Buffet: Was will mir Christian Drastil zwischen den Zeilen diplomatisch sagen? (Günter Luntsch)

Kuponschneiders Ärger. Am 13.9.18 schrieb Christian Drastil im #gabb über "viel Feedback zu Günter", dass die Mails defintiv gelesen würden, und gewohnt vorsichtig wie ein Diplomat: "Bei der Konstellation am Buffet geht aber sicher beidseitig (Besucher wie Gastgeber) noch was." Meine feine Nase trügt mich sicher nicht, wenn ich zwischen den Zeilen herauslese, dass - wie man schon längere Zeit hört - man unzufrieden ist über die Qualität der HV-Besucher. Man bauscht da etwas auf, das in Wahrheit gar kein Problem sein muss.

Wie sehen viele Gesellschaften die Besucher der HV? "Die stürmen daher, alle um die gleiche Zeit, schon eine halbe Stunde vor der HV sind sie da, fragen nach Kaffee, und ob es ein Kipferl gibt, dann quälen sie uns mit Fragen, und am Ende wollen sie noch gemütlich zusammen stehn und plaudern, auf unsere Kosten, und Schnitzel ist ihnen lieber als Lasagne, na irgendwas sollten wir ihnen aufwarten, zwecks Höflichkeit, lieber mehr Lasagne als Schnitzel, vielleicht bleiben die dann nächstes Jahr daheim."

Wie sehen viele Besucher der HV ihren Gastgeber, ihre Aktiengesellschaft? "Einmal im Jahr darf ich aus erster Hand erfahren, wie es meiner Gesellschaft geht. Natürlich bin ich rechtzeitig da, ich lass mir doch nicht nachsagen, dass ich erst gegen Ende komme, außerdem krieg ich da wahrscheinlich einen Kaffee, das stärkt mich, und dann seh ich noch so viele Leute wieder, mit denen ich hier über Aktien plaudern kann, Erfolge und Misserfolge, bei Problemen kann ich sie fragen, denn beim Wirten interessiert das keinen. Eine Kleinigkeit zu essen und etwas zu trinken bieten sie sicher an."

Die HV-Besucher haben sich im Normalfall aus dem einen Grund ganz bewusst für Aktien statt für Zertifikate oder Fonds entschieden: Dass sie (je nach zur Verfügung stehender Zeit und Kraft) auch an Hauptversammlungen teilnehmen können und somit Informationen aus erster Hand bekommen. Ein großer Teil der HV-Besucher hat über die Jahre eine besondere Beziehung zu einigen AGs aufgebaut, man fühlt(e) sich wie in einer Familie. In guten und in schlechten Zeiten ist der österreichische Privatanleger seiner AG treu geblieben. Ja, beim Wirten kann man schwer über Aktien sprechen, es ist anzunehmen, dass Gespräche über Aktien bei gut 90% der Österreicher auf steinigen Boden fallen. Wenn uns die AGs, für die wir teils in schlechten Zeiten auch da waren (ja, ich weiss, die schlechten Zeiten, wo man dringend neues Kapital brauchte, sind längst vorbei und werden nie mehr wieder kommen, die AGs brauchen ihre Anteilseigner heute nicht mehr), schon nicht mehr als Teil der Familie betrachten, so können die Anleger untereinander wenigstens reden und Verständnis ernten, ein kleiner Rest von "Familie". Während man im IR-Cirkel nur mit IR-Leuten und Vorständen reden möchte, aber einen Privatanleger als absoluten Fremdkörper empfindet, so können sich die ausgeschlossenen Privatanleger am Rande der Hauptversammlungen wenigstens mit ihresgleichen austauschen. Und die AGs werden nie die Stimmung unter den eigenen Anlegern erfahren, weil es sie schlicht und einfach nicht interessiert.

Die Zeiten der Völlerei sind lange vorbei, die meisten von uns kennen sie nur vom Hörensagen, die Hauptversammlungen z.B. der 90er Jahre. Schwer vorstellbar, dass der typische Privatanleger auf eine HV geht, um dort fünf Stunden lang auf ein Schnitzel zu warten, das er im Möbelhaus bei ungleich besserer Atmosphäre um 2,90 bekommt. Oder Lasagne. Oder Gnocchi. Oder Kresseaufstrichbrötchen. Ist doch alles egal, es zählt die Wertschätzung, die man empfindet: Bin ich als HV-Besucher, Eigentümer, Gast willkommen? Oder wollen mir die zeigen, dass ich unerwünscht bin? Wenn die AG schwere Zeiten hat, erwartet niemand Unleistbares. Wenn es der AG gut geht, freut man sich, dass sie den HV-Besuchern zeigt, dass sie willkommen sind.

Aber: Wenn ein großer Energiekonzern, der wirklich eine "Publikumsgesellschaft" war, im Jahr 2017 erwachsenen Menschen ein halbes Kindergulasch vorsetzt und einige Aktionäre verschämt die devote Frage an das Catering-Personal stellen, ob sie vielleicht einen kleinen Nachschag hergeben würden, FALLS was übrig bleibt, und das Personal antwortet, dass sie strikte Weisung hätten, alles wegzuschmeißen, was übrig bleibt, und im Jahr 2018 verteidigt der AR-Vorsitzende diese Vorgangsweise auch noch, offenbar als Erziehungsmaßnahme an erwachsenen Menschen gedacht, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Der Kuponschneider von heute stellt sich mit seinem Kupon um ein halbes Kindergulasch an, so gehen sie auf keiner Armenausspeisung mit den Besuchern um: dass sie die Portionsgröße so stark rationieren, dass viel übrig bleibt, das sie dann wegschmeißen. Die Pharmafirma im Burgenland denkt genauso, dass es eine gute Disziplinierungsmaßnahme ist, wenn man die Speisen vor den Gästen in die Müllsäcke leert.

