Jahresendrally - gibt es sie tatsächlich? (Michael Gredenberg)

In der Serie über die Jahresendrally untersuche ich heute, ob es tatsächlich im Dezember zu erhöhten Kursgewinnen kommt und ob man “Window dressing” merkt.

Bereits im letzten Beitrag habe ich angedeutet, dass es heisst, im Dezember – besonders in den letzten Handelstagen – kommt es oft zu größeren Kursgewinnen an den Börsen. Man spricht von der “Jahresendrally”. 
Eine mögliche Erklärung dafür bietet das sogenannte “Window dressing” (= “Schaufenster Verschönerung”) welches Fonds betreiben welche besonders in den letzten Tagen des Jahres die Aktien in ihren Bestand aufnehmen die in den vergangenen Monaten am besten gelaufen sind, um in der Bilanz zum Jahreswechsel die “Gewinner” in ihrem Porftolio vorzeigen zu können.

Im folgenden Beitrag untersuche ich statistisch ob überhaupt der Dezember in der Vergangenheit ein guter Börsemonat war und inwieweit tatsächlich genau die Aktien im Dezember stärker gestiegen sind welche in den Monaten davor am besten gelaufen sind.

Der Dezember 2015 ist ja bisher nicht gerade rosig gelaufen an den Börsen – eventuell ein Grund für den Einstieg? 

Gibt es die Jahresendrally wirklich?

Um das festzustellen habe ich eine Tabelle über die Kursperformance des S&P 500 Index der letzten 30 Jahre erstellt und untersucht wie hoch die Erträge bzw. Verluste dieses Indices in den einzelnen Monaten waren.

Natürlich spiegelt eine Statistik nur die Vergangenheit wieder und ist kein Orakel für die Zukunft. Das habe ich hier schon oft genug erwähnt. Man darf sich nie auf statistischen Werten aus der Vergangenheit ausruhen sondern kann sie als bestenfalls als Unterstützung für seine Investitionsentscheidungen hernehmen – mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Zukunft ganz anders aussehen kann.

