Allgemeines
Als nächstes Unternehmen in der Quickcheck-Serie soll die OMV AG (AT0000743059) einer kurzen Betrachtung unterzogen werden. Es handelt sich hierbei um ein österreichisches Öl- und Gasunternehmen. Die drei Geschäftssegmente, in die sich die operative Tätigkeit gliedert, sind „Exploration and Production (E&P)“, „Refining and Marketing (R&M)“ sowie „Gas and Power (G&P)“.
E&P: Hier sucht und fördert man in 20 Ländern auf 4 Kontinenten in einer ausgeglichenen Balance Öl und Gas. Ein Drittel der Produktion stammt aus Rumänien und Österreich. Daneben gibt es ein nicht unproblematisches Exposure in Libyen. Dieser Sektor vereint die meisten CAPEX auf sich, da das Management hier das größte Potenzial sieht. Das Ziel ist, bis 2016 eine Produktionssteigerung auf ca. 400 Tsd „barrel oil equivalent“ (boe)/Tag zu erreichen, was vom momentanen Niveau ungefähr ein Drittel Zuwachs ausmachen würde. Die sicheren und wahrscheinlichen Reserven betragen fast 2 Mrd. boe, was die Förderung für gut 13 Jahre auf diesem Niveau sicherstellen müsste.
G&P: Dieses Segment fußt auf der Prämisse, dass Gas in den nächsten Jahren einer der wichtigsten fossilen Brennstoffe wird und zunehmend an Bedeutung gewinnen soll. Einerseits wird hier mit Gas gehandelt (sowohl solches aus eigener Förderung wie auch jenes aus Fremdbezug), andererseits werden Kraftwerke zur Stromerzeugung produziert. Es existieren Kraftwerke in Rumänien, Deutschland, der Türkei und Österreich. Im Gashandel ist aus gegebenem Anlass auf die signifikante Bedeutung von Gas aus Russland (Bezugsvertrag mit Gazprom) hinzuweisen, läuft doch im Transit ein Drittel des gesamten russischen Gases über den Knotenpunkt Baumgarten der OMV.
R&M: In 11 Ländern werden insgesamt 4200 Tankstellen betrieben, sowie drei Raffinerien in Österreich, Deutschland und Rumänien mit insgesamt 17,4 Millionen Tonnen Verarbeitungskapazität pro Jahr. Daneben wird eine 36%ige Beteiligung am Konzern Borealis gehalten.
Was den Umsatz betrifft, so ist R&M der größte Anteil (2/3), der Rest verteilt sich nahezu gleichmäßig auf G&P sowie E&P. In Bezug auf die Profitabilität zeigt sich allerdings ein völlig anderes Bild, denn das Segment E&P ist im Hinblick auf das EBIT mit Abstand das profitabelste. Insofern scheint auf den ersten Blick schon verständlich, warum man hier den Investitionsfokus legt.
Einflussfaktoren auf das Geschäftsmodell
Welche Faktoren spielen bei der Geschäftsentwicklung nun eine Rolle? Die nachstehenden Ausführungen stellen eine oberflächliche Überlegung meinerseits dar und können freilich den einen oder anderen schwerwiegenden Fehler aufweisen.
Zunächst liegt nahe, dass aufgrund der Tatsache, dass in den E&P-Bereich in den nächsten Jahren mit Abstand am meisten investiert wird, der Erfolg und die Stabilität der OMV zu einem großen Teil abhängig ist von Erfolg oder Scheitern neuer Explorationsprojekte sowie der Nachhaltigkeit und dem Funktionieren der bestehenden Produktion. Beispielsweise wurde 2012 im schwarzen Meer der größte Gasfund der Unternehmensgeschichte vermeldet, wobei noch evaluiert wird, ob eine Produktion dort rentabel ist. Die Produktion in Libyen steht derzeit wegen der politischen Unruhen still, es ist offenbar noch nicht absehbar, wann dort wieder „normal“ gearbeitet werden kann. Unsicherheitsfaktoren wie diese beiden beeinflussen das Geschäft maßgeblich und immer wiederkehrend.
