Vertrauensverlust für (teure) Unternehmensbewerter  (Wilhelm Rasinger)

Die Theorie hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Fachgebiet Unternehmensbewertung beschäftigt und zu vielen Fragenkomplexen Antworten entwickelt. Auch die Zahl der Aufträge hat sich dynamisch nach oben entwickelt, weil Impairment-Tests - das ist die Überprüfung der Werthaltigkeit von Firmenwerten (Good Will) - de facto eine periodische Unternehmensbewertung erfordern und auch bei  Käufen und Verkäufen von Unternehmen bzw. Unternehmensteile  Bewertungsgutachten für die Preisfindung wichtig sind. In der Regel werden von den Spezialisten, zumeist Wirtschaftsprüfer, Konvolute mit 50, 100, 200 Seiten und mehr mit vielen Details und Beschreibungen abgeliefert. Die Honorare sind entsprechend hoch.

Weitgehend hat sich die DCF (Discounted Cash Flow)-Methode durchgesetzt. Die zukünftigen Cash Flows werden auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Die verwendeten Formeln sind Allgemeingut. Jetzt sollte man meinen, dass auf Basis des gleichen Datenmaterials dasselbe Ergebnis zu erwartet ist. Schwankungen in einem engen Rahmen von 5 bis 10 Prozent sind sicher akzeptabel, da eine Punktladung unrealistisch ist. 

Besonders heikel ist es, wenn im Zuge eines Squeeze Out-Verfahrens (Zwangsenteignung des Streubesitzes) der faire und angemessene Abfindungspreis ermittelt werden soll. Die Praxis zeigt indes, dass vom Unternehmen vorgelegte Bewertungsgutachten, die zusätzlich von einem vom Gericht bestellten Experten im Hinblick auf „Fairness" und "Angemessenheit " überprüft werden, später, im Zuge eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens, nicht halten. Das ist extrem ärgerlich und führt zu oft zu wirtschaftlichen Benachteiligungen vor allem des Streubesitzes. Abweichungen von 20, 30, 50 Prozent und mehr erschüttern die Glaubwürdigkeit von Bewertungsgutachten. Die Interessensvertretungen wie die Kammer der Wirtschaftstreuhänder und das iwp (Institut österreichischer Wirtschaftsprüfer) sind gefordert, sich mit diesem Thema praxisnah und aktuell auseinanderzusetzen. Der mehr oder weniger willkürlichen Festlegung von Parametern wie Marktrisikoprämien, Zinssätzen, Zu-/Abschlägen, Beta-Faktoren je nach Auftraggeber und Bewertungsintention muss im Interesse der Seriosität und der Reputation der Branche entgegengewirkt werden. 

Der Unternehmenswert schwankt - das wissen wir von den täglichen Börsekursen -, sollte aber in einer vernünftigen Bandbreite feststellbar sein. Willkür untergräbt das Vertrauen in diese Expertisen.

Dr. Wilhelm Rasinger



(04.09.2017)

Griechen: "Hoffen" und "Glauben" statt "Rechnen"


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Wilhelm Rasinger

ist Präsident des IVA, Honorarprofessor für Betriebswirtschaft und Aufsichtsrat bei Wienerberger, Erste Group Bank AG und S IMMO AG.

>> http://www.iva.or.at


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