Der S&P 500 Index seit 1985 nach Monaten:
Jahr Dez Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov
1985 4,51% 7,41% 1,43% -1,40% -0,79% 6,27% 1,21% -0,78% -1,81% -3,47% 2,57% 5,56%
1986 -2,76% 0,24% 7,15% 5,28% 0,16% 5,18% 1,41% -6,32% 7,67% -8,54% 4,44% 2,15%
1987 6,50% 13,18% 3,69% 2,64% -1,38% 0,72% 4,89% 5,19% 3,50% -0,49% -23,08% -8,53%
1988 1,92% 4,04% 2,91% -3,12% 0,94% 0,32% 2,55% 0,09% -3,93% 5,25% 2,60% -1,92%
1989 0,79% 7,11% -2,77% 2,70% 5,01% 3,69% -1,24% 8,84% 2,24% -1,29% -2,52% 1,40%
1990 2,48% -6,88% 0,94% 2,16% -2,69% 8,72% -1,42% -0,52% -9,27% -5,12% -3,47% 4,95%
1991 11,16% 4,15% 7,00% 1,28% 1,09% 2,51% -4,79% 2,62% 2,15% -1,91% 0,84% -4,11%
1992 1,14% -1,99% 0,96% -2,18% 2,65% 0,68% -2,20% 2,74% -2,40% 0,42% 0,57% 3,03%
1993 0,99% 0,70% 0,19% 2,19% -2,25% 2,27% -0,73% -0,20% 3,44% -0,91% 1,42% -1,56%
1994 2,31% 3,25% -2,60% -4,02% 1,15% 1,24% -2,92% 2,70% 3,14% -2,21% 2,09% -3,14%
1995 1,47% 2,43% 3,61% 3,10% 2,80% 3,72% 2,11% 3,18% 0,40% 3,65% -0,50% 3,62%
1996 -2,15% 3,26% 0,99% 0,18% 0,07% 2,22% 0,23% -5,32% 0,30% 5,42% 2,35% 7,57%
1997 -0,45% 6,13% 0,59% -4,26% 5,49% 6,23% 4,35% 7,10% -5,03% 5,32% -4,27% 4,46%
1998 4,59% 1,02% 7,04% 4,99% 0,32% -2,69% 3,93% -2,43% -14,58% 2,29% 11,38% 5,91%
1999 5,12% 4,10% -2,72% 4,06% 3,20% -2,50% 6,06% -3,78% -0,63% -3,63% 6,25% 2,57%
2000 0,38% -5,09% -4,34% 8,66% -3,08% -3,25% 0,40% -1,63% 5,53% -5,54% -0,49% -7,48%
2001 0,76% 3,46% -9,72% -6,52% 7,68% -0,84% -2,88% -1,08% -6,77% -8,17% 2,04% 5,11%
2002 -6,03% -1,56% -1,38% 1,38% -6,07% -1,78% -7,25% -5,89% 3,55% -11,00% 4,46% 3,92%
2003 3,91% -2,74% -1,70% 0,84% 6,81% 5,16% 1,13% 0,81% 2,84% -1,19% 3,19% 0,71%
2004 1,72% 1,73% 1,22% -2,57% -2,20% 1,21% 1,75% -2,41% 0,23% 0,78% -0,11% 3,83%
2005 -1,30% -2,53% 1,19% -2,46% -1,37% 3,00% -0,91% 3,33% -1,22% 0,59% -1,77% 3,88%
2006 1,55% 2,55% -0,14% 0,28% 1,22% -2,69% -1,21% 0,51% 2,59% 1,89% 3,15% 2,40%
2007 -0,86% 1,41% -2,71% 1,26% 4,33% 2,98% -2,15% -3,20% 0,56% 3,58% 0,15% -1,81%
2008 10,66% -6,12% -1,99% -0,60% 1,12% -0,64% -8,60% -1,36% 1,79% -9,08% -16,56% -7,48%
2009 0,56% -8,57% -10,99% 8,54% 7,61% 4,74% -2,50% 6,95% 3,36% 5,92% 0,62% 5,74%
2010 4,28% -3,70% 1,40% 4,81% 0,73% -8,20% -3,74% 7,23% -4,74% 5,64% 3,23% -0,32%
2011 1,05% 2,26% 1,50% 1,49% 2,34% -1,35% 0,46% -3,54% -5,29% -6,06% 10,77% 2,35%
2012 0,71% 4,36% 3,63% 2,50% -0,75% -6,79% 6,58% 1,26% 2,29% 2,42% -2,24% -0,80%
2013 2,36% 5,04% 0,10% 3,36% 2,27% 3,04% -1,50% 4,38% -4,33% 2,97% 3,63% 2,51%
2014 0,27% -3,56% 4,31% 0,69% -0,08% 2,12% 1,91% -2,16% 4,06% -1,55% 3,69% 2,45%
2015 -1,98% -3,10% 5,49% -1,74% 1,25% -0,04% -2,30% 1,27% -6,26% 0,32% 8,08% 0,05%
Durchschnitt 1,79% 1,03% 0,46% 1,08% 1,21% 1,14% -0,24% 0,57% -0,54% -0,77% 0,73% 1,19%
Positiv 24 20 20 21 21 20 15 16 18 15 21 21
Negativ 7 11 11 10 10 11 16 15 13 16 10 10
avg Positiv 2,97% 3,89% 2,77% 2,97% 2,77% 3,30% 2,60% 3,64% 2,76% 3,10% 3,69% 3,53%
avg Negativ -2,22% -4,17% -3,73% -2,89% -2,07% -2,80% -2,89% -2,71% -5,10% -4,39% -5,50% -3,72%
Bester 11,16% 13,18% 7,15% 8,66% 7,68% 8,72% 6,58% 8,84% 7,67% 5,92% 11,38% 7,57%
Schlechtester -6,03% -8,57% -10,99% -6,52% -6,07% -8,20% -8,60% -6,32% -14,58% -11,00% -23,08% -8,53%
Rang 1 6 9 5 2 4 10 8 11 12 7 3

