Virtuelle Flughafen-Wien-HV: Updates ohne Gewusel zu Geschäftsgang und Aufsichtsrat (Günter Luntsch)

Virtuelle Flughafen-Wien-HV. Kein Gewusel rund um den Frühstückskaffee dieses Jahr, die Hauptversammlung der Flughafen Wien AG am 4.9.2020 um 10 Uhr fand virtuell statt, wir konnten nur zusehen. Der besondere Stimmrechtsvertreter Wilhelm Rasinger war verhindert, ihn vertrat Florian Beckermann. Notar Brix verlas die Formalien. Die scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Bettina Glatz-Kremsner sprach von erfreulichem Passagierwachstum 2019, von Ausbau und Erneuerung der Terminalinfrastruktur und vom neuen Office-Center, grundsätzlich von der "hervorragenden Entwicklung der Gesellschaft in den letzten Jahren". Auch wenn es noch längere Zeit dauern sollte, bis die derzeitige Krise ende, man sei gut aufgestellt, man sei fast schuldenfrei.

Um 10:20 Uhr übernahm Vorstand Günther Ofner. Er nannte den Konzerngewinn von 176 Mio Euro "den höchsten Wert der Geschichte". Der Flughafen Wien sei einer der ersten Flughäfen, die ihren Betrieb CO2-frei abwickeln. Man müsse den Dividendenvorschlag aussetzen, weil die Richtlinien zum Fixkostenzuschuss vorschreiben, dass keine Dividende ausbezahlt wird. Unklarheiten des Verlaufs der Covid-Krise würden es sehr schwer machen, eine Guidance abzugeben. Der Corona-Virus mache eine Fortsetzung (der schönen Umsatz- und Ertragssteigerungen) im Jahr 2020 leider unmöglich. Man habe die Nettoverschuldung auf 81,4 Mio reduzieren können, das Eigenkapital sei von 1.297 auf 1.380 Mio Euro angestiegen. Vor Jahreswechsel habe die Flughafen-Wien-Aktie ihren Höchststand gehabt, sei gefallen, habe sich erholt, pendle nun zwischen 25 und 26 Euro, im Vergleich zu 2012 entspreche das immer noch einer Kurssteigerung von 256%. "Wenn die Krise überwunden sein wird, müsste es uns auch möglich sein, wieder an die Rekordstände anzuknüpfen.", mit diesen Worten gab er uns Zuversicht. Man spare 40% der Energie und 70% der CO2-Emissionen ein. Mit einer "von uns selbst entwickelten" Software steuere und verknüpfe man alle 250.000 Verbrauchspunkte. Die Einsparungen würden sich nicht auf die Funktionalität auswirken, die Kunden würden es nicht spüren. Man habe etliche PV-Anlagen, und man habe sehr viele Dächer und Flächen, die dafür geeignet seien. Der neue Office-Park stehe auf 500 Bohrpfählen, die alle auch aktiviert seien, so nutze man die Erdwärme für Kühlung und Heizung. Der Office-Park 4 sei bereits in Betrieb und schon zu 40% vermietet.

Ofner bedankte sich bei der österreichischen Bundesregierung und bei allen öffentlichen Stellen für "die Summe der Hilfsmaßnahmen und Unterstützungen". Man habe sich ausreichend Kredit gesichert, um liquid zu bleiben. Man habe ein umfangreiches Sparprogramm, das mehr als 220 Mio umfasse. Mittlerweile mache man am Flughafen rund 1.000 PCR-Tests pro Tag. Süderweiterung und Pier-Ost-Sanierung habe man zurückgestellt, auch alle weiteren Aktivitäten, die nicht unbedingt erforderlich seien, was Liquidität spare. Office-Park 4 und Terminalsanierung seien bereits weit fortgeschritten und würden daher zu Ende gebracht, anderes werde sicher um einige Jahre nach hinten verschoben. Bei der Dritten Piste sei man in der angenehmen Situation, eine höchstgerichtliche Entscheidung zu haben. Man könne nun in Ruhe abwarten und zuschauen, wie schnell der Flugverkehr zurück komme. 2023 oder 2024 könne man dann entscheiden, wie und in welcher Form das Projekt weitergeführt werde. Man sei in keiner Drucksituation, das Unternehmen sei auch nicht durch Ausgaben belastet. Man könne in Ruhe die nötigen Entscheidungen treffen.

