Sanochemia: Eine Lektion, wie man Gläubiger und Aktionäre los wird (Günter Luntsch)

Gmahte Wiesn bei Sanochemia? Wie wird man Gläubiger und Aktionäre los, 1. Lektion: Zuerst einmal aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung 58 Mio. Euro Verlust daherzaubern. "Geplante" Insolvenz ankündigen. Das hört sich an, wie wenn man alles im Griff hätte, aber Panik bei Gläubigern und Aktionären wird es schon auslösen. Zumal man es nicht einmal der Mühe wert findet, zu kommunizieren, wo die 58 Mio. Euro plötzlich herkommen. Die Aktionäre waren eh geprüft und leidensfähig genug, die haben auf der letztjährigen HV im neuen Großaktionär noch einen Lichtblick gesehen. Zu allem Überdruss gibts dann nicht einmal Eigenverwaltung. Ein Schiff, das ein paar Monate ohne Steuermann fährt? Kein Wunder, dass Gläubiger und Aktionäre noch nervöser werden.

Aber jetzt zaubert man den Big Spender aus dem Hut: b.e. imaging GmbH, EOSS Technologies Holding GmbH sowie die Wirtschaft Burgenland GesmbH (alle drei mittelbar über die bew Beteiligungs GmbH) erklären sich bereit, um läppische 6 Mio. Euro (verglichen mit dem kurz vorher noch kommunizierten Wert der AG) nach Kapitalschnitt 88% der Sanochemia Pharmazeutika AG zu übernehmen (incl. der nach Kapitalschnitt und Kapitalerhöhung noch 5% der b.e. imaging GmbH). Outsqueezen wird dann nicht schwer fallen. 12% sollen vorerst den Aktionären bleiben, die derzeit 70% haben. Sie dürfen ja zu 8 Cents pro Altaktie (12:1 Kapitalschnitt, d.h. 8 Cents wäre der rechnerische Wert pro Altaktie, diesen Preis zahlen auch die Zeichner) nicht zeichnen. Der Vorstand bezeichnet eben diese Vorgangsweise in der Stellungnahme vom 18.2.2020 mehrmals als im Sinne des "Gleichbehandlungsgrundsatzes" bzw. "Gleichheitsgrundsatzes". Gut, bei Sanochemia wurde in der Vergangenheit schon viel Lustiges geschrieben. Man nehme nur die ganzen bezahlten Analysen. Ja, für solche Lobhudeleien hat Sanochemia echt Geld ausgegeben.

Die erste Hürde wird der 3.3.2020 sein, wo um 9 Uhr im Handelsgericht Wien Gläubigerversammlung, Prüfungstagsatzung, Berichtstagsatzung und Sanierungsplantagsatzung stattfinden. In Deutschland kommt es bei solchen Fällen, also wo Aktionäre nicht oder nicht ausreichend informiert worden sind, oft zu Klagen der Aktionäre gegen die Gesellschaft. Das erspare ich uns aber, es würde mich nicht befriedigen, wenn ich zu Lasten anderer Aktionäre noch Geld aus der AG bekomme. Ich denke, andere Aktionäre denken genauso. Noch ganz abgesehen von den Kosten des Verfahrens, die in Österreich sehr hoch sind. Man würde also schlechtem Geld noch gutes Geld hinterher schmeißen. Das einzige, was ich hier als sicher sehen würde: dass die Firma durch neue Verfahren noch länger ohne Steuermann bleibt, also in Kürze wirklich mausetot ist. Damit ist weder den Gläubigern noch den Aktionären geholfen. Werden die Gläubiger zustimmen? Wenn die bilanzielle Situation so miserabel ist, wie sie dargestellt wird, bleibt ihnen nichts anderes übrig: 20% innerhalb von 2 Jahren sind besser als 0%. Also 80% abschreiben statt 100% abschreiben. Das freut niemand, ist aber bei Insolvenzen üblich: der letzte Strohhalm. Der Gläubigerausschuss besteht aus KSV 1870, Alpenländischer Kreditorenverband, Finanzprokuratur, Hypo NÖ und Arbeiterkammer Burgenland Insolvenzschutzverband. Vier davon werden meiner Erfahrung nach problemlos JA sagen, bei Hypo NÖ habe ich keine diesbezügliche Erfahrung.

Die zweite Hürde wird 8 Tage danach am 11.3.2020 die HV im Technologiezentrum Eisenstadt sein. Die HV "am Ende der Welt" (jedenfalls dort, wo man nicht so schnell hinkommt, wenn man nicht gerade aus Eisenstadt oder Umgebung ist) um 9 Uhr früh anzusetzen, das ist das altbekannte Signal, dass man Interesse hat, dass möglichst wenige Aktionäre es so zeitig in der Früh dorthin schaffen. Wir erinnern uns: Die Sanochemia-HV hat immer am Nachmittag stattgefunden, selbst von weit weg kommend hat man es geschafft, an ihr teilzunehmen. Und jetzt: Nicht um 12 Uhr, nicht um 11 Uhr, nicht um 10 Uhr: um 9 Uhr setzt man nicht einmal in Wien eine HV an. Ich sehe das als feindselige Handlung. Ich werde auch nicht gerade gutmütig sein, wenn ich so zeitig in der Früh ohne Frühstück in Eisenstadt antanzen muss. Wie schauen die Kräfteverhältnisse aus? Bei 6,2 Mio. Altaktien (38%) üblicher Präsenz bei Sanochemia schafft der 30%-Aktionär die Dreiviertelmehrheit locker. Zumal ich denke, dass einige der treuesten Aktionäre die Hoffnung schon aufgegeben und Sanochemia abgeschrieben haben, und die Öffi-Benutzer werden es auch nicht bis 9 Uhr früh auf die HV schaffen: Es wird für die Übernehmer also ein leichtes sein, diese Schlacht zu gewinnen.

Schade, dass wir bei Sanochemia nur brave Aktionäre haben, keine der schlimmen sogenannten "Selbstdarsteller", die auch einmal auf den Tisch hauen und sich wehren. Ja, gerade bei Sanochemia gehen sie mir ab, sie sind ein wertvoller Teil der Aktionärskultur, bei Sanochemia fehlen sie. Nichtsdestotrotz machen die Verantwortlichen meiner Meinung nach einen großen Fehler: NICHT MIT DEN PRIVATAKTIONÄREN ZU KOMMUNIZIEREN könnte sich rächen. Enttäuschte Aktionäre finden mitunter Wege, gut geplante Strategien zu torpedieren. Und das ist dann tragisch: für die Gläubiger, für die Aktionäre, für die Firma, für die Mitarbeiter. Nur weil man etwas durchziehen will, ohne die anderen Aktionäre ins Boot zu holen, die teils sehr viel Geld verloren haben und entsprechend möglicherweise nicht ausschließlich rational handeln könnten.

(Der Input von Günter Luntsch für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 19.02.)



(19.02.2020)

Nein, No, (© finanzmarktfoto/Martina Draper)


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Günter Luntsch

#gabb Autor, siehe http://boerse-social.com/...

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