Da es in diesem Beitrag besonders um den Dezember geht, nimmt dieser Monat in der Tabelle den ersten Platz ein. Darauf folgen die übrigen Monate. 
In den Fußzeilen der Tabelle habe ich die durchschnittliche Performance der einzelnen Monate in den letzten 30 Jahren sowie die Anzahl der Jahre mit Positiven und Negativen Ertrag im jeweiligen Monat dargestellt. Außerdem den durchschnittlichen positiven und negativen Ertrag im jeweiligen Monat. Den besten und schlechtesten Ertrag im jeweiligen Monat habe ich ebenfalls hervorgehoben,
Zuletzt habe ich schließlich noch eine Rangfolge über die einzelnen Monate gebildet, die sich über die Höhe des durchschnittlichen Ertrages errechnet.

Der Dezember ist tatsächlich statistisch der beste Börsemonat

Beim Blick auf die letzten 30 Jahre im S&P 500 Index gewinnt der Dezember deutlich: Er hat den besten durchschnittlichen Ertrag. Außerdem legten die Kurse in 24 Jahren in Dezember zu und nur in 7 Jahren fielen sie in diesem Monat. Auch hier ist der Dezember der Sieger. 
Und noch in einem weiteren Punkt siegt der Dezember über alle anderen Monate: Der maximale Verlust der in diesem Monat in den letzten 30 Jahren eingefahren wurde ist der geringste von allen Monaten.
Einzig beim maximalen Gewinn liegt der Jänner vor dem Dezember (13,18% vs. 11,16%)

Damit ist einmal erwiesen: Statistisch gesehen gibt es tatsächlich eine Jahresendrally

Was ist dran an der Sache mit dem “Window Dressing”?

“Window Dressing” soll Gerüchten zufolge für die Jahresendrally stark verantwortlich sein. Bei der “Verschönerung des Schaufensters” geht es – wie eingangs bereits erwähnt – darum, dass Fonds angeblich gerne zu Jahresende genau die Gewinnertitel des Jahres  in ihr Portfolio aufnehmen damit sie in der Jahresbilanz zeigen können, dass sie aufs richtige Pferd gesetzt haben. Diese Käufe von den “besten Performern” des Jahres soll die Kurse angeblich im Dezember zusätzlich antreiben.

Ob das stimmt habe ich ebenfalls auf zwei verschiedene Arten untersucht.

Einerseits habe ich eine Tabelle über die wichtigsten Länderindices angefertigt (insgesamt die gleichen 40 wie im letzten Beitrag) und untersucht, welches Index in den einzelnen Jahren seit 1990 jeweils von 1. Jänner bis 30. November bezüglich Kurszuwachs vorne lag. Dann habe ich untersucht wie sich dieser Index im Dezember des selben Jahres entwickelt hat. 
Außerdem habe ich noch geschaut welcher Index im Dezember dieses Jahres tatsächlich die beste Performance erzielen konnte und ob dieser Index ident ist mit dem besten Performer von Jänner bis November.

Das gleiche habe ich in einer zweiten Tabelle mit Aktien des S&P 500 Index gemacht – und zwar mit den 40 größten (nach Marktkapitalisierung)