Vorstand Julian Jäger sprach von einer schwierigen Lage nach dem extremen Wachstum 2017 bis 2019, wo es Aufholbedarf nach der AirBerlin-Pleite gegeben habe. AUA als Homecarrier sei nach wie vor die Nr.1 am Standort. Der Sitzladefaktor 2019 habe 77,3 betragen, Fracht sei leicht zurückgegangen. 43% Anteil habe Austrian Airlines, insgesamt habe die Lufthansa-Gruppe 55% Anteil. Lauda(motion) habe 8%, Wizzair 6,6% und Easyjet 3,9% Anteil. Gesamt habe man 30 Carrier. Man wolle die Landegebühren für den Flughafen erlösneutral in der Art anpassen, dass laute Flieger mehr und leise Flieger weniger bezahlen, das könne bis 1.000 Euro ausmachen. In der Regel seien leise Maschinen auch energiesparender unterwegs und würden weniger CO2 ausstoßen. Es sei gelungen, die negative Umsatzentwicklung 2019 bei Cargo durch Kosteneinsparungen mehr als auszugleichen. Die Vermietung sei sehr stabil, das Geschäft sei nicht von der Passagierzahl abhängig. Das Segment Retail Properties habe ein positives Ebit von 85,6 Mio Euro erzielt. In Malta erwirtschafte man 70% des Ebit im Segment Airport, 30% im Retail. Auch in Malta investiere man in Büroflächen. Kosice habe mit 600.000 Passagieren 14 Mio Umsatz gebracht. Es gebe wenige Flughäfen dieser Größe, die so stabile Erträge abliefern würden. Kosice sei der einzige Flughafen in der Slowakei, der Gewinne mache. Anm: Laut Wikipedia gibt es neben Kosice und Bratislava noch einige kleinere Flughäfen in der Slowakei.

Im Lockdown seien mehr als 7.500 Menschen aus 29 Ländern von der AUA und anderen Fluglinien zurückgebracht worden. Die Modernisierung von Terminal 2 gehe in die Endrunde. Die zentrale Sicherheitskontrolle werde vor dem Duty Free sein, das werde den Umsatz dort unterstützen. Aufgrund des derzeit eingeschränkten Betriebs können die Arbeiten dort rasch fortgesetzt werden. Aktuell habe man in Wien um 65%, in Malta um 68% und in Kosice um 76% weniger Verkehr. Bei Fracht fehle das "Belly Load", das Mitführen von Fracht auf Langstreckenpassagierflügen, aber reine Frachtflüge seien gestiegen. Im August 2020 habe man 25.000 Personen pro Tag gehabt, verglichen mit 100.000 im letzten Jahr. Anm: Viele von mir gesichtete und im Landeanflug befindliche Flugzeuge finde ich nicht auf der Ankunftstabelle auf der Seite des Flughafens, das dürften wohl Frachtflieger sein. Auf der Tabelle ausgewiesen werden aber z.B. die Vielflieger Fedex, Korean Air und Asiana, wobei die beiden letztgenannten mal direkt aus Seoul nach Wien fliegen, ab und zu auch über z.B. Moskau. Ich nehme an, sie bringen vor allem medizinisches Material, denn sie sind auch geflogen, als sonst gar niemand geflogen ist.

