in einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis (18.592 EUR). Andererseits liegt der Verdienstunterschied zwischen Österreichern und unselbstständig Beschäftigten aus den NMS (14.023 EUR) im Teilzeitbereich nur bei rund 25 %.
Rund 2/3 der Zuwanderung nach Österreich kommt aus den Ländern der Europäischen Union, wobei die neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa an Bedeutung gewinnen. Immigranten aus der EU weisen im Vergleich zu Österreichern eine ähnlich hohe Integration am Arbeitsmarkt auf. Der Grad der Arbeitsmarktintegration ist vor allem bei Immigranten aus dem Nahen Osten geringer. Unterschiede in den Partizipationsquoten dürften mit einem geringeren Bildungsniveau zusammenhängen. Andererseits kann schlussgefolgert werde, dass die Mehrheit der nach Österreich kommenden Migranten eine gute Aussicht auf erfolgreiche Arbeitsmarktintegration hat, wobei der durchschnittliche Verdienst noch deutlich unter jenem der österreichischen Erwerbstätigen bleibt.
[1] Alesina, A., Miano, A. und S. Stantcheva (2018): „Immigration and Redistribution, NBER Working Paper Series, Working Paper 24733
Authors
Martin Ertl Franz Zobl
Chief Economist Economist
UNIQA Capital Markets GmbH UNIQA Capital Markets GmbH
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