Aktienindices seit 1990 im Performance-Vergleich:
  Best Jan-Nov. Index Land Dezember best Dez Index Land best Jan-Nov = best Dez
1990 328,28% BRAZIL IBOVESPA Brasillien -5,42% 8,87% FTSE Bursa Malaysia KLCI Malaysien nein
1991 1189,28% BRAZIL IBOVESPA Brasillien 88,16% 88,16% BRAZIL IBOVESPA Brasillien ja
1992 650,71% BRAZIL IBOVESPA Brasillien 42,14% 42,14% BRAZIL IBOVESPA Brasillien ja
1993 3941,44% BRAZIL IBOVESPA Brasillien 40,63% 40,63% BRAZIL IBOVESPA Brasillien ja
1994 1140,11% BRAZIL IBOVESPA Brasillien -6,41% 3,84% TADAWUL ALL SHARE Saudi Arabien nein
1995 43,50% BIST 100 Türkei 1,75% 7,02% TEL AVIV 25 Israel nein
1996 497,72% Athex Composite Share Pr Griechenland 2,56% 11,71% BUDAPEST STOCK EXCH INDX Ungarn nein
1997 195,01% BIST 100 Türkei 22,64% 27,59% MICEX Russland nein
1998 70,98% Athex Composite Share Pr Griechenland 10,83% 26,12% KOSPI Südkorea nein
1999 225,60% BIST 100 Türkei 73,30% 73,30% BIST 100 Türkei ja
2000 24,98% OMX COPENHAGEN 20 Dänemark -2,09% 18,29% BIST 100 Türkei nein
2001 47,74% MICEX Russland 10,74% 18,47% BIST 100 Türkei nein
2002 36,05% MICEX Russland -0,78% 7,23% BRAZIL IBOVESPA Brasillien nein
2003 124,15% EGX 30 Ägypten 4,86% 16,35% BIST 100 Türkei nein
2004 111,61% EGX 30 Ägypten 7,19% 10,69% BIST 100 Türkei nein
2005 120,94% EGX 30 Ägypten 12,97% 12,97% EGX 30 Ägypten ja
2006 90,00% CSI 300 China 18,04% 18,04% CSI 300 China ja
2007 133,82% CSI 300 China 12,68% 17,29% TADAWUL ALL SHARE Saudi Arabien nein
2008 -23,88% FTSE/JSE AFRICA TOP40 IX Afrika 6,13% 14,61% MEXICO IPC Mexico nein
2009 111,59% MICEX Russland 3,84% 14,64% BIST 100 Türkei nein
2010 27,55% OMX COPENHAGEN 20 Dänemark 5,45% 7,81% OSE BENCHMARK Norwegen nein
2011 6,70% DOW JONES INDUS. AVG USA 1,80% 5,18% TADAWUL ALL SHARE Saudi Arabien nein
2012 46,48% BIST 100 Türkei 7,05% 17,91% CSI 300 China nein
2013 49,10% TOPIX INDEX (TOKYO) Japan 3,55% 8,22% EGX 30 Ägypten nein
2014 39,68% EGX 30 Ägypten -3,30% 25,32% CSI 300 China nein
2015 42,89% BUDAPEST STOCK EXCH INDX Ungarn -1,74% 3,18% EGX 30 Ägypten nein

 

Hier gibt es besonders am Beginn der Neunziger-Jahre einige Treffer: Der IBOVESPA Index aus Brasillien konnte 3 Jahre hintereinander sowohl von Jänner – November als auch im Dezember die beste Performance unter 40 Vergleichsindices hinlegen.

Die Erklärung dafür ist aber relativ simpel und verfälscht die Statistik gleichzeitig sehr stark: In Brasillien gab es in diesen Jahren eine starke Inflation (fast schon eine Hyperinflation), die dazu führte dass alle Preise enorm stiegen – auch die von Aktien.
Würde man die Bewertung nicht in Landeswährung sondern z.B. in USD durchführen sähe die Sache anders aus.
Es ist also nur ein Beweis dafür, dass Aktien im Falle einer Inflation eine sichere Investition sind (da es sich um Sachwerte handelt), aber kein Beweis für einen Zusammenhang der Kursperformance der ersten 11 Monate des  Jahres mit der im Dezember und somit auch kein Beweis dafür, dass sich “Window dressing” bei den Kursen bemerkbar macht.

In den 21 Jahren seit 1994 gibt es nur 3 “Treffer”, also nur dreimal (1999, 2005 und 2006) war der Sieger von Jänner – November identisch mit dem Sieger im Dezember.

Auffallend ist, dass besonders oft Indices aus den emerging markets zu den Siegern gehörten. Nur im Jahr 2011 war die USA der Sieger von Jänner – November – aber das gehört nicht zum Thema 
  

          
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(09.12.2015)

Kristallkugel, Wahrsage, Prognose http://www.shutterstock.com/de/pic-241671154/stock-photo-shining-ball-in-human-hands.html, (© www.shutterstock.com)


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Michael Gredenberg

Inode-Gründer. Heute u.a. passionierter Radfahrer und Finanzautor via financeblog.at.

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