Wie entsteht Geld? Und wie funktioniert unser Banken-System? – Teil 1

Heute möchte ich gerne erklären wie Geld entsteht und was Geld eigentlich ist.
Wir alles verwenden es täglich zum Bezahlen, wir sind froh wenn wir genug davon haben – aber kaum jemand hat eine Ahnung über den Ursprung des Geldes. Wo kommt das Geld eigentlich her, welches wir in unserer Brieftasche und am Bankkonto haben? Viele denken, die europäische Zentralbank bringt unseren Euro  in Umlauf. Das ist aber nicht richtig. Die ganz normalen Geschäftsbanken erschaffen das Geld im heutigen System.

Ich bemühe mich es so zu erklären, daß es für jeden verständlich ist. Es ist sehr wichtig diesen Prozeß zu verstehen, da natürlich das Verständnis des Geldsystems für viele wirtschaftlichen Überlegungen essenziell ist.
Man findet im Internet zahlreiche Seiten die die Geldschöpfung beschreiben – leider verstricken sich viele davon in unnötigen Verschwörungstheorien. Ich versuche deshalb alles möglichst sachlich zu erklären.

Ich versuche den Prozeß der “Gelderschaffung” bzw. “Geldschöpfung” wie er meist genannt wird, anhand von vereinfachten Bank-Bilanzen zu erklären. Einfache Kenntnisse im Lesen von Bilanzen setze ich voraus, versuche es aber dennoch so einfach zu halten und zu erklären, dass man kein Bilanzbuchhalter sein muss um es zu verstehen.

Nehmen wir also einmal eine Bankbilanz her, wie sie aussieht bevor neues Geld entsteht:

Bankbilanz
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 100 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 100 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 200 Summe Passiva 200

Wie wir wissen, steht bei einer Bilanz immer auf der Aktiv-Seite das Vermögen eines Unternehmens und auf der Passiv-Seite die Schulden und das Eigenkapital.
Vereinfacht gesagt: AKTIVA = Mittelverwendung, PASSIVA = Mittelherkunft.
Also sehen wir auf der Passiv-Seite wo das Geld herkommt, und auf der Aktiv-Seite wofür es verwendet wurde.

In dem oben genannten – stark vereinfachtem – Beispiel also hat eine Bank das Geld von 2 Kunden (Kunde A und Kunde B) bekommen. Diese Kunden haben auf ihrem Konto ein Guthaben von 100 (Kunde A) bzw. 50  Euro (Kunde B). Aus Sicht der Bank besteht eine Schuld gegenüber diesen Kunden.
Als Vermögenswerte hat die Bank Kreditverträge, die 100 wert sind und ein Guthaben bei der Zentralbank ebenfalls in Höhe von 100. Die Vermögenswerte sind also insgesamt 200 wert, die Schulden gegenüber Kunden nur 150. Die Differenz ist das Eigenkapital der Bank.

Wir werden jetzt Geld von seiner Geburt bis zum Tod begleiten:

Was passiert nun, wenn Geld entsteht?

Kunde C kommt zur Bank und möchte einen Kredit in Höhe von 100 aufnehmen. Nachdem die Bank entschieden hat, dass er über ausreichend Bonität verfügt bzw. ausreichend Sicherheiten bringen kann, gewährt sie ihm einen Kredit und schreibt ihm 100 auf seinem Konto gut.
Die Bilanz der Bank sieht nachher so aus:

Bankbilanz
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 200 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 100 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Guthaben auf Konto Kunde C 100
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 300 Summe Passiva 300

Kunde C hat also auf seinem Konto ein Guthaben von 100, die Bank schuldet ihm quasi diese 100.  Dieses Guthaben ist Geld, welches vorher nicht existiert hat und im Moment der Kreditgewährung durch die Bank geschaffen wurde.
Man spricht deshalb auch von “fiat-money” – lat. “Es werde Geld!”
Beim Anlagevermögen der Bank (Aktiva) sind 100 an Kreditverträgen dazugekommen, da ja der Kunde der Bank ebenfalls 100 schuldet die er irgendwann zurückzahlen muss.
Man sieht auch, daß sich beim Zentralbankguthaben nichts geändert hat, auch nicht beim Eigenkapital der Bank und bei den Einlagen der anderen Kunden.
Daraus ist deutlich zu erkennen, daß die Bank ohne Mitwirken der Zentralbank neues Geld erschaffen kann.
Geld entsteht durch die Vergabe eines neuen Kredites, und es werden dafür weder Zentralbank-Reserven noch die Guthaben der anderen Bankkunden angetastet. Das ist insofern interessant, da viele Leute glauben, die Bank verleiht das Geld welches sie am Konto haben an andere Kunden weiter. Das tut sie aber nicht wie wir an dem Beispiel sehen können.

Kunde C möchte mit dem Kredit ein Auto bezahlen welches er Kunde D bei Bank2 abkauft.

Was passiert, wenn Geld von einer Bank zur anderen transferiert wird?

Wenn Kunde C und Kunde D bei der selben Bank sind, ist die Sache ganz einfach. Die Bank muss nur beim Guthaben des einen Kunden 100 abziehen und beim anderen Kunden hinzufügen. An allen anderen Bilanzpositionen ändert sich nichts.
Etwas komplexer ist es, wenn Kunde C und Kunde D nicht bei der selben Bank ihr Konto haben. Dann funktioniert der Transfer meistens – aber nicht notwendigerweise – mit Hilfe der Zentralbank.