Die Luftfahrt entwickle sich momentan weltweit unterschiedlich, in China betrage der Rückgang nur noch 15%. Er hoffe, dass wir eine deutliche Erhöhung des Luftverkehrs sehen werden, die Wirtschaft werde wieder anspringen, die Lust zu reisen werde wiederkommen, Geschäftsreisen würden wohl in den nächsten Jahren weniger werden. Um 11:03 h erklärte die Aufsichtsvorsitzende, dass die Position als Generaldirektorin der Casinos Austria AG ihre volle Aufmerksamkeit brauche und sie daher aus dem Aufsichtsrat der Flughafen Wien AG ausscheide. Da das Unternehmen weniger als 20% Frauen beschäftige, sei keine Geschlechterquote im Aufsichtsrat erforderlich, man schlage daher 3 Männer vor: Ralph Müller mit Erfahrungen bei Bank Austria, AWD und jetzt bei VIG; Manfred Pernsteiner mit Erfahrung in der Legistik von Migration und Asyl und jetzt bei Landeshauptfrau Mikl-Leitner; Boris Schucht aus der Strombranche "mit erheblichen Erfahrungen in Aufsichtsratsfunktionen". Eine Präsenz von 78 durch die vier besonderen Stimmrechtsvertreter vertretenen Aktionären mit 77,846.730 Aktien wurde verlesen, um 11:15 h begann die Generaldebatte.

Die Fragen von Aktionär IVA wurden verlesen: Ob man an einen Verkauf der Flughäfen Vöslau oder Kosice denke; eine Beteiligung an Linz, Klagenfurt oder Graz wäre besser; die "mickrige" AR-Vergütung solle erhöht werden; AR-Kandidat Pernsteiner sei noch sehr jung (Anm: 36 Jahre) und habe ein Naheverhältnis zur NÖ-Landeshauptfrau Mikl-Leitner; wie viele Flughafen-Aktien die verbleibenden AR-Mitglieder besitzen; warum man die Landegebühren reduziere, wo die Leistung doch erbracht werde; ob man auf die Austro-Control einwirken könne, die Privilegien auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Ofner antwortete: Auf die Austro-Control habe man keinen Einfluss, man sei nachgeordnet und müsse die Direktiven der Austro-Control befolgen. Er, Ofner, sei aber seit einiger Zeit Mitglied des Aufsichtsrats der Austro-Control, man kenne das Problem, aber bisher seien Bemühungen um Änderungen nicht ausreichend erfolgreich gewesen. Vielleicht werde es beim jetzigen Anlauf gelingen, das in richtige Bahnen zu bringen. Synthetisches Kerosin könne man bereits erzeugen, es sei nur noch zu teuer, der Vorteil liege aber darin, dass man die gesamte vorhandene Infrastruktur beibehalten könne. Eine 50:50-Beimischung wäre ohne Veränderungen möglich.

Zum Flugplatz Vöslau gebe es eine Vorgeschichte: Als man vor einigen Jahrzehnten die Zweite Piste bauen habe wollen, sei damit die Absiedlung des Flugfelds Aspern verbunden gewesen, mit der Verpflichtung für die Flughafen Wien AG, den Flugplatz Vöslau zu kaufen und dort zu investieren, damit er für Privatflugzeuge nutzbar sei. Ungefähr 2011 bis 2013 habe man geprüft, ob eine Veräußerung Sinn mache. Aber so lange die Verpflichtung gelte, den Flugplatz zu erhalten, sei ein Verkauf nicht sinnvoll. Operativ habe man dort 300.000 Euro Gewinn gemacht, vor der Wertminderung von 1,3 Mio Euro. Auch heuer laufe das Jahr gut in Vöslau. Eine Beteiligung an den Flughäfen der Landeshauptstädte sei angesichts der föderalen Strukturen in Österreich wahrscheinlich nicht zu realisieren. Weder würden wir uns um den Kauf eines dieser Flughäfen bemühen, noch bemühe sich einer dieser Flughäfen, uns als Partner zu gewinnen. An Kosice seien wir nur zu 66% beteiligt, der Rest gehöre dem slowakischen Staat, wir brauchen für jede Veränderung dessen Einwilligung. Kosice habe uns einen Gewinnanteil von 1,7 Mio Euro gebracht, im 1.HJ 2020 gebe es ein kleines Minus von 300.000 Euro. Man sei insgesamt sehr zufrieden. Einmal im Jahr sei Jäger für 24 Stunden in Kosice, um mit dem dortigen Management und lokalen Politikern zu sprechen. Die Management Attention, die man Kosice zukommen lasse, entspreche in etwa dem Ergebnisbeitrag von Kosice. Der Flughafen Wien habe relativ hohe Bruttogebühren, aber auch relativ hohe Incentive-Programme. Wir unterstützen Osteuropa und Langstrecke, hier wollen wir wachsen. Der Landetarif mache rund 20% der Gesamttarife aus, er stelle die Fixkosten dar. Früher sei das Verhältnis 50:50 gewesen, jetzt 80:20. Heuer habe man die Landegebühren ausgesetzt, um die Airlines zu unterstützen. Alle Fluglinien, welche mindestens 65% des Flugangebots für 2020 (im Jahr 2021 also) anbieten, würden davon profitieren, es gehe um schöne Summen.