Wenig überraschend spielt der Ölpreis für ein Unternehmen in der Ölindustrie eine tragende Rolle. Hier gibt es momentan eine aus meiner Sicht ziemlich interessante Entwicklung. „Normalerweise“ war es in der Vergangenheit so, dass bei erhöhter geopolitischer Unsicherheit der Ölpreis zu steigen begann. Dem entgegengesetzt hat sich in den letzten Wochen allerdings – trotz enormer geopolitischer Risiken bedingt durch die Abkühlung der Beziehungen mit Russland und dem Aufstreben der IS in Syrien und im Irak – ziemlich stark verbilligt. Die Finanzpresse führt diese Entwicklung auf ein gestiegenes Angebot aus den USA und gesenkte Nachfrageprognosen zurück.1
Daneben spielt für die OMV der Wechselkurs des Dollars in Relation zu den für den Konzern wichtigen Währungen Euro, Türkische Lira und dem Rumänischen Leu. Die in Dollar verkaufte und denominierte Ware wird natürlich für den Konzern umso „wertvoller“, je stärker der Dollar in Relation zu den genannten Währungen zulegt. Die jüngsten Entwicklungen (Wegfall des Quantitative Easings und Anzeichen einer Zinserhöhung in den USA vs. ungebremst lockerer Geldpolitik in der EU) könnten hier positive Anzeichen nahelegen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entwicklung der Gasmärkte. Der Konzern weist im Jahresbericht 2013 darauf hin, dass die in den letzten Jahren forcierte Unterstützung erneuerbarer Energien die Nachfrage nach Gas gedrückt haben. In Bezug auf den Fremdgasbezug ist einerseits maßgeblich, zu welchen Konditionen dieses zugekauft werden kann (langfristige Lieferverträge mit Gazprom und Statoil, die momentan neu evaluiert werden) und andererseits, zu welchem Preis dieses dann weitergegeben wird. Außerdem spielt der Anteil der Einspeisung von selbst gefördertem Gas (sowie dessen Förderpreis) im Ergebnis mit. In einem kürzlich veröffentlichten Interview spricht CEO Roiss über die akuten Probleme am Gasmarkt und die Implikationen davon für die OMV2. Durch die zunehmende Orientierung am offenen Markt (anstatt der Ölpreisbindung) und den momentanen Überkapazitäten sinken die Margen und die Profitabilität. Der CEO spricht von der Notwendigkeit des Umbaus des Segmentes. Etwas polemisch formuliert: immer wenn ein Manager von Restrukturierung spricht, ist deren Zwillingsschwester, die außerplanmäßige Abschreibung nicht weit. Mich würde es also nicht übermäßig wundern, wenn in den nächsten Jahren der eine oder andere negative Sondereffekt in diesem Segment verbucht würde. Jedenfalls soll die reformierte Strategie des Konzerns im Gassegment in den nächsten 6 bis 12 Monaten fertig sein. Außerdem ist der Konzern im Teilbereich G&P in Bezug auf seine Kraftwerksprojekte vom Strompreis und der Stromnachfrage abhängig. Das Teilsegment Power war beispielsweise wegen unvorteilhafter Entwicklungen hier im ersten HJ 2014 negativ – ein anhaltend schlechtes Umfeld könnte Wertberichtigungen bei den Kraftwerken erfordern.
Das dem gesamten Segment G&P zugeordnete Vermögen (Ende 2013) in Höhe von insgesamt 2 Mrd. Euro legt allerdings die Vermutung nahe, dass selbst bei größeren Wertberichtigungen auf die Kraftwerke sowie im Gashandel keine plötzliche existenzbedrohende Horrorabschreibung zu erwarten wäre.
Wie bereits erwähnt besitzt die OMV einen 36%igen Anteil an Borealis, dementsprechend schlägt deren Geschäftsentwicklung auf den Erfolg der OMV durch. Borealis produziert Kunststoffe für Rohre und Kabel, diverse Basischemikalien sowie Düngemittel3.
Finanzielle Verfassung
Die Eigenkapitalquote des Konzerns auf Basis des Halbjahres 2014 beträgt ca 45%, wobei im Konzerneigenkapital von 14,7 Mrd. EUR eine Hybridanleihe iHv 741 MEUR und Minderheiten iHv 2,9 Mrd. EUR enthalten sind. Das Aktionärseigenkapital beträgt somit ca. 11 Mrd. Euro oder 33,6 EUR je Aktie. Das Gearing bezogen auf das Konzerneigenkapital beträgt ca 38% und ist nicht weiter alarmierend. Die Zinsaufwendungen fanden 2013 im EBIT ca. 9 fache Deckung (2012 7,5x). Die goodwill-Quote in Bezug auf das Konzerneigenkapital beträgt 6,8%, jene in Bezug auf das Aktionärseigenkapital (das bei einem impairment natürlich als erstes verrinert wird) beträgt ca 9%. Auf den ersten Blick würde ich die finanzielle Stabilität des Konzerns als halbwegs gut einschätzen.
