Weihnachten steht vor der Tür, das Fest der Liebe, der Geschenke und der besinnlichen Stunden im Kreise der Familie. Diese gerade angesprochene Besinnlichkeit tut auch dringend not, denn die Tage vor dem Feste sind zumeist von einer veritablen Hektik geprägt. Schließlich gilt es, die ebenfalls bereits erwähnten Geschenke zu besorgen, das Heim mit allerlei saison-spezifischen Dekorationsgegenständen zu schmücken und darüber hinaus diverse Weihnachtsfeiern zu überstehen, bevor man dann endlich am Heiligen Abend freudig und friedlich unter dem Tannenbaum hernieder sinkt. Alle Jahre wieder dasselbe Spiel, das im übertragenen Sinne auch an den Börsen aufgeführt wird, schließlich wird üblicherweise im Dezember noch einmal gekauft, was der Geldbeutel bzw. das Depot hergeben. Letzteres wird prächtig dekoriert, mit allen Werten nämlich, die entsprechend gut gelaufen sind und somit ganz oben auf dem Wunschzettel der Anleger und Investoren stehen. „Window Dressing“ nennt sich diese Praxis in der Fachsprache, „Bilanzkosmetik“ beim Gabler Wirtschaftslexikon. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Zumindest gewesen, denn was sich an den Märkte zuletzt abspielte, hatte mit einem vorweihnachtlichen Kaufrausch überhaupt gar nichts zu tun. Alleine am Freitag vergangener Woche sowie zum Auftakt dieser Handelswoche gab beispielsweise der DAX rund 4,4 Prozent ab und stürzte auf ein neues Dezember-Tief bei 10.123 Zähler. Halleluja, da hörte manch einer wohl schon die Engel singen! Doch keine Angst, ein Abgesang war das natürlich nicht:
Schöne Bescherung
Jetzt aber mal ehrlich – der Ölpreis ist im laufenden Jahr ziemlich in den Keller gefallen, das ist richtig…na und? Sowas kann durchaus vorkommen, wie der Blick auf den langfristigen Rohöl-Chart (zur Abwechslung und ausgleichenden Gerechtigkeit haben wir in dieser Woche die Nordsee-Sorte Brent verwendet) zeigt.
Die Frage sollte also nicht lauten, warum Rohöl so billig ist, sondern vielmehr, wie es passieren konnte, dass Rohöl phasenweise so exorbitant teuer gehandelt wurde. Die Antwort ist relativ einfach und schnell gefunden: Angst vor Verknappung / Reduzierung der Fördermengen und eine ordentliche Portion Spekulation gelten als Haupttreiber für die Blasenbildung 2007/2008 und das hohe Preisniveau in den Jahren 2011. Verknappung? Reduzierung der Fördermengen? Kein Thema mehr, zumindest bis auf weiteres. Fracking heißt das Zauberwort, das den USA zum ersten Mal seit den 1950er-Jahren die Unabhängigkeit von den Ölquellen in Nahost beschert und in dieser Woche sogar zur Aufhebung des seit Jahrzehnten bestehenden Exportverbots geführt hat. Und wo wir nun schon einmal in den USA sind – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schlug in dieser Woche die Stunde der Wahrheit in Sachen Leitzins. Nachdem die US-Notenbank Fed über Monate (gefühlt sogar Jahre) hinweg eine Erhöhung in Aussicht gestellt hat, ist es nun – auf den Tag genau sieben Jahre, nachdem der Zinssatz finanzkrisenbedingt auf den historischen Tiefststand von 0,25 Prozent gesenkt wurde – endlich soweit: Der Leitzins der weltgrößten Volkswirtschaft ist um max. 0,25 auf jetzt max. 0,50 Prozent angehoben! Darauf einen Festtagspunsch! Die Entscheidung der Fed ist dabei ebenso mutig wie überfällig, denn die beiden wichtigsten Parameter – Arbeitslosenzahlen und Inflationsrate – hätten eine Anhebung zu einem früheren Zeitpunkt ebenso gerechtfertigt. Und mutig, weil nun zum einen endlich das Ende der Nullzinspolitik eingeläutet wurde und zum anderen weitgehend offen ist, wie die Märkte rund um den Globus auf lange Sicht reagieren werden. Kurzfristig fällt die Resonanz erfreulich positiv aus:
Oh du fröhliche…
Janet Yellen hat den Anlegern vorab das ersehnte Geschenk unter den Baum gelegt, und deshalb startete nach dem verheerenden Wochenbeginn auch folgerichtig eine fulminante Erholungsbewegung, die alleine im DAX zwischenzeitlich für einen Kursgewinn von über 500 Punkten sorgte. Na also, geht wohl doch noch! Damit konnte der deutsche Leitindex einen Teil seiner bisherigen Dezember-Verluste wettmachen, selbst wenn die Kurse heute wieder etwas schwächer tendieren. Aus technischer Sicht rückt nun erneut der Sprung über die 11.000er-Marke, wahlweise auch der Ausbruch über die mittelfristige Abwärtstrendgerade und, sofern diese beiden Hürden nachhaltig genommen werden können, das Überkreuzen des GD200, der aktuell bei 11.046 Zählern verläuft, in den Fokus. Mit den Kaufsignalen durch den Zinsentscheid der Fed im Gepäck und der statistisch belegten saisonalen Stärke vor Augen sind zumindest auf dem Papier nun alle Voraussetzungen für einen versöhnlichen Jahresabschluss gegeben. Allzu große Störfeuer sind jetzt, in der letzten vollständigen Handelswoche 2015 und vom heutigen Hexensabbat einmal abgesehen, auch nicht mehr zu erwarten, ganz im Gegenteil: Durch die Zinsanhebung in den USA sollte sich der Euro tendenziell verbilligen, was wiederum gerade den exportlastigen deutschen Unternehmen – allen voran den Autobauern – in die Karten spielen dürfte. Dementsprechend rangierten die in der Liste der Gewinner auch ganz vorne, zusammen mit den Versorgern, die einen solchen Energieschub angesichts ihrer bisherigen Jahresbilanzen auch ganz dringend nötig hatten. Na dann…wäre ja wohl alles wieder im Lot und die (Börsen-)Welt auch wieder in Ordnung!
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