Hier die Bilanzen von den beiden Banken vor der Transaktion:

Bankbilanz Bank1
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 200 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 100 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Guthaben auf Konto Kunde C 100
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 300 Summe Passiva 300
Bankbilanz Bank2
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 0 Guthaben auf Konto Kunde D 0
Guthaben bei Zentralbank 50 Eigenkapital 50
Summe Aktiva 50 Summe Passiva 50

Die Bank2 in diesem Beispiel hat gerade neu eröffnet mit einem Eigenkapital von 50, welches sie bei der Zentralbank “angelegt” hat und hat nur einen Kunden, Kunde D, der dort ein Konto eröffnet hat und noch keine Einzahlungen getätigt hat.

Nachdem Kunde C von Bank1 an Kunde D von Bank2 die Überweisung von 100 getätigt hat, sehen die Bilanzen der beiden Banken wie folgt aus:

Bankbilanz Bank1
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 200 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 0 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Guthaben auf Konto Kunde C 0
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 200 Summe Passiva 200
Bankbilanz Bank2
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 0 Guthaben auf Konto Kunde D 100
Guthaben bei Zentralbank 150 Eigenkapital 50
Summe Aktiva 150 Summe Passiva 150

Die Bilanzsumme der Bank1 ist um 100 zurückgegangen. Sie hat kein Guthaben mehr bei der Zentralbank und “schuldet” Kunde C nichts mehr – er hat kein Guthaben mehr bei der Bank.
Bei Bank2 ist dafür die Bilanzsumme um 100 angewachsen. Das Zentralbankguthaben ist um 100 gestiegen, genauso aber die Schuld an Kunde D – welcher ein Guthaben von 100 auf seinem Konto hat.

Am Eigenkapital der beiden Banken ändert sich nichts, an den Einlagen der anderen Kunden ebenfalls nicht.
So sieht also eine Transaktion mit Hilfe der Zentralbank aus.

Banken können allerdings auch ohne Hilfe der Zentralbank Transaktionen untereinander verrechnen.
In unserem Beispiel würde die Bilanz der beiden Banken nach der Transaktion dann so aussehen:

Bankbilanz Bank1
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 200 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 100 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Guthaben auf Konto Kunde C 0
Verbindlichkeit gegenüber Bank2 100
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 300 Summe Passiva 300
Bankbilanz Bank2
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 0 Guthaben auf Konto Kunde D 100
Guthaben bei Zentralbank 50 Eigenkapital 50
Guthaben bei Bank1 100
Summe Aktiva 150 Summe Passiva 150

In Diesem Fall gewährt Bank2 der Bank1 einen Kredit über die 100 die der Kunde C von Bank1 an Bank2 überweist. Man spricht in diesem Fall von Interbankengeld.
Ein Großteil der Transaktionen in einem funktionierenden Bankensystem basieren auf diesem Interbankengeld. Da sich viele Transaktionen ausgleichen – die meisten Banken haben zig-tausende Kunden die immer wieder Geld hin und her transferieren, muss nur die Differenz alles Transaktionen einmal täglich aufgerechnet werden. Wenn also z.B. von Bank1 insgesamt 1000 Kunden insgesamt 2 Mio an Bank2 überweisen und von Bank2 insgesamt 800 Kunden 1,8 Mio an Bank1 überweisen, so muss nur der Differenzbetrag von 0,2 Mio verrechnet werden.
Ein wichtiger Referenzzinssatz, der auch sehr bekannt ist und oft Basiszinssatz auch in Kreditverträgen etc. ist ist der EURIBOR (european interbanking offered rate). Der 3-Monats-EURIBOR ist also der Zinssatz zu dem eine Bank der anderen für 3 Monate Geld “borgt”.
Am Höhepunkt der Finanzkrise 2008/09 ist dieses Interbankengeschäft beinahe zum Erliegen gekommen, da sich die einzelnen Banken nicht mehr gegenseitig vertraut haben.

Wie verschwindet Geld wieder?

Wenn nun Kunde C, der sich bei seiner Bank 100 ausgeborgt hat, diese wieder zurückbezahlt, sieht die Bilanz der Bank so aus:

Kunde C überweist 100 auf die Bank, die ihm auf seinem Konto gutgeschrieben werden. Die Bilanz der Bank schaut dann so aus:

vor der Kredittilgung:

Bankbilanz
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 200 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 100 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Guthaben auf Konto Kunde C 100
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 300 Summe Passiva 300

nachher:

Bankbilanz
AKTIVA PASSIVA
Kreditverträge 100 Guthaben auf Konto Kunde A 100
Guthaben bei Zentralbank 100 Guthaben auf Konto Kunde B 50
Guthaben auf Konto Kunde C 0
Eigenkapital 50
Summe Aktiva 200 Summe Passiva 200

Er möchte mit diesen 100 den Kredit tilgen. Infolge dessen verringern sich die Kreditverträge in den Aktiva der Bank um 100 und das Guthaben auf seinem Konto erlischt, da es ja zur Kredittilgung verwendet wurde.
Geld in Höhe von 100 ist also verschwunden.
Fazit: Geld verschwindet durch die Tilgung von Krediten, also durch die Rückzahlung von Schulden.

Über die Konsequenzen, Vorteile und Nachteile dieses Systems werde ich in Teil 2 schreiben, damit dieser Artikel nicht zu lange wird.



(08.09.2014)

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Michael Gredenberg

Inode-Gründer. Heute u.a. passionierter Radfahrer und Finanzautor via financeblog.at.

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