Sonstiges
Die Aktionärsstruktur sieht so aus, dass 31,5% via Investmentholding ÖIAG vom österreichischen Staat gehalten werden und 24,9% vom arabischen Ölinvestitionsvehikel IPIC. Zwischen diesen beiden Hauptaktionären besteht eine Syndikatsvereinbarung. Der Rest befindet sich im freefloat. Eine plötzliche Übernahme als Trigger für Kurssteigerungen scheint also derzeit äußerst unwahrscheinlich.
Der CEO ist seit 2011 Dr. Gerhard Roiss, welcher bereits 1990 im Unternehmen tätig ist. Das Management wird durch einen Long Term Incentive Plan über OMV-Aktien am Unternehmenserfolg beteiligt.
Ich möchte an dieser Stelle nun einen kleinen peergroup-Vergleich mit verschiedenen anderen Öl- und Gasunternehmen aus dem europäischen Raum anstellen.
Zahlen in Mio. | OMV | Total | ENI | Repsol |
Umsatz | 42400 | 171655 | 116107 | 56298 |
Gewinn (Aktionäre) | 862 | 8440 | 4972 | 879 |
Gewinnspanne | 2.03% | 4.92% | 4.28% | 1.56% |
Eigenkapital (Aktionäre) | 10872 | 72629 | 58210 | 27207 |
ROE | 7.93% | 11.62% | 8.54% | 3.23% |
Anzahl Aktien | 327 | 2378 | 3634 | 1350 |
Kurs | 28.1 | 50 | 18.8 | 18.75 |
Marktwert Aktien | 9188.7 | 118900 | 68319.2 | 25312.5 |
KBV | 0.85 | 1.64 | 1.17 | 0.93 |
KUV | 0.22 | 0.69 | 0.59 | 0.45 |
KGV | 10.66 | 14.09 | 13.74 | 28.80 |
Die OMV-Gewinne habe ich („Daumen mal Pi“) um 300 MEUR nach unten korrigiert, da offenbar ein positiver Sondereffekt in 2013 verbucht wurde. Bei Repsol scheint der Gewinn ebenfalls durch Sondereffekte gezeichnet zu sein, allerdings habe ich noch nicht nachgesehen, um wieviel hier bereinigt werden sollte. Insofern sind die Kennzahlen KGV und ROE von Repsol nicht aussagekräftig. Man sieht allerdings, dass im Prinzip sämtliche Kennzahlen bei der OMV auf eine günstige Bewertung in Relation zu den anderen Konzernen der Branche hindeuten. Der ROE ist allerdings nicht sonderlich berauschend. Außerdem ist herauszufinden, weshalb die Nettogewinnspanne bei der OMV im Verhältnis zu den anderen Unternehmen so schlecht ist.
Außerdem sollte meiner Meinung nach der Wert der Borealis-Beteiligung höher angesetzt werden, als dies im Konzernabschluss der Fall ist. Zum Ende des Geschäftsjahres 2013 lag der at-equity einbezogene Buchwert von Borealis bei 1,4 Mrd. Euro. Der Gewinn der Borealis pendelte in den letzten drei Jahren zwischen 423 und 507 MEUR. Rechnet man dies mit einem Multiplikator von 12 hoch, gelangt man zu einem Unternehmenswert von ca 5 bis 6 Mrd. Euro, wovon auf den 36%igen OMV-Anteil ca. 1,8 bis 2,16 Mrd. EUR entfallen.
Fazit
Ich werde mich noch weiter mit der OMV befassen. Derzeit sehe ich mich noch nicht dazu in der Lage, eine genauere Einschätzung zur zukünftigen Ertragssituation zu treffen. Auf den ersten Blick zeigt sich aber ein Unternehmen, das relativ günstig wirkt, halbwegs solide finanziert ist und offenbar in der Borealis-Beteiligung unter Umständen erhebliches verstecktes Potenzial verankert ist. Außerdem scheinen viele der momentanen Probleme (Russland, Gasmarkt, Libyen, etc.) eher temporärer Natur zu sein. Ein weiter fallender Euro könnte ebenfalls positive Auswirkungen bringen. Insofern zahlt es sich meiner Meinung nach aus, sich näher mit dem Unternehmen zu beschäftigen.
Die Informationen stammen grundsätzlich von den homepages der OMV und der Borealis, den Geschäftsberichten dieser Unternehmen aus 2013, sowie der Halbjahresbericht 2014 der OMV.
Sonstige verwendete Quellen
1 http://www.finanzen.net/nachricht/rohstoffe/Nachfrage-weiter-gering-Oelpreise-weiter-schwach-3865733
3 http://www.borealisgroup.com/en/company/about-us/at-a-glance/
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