Die Wortmeldung eines weiteren Aktionärs wurde verlesen. Aus seinen Worten ließ sich eine gewisse Fassungslosigkeit herauslesen. Er fragte, warum "ausgerechnet der Büroleiter der Landeshauptfrau" der beste Kandidat für diese Position sein soll. Er solle doch erst einmal bei kleineren Unternehmen üben und nicht gleich beim milliardenschweren Flughafen, gerade in so schwierigen Zeiten. In Zeiten wie diesen könne man nicht einfach den "nächstbesten" für so einen Posten nehmen. Der Flughafen habe sehr viel größere Bedeutung als eine Provinzbank. Anm: Ich sage dazu nichts, ich erinnere mich grad an die Entsendung Gabmanns in den Flughafen-Vorstand, in NÖ hat man halt diesen Zugang. Die Aufsichtsratsvorsitzende klärte auf: Diversifikation sei enorm wichtig, man brauche auch junge Menschen und Menschen aus der öffentlichen Verwaltung.

Auf Berthold Bergers fragen antwortete Ofner, es seien rund 100 Menschen eingeloggt, es ändere sich laufend. Die Internetleitungen für die Übertragung der HV würden insgesamt 4.222 Euro kosten, die Stimmrechtsvertreter 8.750 Euro, in Summe würden sie 77 Aktionäre vertreten. Einen Privataktionärstag werde es, wie von Berger angenommen, tatsächlich heuer nicht geben. 46 Fluglinien würden Schwechat aktuell anfliegen, davon 36 Passagiergesellschaften und 10 Cargogesellschaften. Im letzten Jahr seien es 76 Airlines mit 199 Destinationen gewesen. Man habe bereits 98,5 Hektar, die für den Flugbetrieb gewidmet seien, mit einem Buchwert von 17,4 Mio Euro (Anm: unter 18 Euro pro m2). Man habe einen Gesamtbedarf von 600 Hektar, wovon rund 20% erworben worden seien. Man besitze 426 Hektar mit einem Buchwert von 56 Mio außerhalb des Flughafens, die man für Flächentausch verwenden könnte. Man gehe davon aus, dass man ein Drittel bis zur Hälfte der benötigten Flächen über Flächentausch erlangen könne. Berger sprach einen erfolgreichen Hack an, Ofner entgegnete, dass die meisten Hacks von den Kunden gar nicht wahrgenommen würden, weil man so schnell mit Gegenmaßnahmen reagiere. Berger kritisierte die Kandidatur von Schucht für den Aufsichtsrat, er sei auch beim Berliner Flughafen dabei. Wir erfuhren, dass Schucht erst nach dem Desaster zum Berliner Flughafen gekommen sei und dass die Suche nach den AR-Kandidaten keine Kosten verursacht habe. Vorstand und Aufsichtsrat wurden mit je mehr als 99,99% entlastet, bei der Vergütungspolitik gab es 1,62% Gegenstimmen. Müller und Schucht bekamen je 333 Gegenstimmen, das entspricht 0,0004%. Pernsteiner wehte mit 282.458 Nein-Stimmen (0,36%) kräftiger Gegenwind ins Gesicht. Andrerseits: Satte 99,64% hießen ihn herzlich willkommen. Um 12:11 h war die HV zu Ende.
Flughafen Wien ( Akt. Indikation:  25,40 /25,85, 0,49%)

(Der Input von Günter Luntsch für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 08.09.)



(08.09.2020)

Aufsichtsratsvorsitzende Bettina Glatz-Kremsner, Flughafen-Wien-HV 4.9.2020


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Günter Luntsch

#gabb Autor, siehe http://boerse-social.com/...

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