Die Bittsteller, also die Aktionäre, akzeptieren das, dass ihr Geld in Speisen gesteckt wird, die dann weggeworfen werden, ohne dass sie ihrer Bestimmung dienen dürfen, nämlich dem Gegessenwerden. Sorry, das ist einfach unmoralisch. Ich gehöre zu der Generation, die von Eltern, Pfarrern, Lehrern vor allem eines gehört hat: "Essen schmeisst man nicht weg!" Und es geht auch nicht nur um diese Unsinnigkeit, dass Geld vergeudet wird, dass sinnlos Essen weggeschmissen wird. Ich zweifle an den Managementfähigkeiten von Menschen, die solche Fehlplanungen im "Kleinen" machen, und die daraus nicht einmal das beste machen, indem sie wenigstens das Wegwerfen dieser Mengen verhindern würden, zumal eh so viele Besucher noch gerne die zweite Gulaschhälfte gegessen hätten, weil der Magen nach ein paar Stunden ja doch schon recht laut knurrt. Die immer wieder kolportierten 70 Euro, die das Catering pro HV-Besucher kosten würde, können nicht wahr sein, auch wenn man die Kosten für Getränke und Personal hineinrechnet. Um das Geld geh ich dreimal gut zum Figlmüller speisen, und das Schnitzel dort hat eine ordentliche Größe. Fazit: Wer 70 Euro pro Person zahlt, der kann nicht wirtschaften.

Ehre, wem Ehre gebührt: Bei Kapsch musste niemand hungrig heimgehn. Weil so üppig, hat es 70 Euro pro Person gekostet? Nein, lachen sie, "weit davon entfernt". Weil so üppig, ist etwas übrig geblieben, wird das jetzt weggeschmissen? Nein, lachen sie, "das haben wir ja bezahlt". Was bezahlt wurde, wird verwertet. Im Kleinen (Buffet) wie hoffentlich im Großen (Vermeidung von Stranded Costs im täglichen Geschäft), ich bin zuversichtlich.

Auch Heid schafft es mit ein paar Brötchen und ein paar Getränken, vor allem aber mit guter Stimmung, dass sich alle Aktionäre wohlfühlen. Senator Rothenberger sagte "Diese HV ist für mich immer wie ein Volksfest." Und auch für uns. Ich wiederhole mich (und inkludiere hier gleich auch die UIAG, ebenfalls mit Brötchen und persönlicher Anwesenheit der Chefs auch bei den Tischgesprächen): Es kommt auf die Wertschätzung an! Es kostet nicht viel, die anwesenden Aktionäre glücklich zu machen. Die Aktionäre zeigen durch ihr Kommen auch ihre Wertschätzung: "Wir nehmen den weiten Weg auf uns, um 1x im Jahr bei unserer AG zu sein und Vorstand und Aufsichtsrat zu treffen".

Niemand braucht Angst vor den Kosten fürs Buffet zu haben. Ich veranstalte gerne ein Seminar für die Führungsetage und ihre engsten Mitarbeiter: "Wo man günstig Brot und Aufstriche kauft, und wie man daraus Aufstrichbrote macht, zu Kosten von unter 10 Euro pro Person, wir schaffen das".

Da fällt mir das Wirtschaftsmuseum ein: An denen sind wir nicht beteiligt, die hätten gar keinen Grund, uns wertschätzend zu behandeln, trotzdem ist die Stimmung dort immer so gut, dass es leider oft sehr eng wird. Zur letzten Veranstaltung kamen ungeplant (man muss sich dort nicht anmelden, die können nicht abschätzen, wie viele Leute kommen) so viele Besucher, dass sie mit dem Brotaufstreichen nicht mehr nachgekommen sind und am Schluss einfach Brote und Grammelschmalz auf die Budel getan haben: Wer noch Hunger oder Appetit hatte, konnte sich selbst noch Brote schmieren, und wer das nicht wollte, der hatte eh keinen Hunger oder Appetit mehr. Keinem von denen, die sich ein Brot selbst geschmiert haben, würde es einfallen, zu lamentieren, dass er nicht von vorne bis hinten bedient wurde.

Zu guter Letzt stellen wir uns bitte noch vor, wie wir unsere Gäste behandeln, wenn wir zu einem Anlass einladen, der nur einmal im Jahr kommt: Die sollen sich nur ja nicht wohl fühlen, sonst kommen sie nächstes Jahr wieder? Ich will mit Fingerfood protzen, das die meisten meiner Gäste nicht einmal kennen, Hauptsache ich kann nachher sagen, dass mich jeder von ihnen 70 Euro gekostet hat? Oder sollen sich die Gäste einfach wohlfühlen, die Stimmung ist wichtig?

Also, es ist nicht schwer, AG und Aktionäre sitzen tatsächlich im gleichen Boot, das sollten alle erkennen. Schätzen wir einander bitte mehr! Eine AG ohne Aktionäre, nein, das wollen sie dann ja doch nicht?



(18.09.2018)

Buffet, (© Michaela Mejta)


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Günter Luntsch

#gabb Autor, siehe http://boerse-social.com/...

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