Aus dem Börsenbrief im Sinne des Börse Social Network Club. http://www.boerse-social.com/gabb
Verwaltungseinsparung auf Österreichisch. Ein gigantisches Unterfangen steht uns Österreichern wohl bevor: die Zusammenlegung der Krankenversicherungsanstalten. Also aller, bis auf die, die so wichtig sind, dass man sie unmöglich zusammenlegen kann. Als gelernter Österreicher darf man allerdings getrost Angst vor den Kosten im Vergleich zu den verschwindend geringen Synergieeffekten haben. Das Horrorbeispiel der Zusammenlegung der Wiener Finanzämter (bis auf 4 Bezirke, die eh schon ein schönes neues Finanzamt gleich neben dem Donauzentrum haben) kennen wohl viele: da wurden Finanzämter in ganz Wien geschlossen, die sich perfekt in ihr Grätzel eingefügt hatten, die bis dahin in Bundesgebäuden praktisch mietfrei existieren konnten, nur um alle diese Finanzämter in einem extra für sie errichteten Finanzturm in Wien-Mitte unterzubringen. Die Mietkosten, die an den privaten Immobilieneigentümer (Bank Austria hat das Gebäude incl. der Geschäfte um angeblich deutlich mehr als 500 Millionen Euro im Jahr 2015 an ein Konsortium um Morgan Stanley Real Estate weiterverkauft) zu entrichten sind, sind ein gut gehütetes Geheimnis, sie konnten von den besten Enthüllungsjournalisten nicht in Erfahrung gebracht werden. Man geht davon aus, dass in dieser Lage 20 Euro/m2 Bürofläche angemessen sind. Nur hätten die meisten Finanzämter keinen so prominenten Standort gebraucht, zumal die Kunden derselben vor allem kleine Hackler aus Favoriten, Ottakring usw. sind. Ja, die Arbeitnehmerveranlagung ist wohl die Abteilung mit der höchsten Kundenfrequenz, die meisten Wiener Bürger sind nun einmal Arbeitnehmer.
Niemand geht dort gerne hin: die Einsparungen sollten im gemeinsamen Front Office der zusammengelegten Finanzämter erzielt werden. Da stehen jetzt ein paar kleine Finanzamtsmitarbeiter dem riesigen Ansturm von Arbeitnehmern aus fast allen Teilen Wiens gegenüber. So wie eine hilflose römische Legion in Erwartung des Ansturms der Gallier, mit dieser typischen Szene aus den Asterix-Comics kann man die Stimmung am ehesten vorstellbar machen. Da die Leute nach der beschwerlichen Anreise oft entsprechend entnervt sind, sind Tumulte keine Seltenheit. Daher musste man einige Sicherheitsleute einstellen. Was den Einsparungseffekt am Schalterpersonal schon zunichte macht. Es sind nur die allerwichtigsten Formulare lagernd, da der Platz sehr beschränkt ist, mit Unternehmern im Frontoffice des zentralen Wiener Finanzamtskomplexes rechnet offenbar niemand. Arbeitnehmerveranlagung, Kinderzuschläge und ähnliches gibt es in Papierform. Für alles andere kann man zwar nach einigem Warten einen netten Mitarbeiter finden, der versucht, das Formular im Drucksortenraum zu finden, der einen aber schlussendlich doch ans Internet verweisen muss, dort müsste das Formular zu finden sein, "weil wir hier haben nur die gängigsten".
Das traurige Österreichische an dieser ganzen Finanzämterzusammenlegung ist dies: nur das Front Office wurde zusammengelegt. Die Finanzämter existieren nach wie vor selbständig in diesem Bürolabyrinth. Auf verschiedenen Etagen. Ohne Begleitung findet sich dort niemand zurecht. Die Finanzämter in diesem Superamt haben selbstverständlich auch jeweils einen Finanzamtsvorstand. Wo hätte man in der Eile neue Positionen für all die nun überflüssigen Finanzamtsvorstände hernehmen sollen, wenn es im ganzen Finanzzentrum nur einen einzigen Vorstand geben sollte? So ist es nur logisch, dass es auch Jahre nach Bezug des neuen Finanzzentrums in dem Gebäude noch vor lauter Finanzamtsvorständen wurlt. Und es ist nicht angedacht, daran etwas zu ändern. Ist ja alles wohlerworben, versteht sich. So summieren sich die Einsparungen nach all den Umzügen auf einen hoch negativen Betrag: Ganz sicher zahlt der Staat drauf. Die alten Gebäude sind ungenutzt und verfallen, für die neuen Büroflächen zahlt man viel Geld, und beim Personal gab es auch keine Einsparungsmöglichkeiten. Und die Kunden haben sowieso höhere Kosten und höheren Zeitaufwand, sie haben ihr Finanzamt ja jetzt nicht mehr in der Nähe ihres Wohnsitzes.
Ich bin ja ein Freund von Einsparungen. Aber hoffentlich schaut man sich dieses Beispiel an und lernt daraus, bevor man sich an die Zusammenlegung der Krankenversicherungsanstalten macht.
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