Es weht so etwas wie ein neuer thematischer Wind durch die Wirtschafts- und Finanzmarktgespräche im heurigen Forum Alpbach: Regulierung tritt zunehmend in den Hintergrund (wenngleich immer noch Panels mit den Begriffen Basel III, Solvency II, SSM, … um sich werfen) und die Beschäftigung mit den sogenannten FinTechs oder der Digitalisierung der Geschäftsmodelle übernimmt die faktische Oberhand. Fintechs sind nach Senem Wicki, einer ausgebildeten Chaospilotin und Projektmanagerin am Schweizer W.I.R.E Institut, mittlerweile auch das Thema Nr. 1 in den Board Meetings der Banken (nach jahrelanger Dominanz der Regulierungsvorgaben).
Dies hat auch seinen guten Grund, denn zahlreiche Studien und Untersuchungen zeigen, dass sich das Geschäft der Finanzinstitute in den kommenden Jahren massiv verändern wird. Den sogenannten Fintechs werden Umsatzerlöse von mittlerweile mehr als 4,5 Billionen USD zugerechnet, die Filialstrukturen der Banken stehen vor massiven Veränderungen, die deutsche HVB etwa hat angekündigt, dass sie rund die Hälfte ihrer Filialen schliessen wird, generell gehen Studien davon aus, dass nur rund 5-8% der bisherigen Filialbesuche durch Kunden weiterhin stattfinden werden. Doch all diese Maßnahmen werden – ohne neue Geschäftsmodelle – nicht ausreichen, denn Fintechs arbeiten in der Regel mit nur rund 1/100 der Kosten traditioneller Banken. Das Kostenthema war sicherlich auch ein wesentlicher Punkt, warum in Österreich seitens der Erste Bank die Schliessung von brokerjet angekündigt wurde, obwohl man doch einer der beiden großen Online-Broker in Österreich war. Die Neuordnung der „Brokerlandschaft“ in Österreich wird in den nächsten Monaten durch massive Werbeanstrengungen der anderen Marktteilnehmer erfolgen, wobei die neu gestaltete Hellobank dies mit einem umfassenden Vollbankenansatz angeht, während die meist ausländischen Anbieter dies mit einem attraktiven „Übersiedlungsangebot“ an die bisherigen brokerjet Kunden versuchen.
Worin besteht nun eigentlich der neue Geschäftsansatz der Fintechs gegenüber etablierten Instituten ? Es handelt sich meist um Plattformen, die Angebot und Nachfrage direkt vernetzen, oder wie Senem Wicki kurz und bündig formuliert: „Get rid off the middle man !“ Fintechs bringen vermeintlich und vielfach tatsächlich Effizienz in den Markt, ergänzt um den besseren Zugang zu Marktinformationen bedeutet das für den Kunden, dass er in der Regel Zeit und Geld spart. Vermeintlich deswegen, da es doch auch Bereiche in der Finanzdienstleistung gibt, wo Beratung dazwischen auch einen Mehrwert bringen kann und wird, wenn sie sich auf die für den Kunden nutzbringenden Teile fokussiert.
Generell wird ja argumentiert, dass Digitalisierung mehr Standardisierung, dies wieder mehr Einfachheit und damit leichtere Kopierbarkeit und auch niedrigere Kosten bedeutet. Ob dies zwangsläufig auch zu besseren Ergebnissen führt, bleibt abzuwarten.
Den Umbruch des Digital Bankings drückt W.I.R.E Zürich in 3 Thesen aus:
Valentin Staif, gebürtiger Österreicher, der das deutsche Startup NUMBER26 gegründet hat, sieht in vielen dieser Punkte auch den eigenen Mehrwert gegeben. NUMBER26 kennt die Kunden durch gute Datenanalyse besser als viele Banken, er behauptet sogar, dass die Filialen der Banken zur Entfernung vom Kunden führen, während gut gemachte Apps heutzutage zu intensiverem Kundenkontakt führen. Er sieht auch eher keinen problemlösenden Faktor durch ein persönliches Gespräch, insbesondere da nach seiner Einschätzung die bestehenden Bankberater nicht wissen, wie die Kunden leben, weshalb der Mehrwert der persönlichen Beratung sehr gering sei. Traditionelle Banken gehen natürlich den Weg, die beiden Welten analog und digital miteinander zu verbinden, und viel Kommunikation auch auf elektronische Kanäle zu verlagern. Raiffeisen hat lt. Walter Mösenbacher von e-force bei den 25-35 jährigen eine Onlinedurchdringung von rund 87%, davon wieder knapp 40% bereits über mobile Geräte, darüber werden mehr als 1,8 Mio. E-Mails pro Monat an Kunden auf den Weg gebracht. Das sieht NUMBER26 auch wieder eigentlich als Schwäche der Produkte der klassischen Banken, da gute Produkte eigentlich keine Kommunikation mehr erfordern sollten. Dies steht eigentlich im Widerspruch zu den tatsächlichen Entwicklungen im Finanzdienstleistungsgeschäft, da hier eigentlich der Beratungsbedarf aufgrund steigender Komplexität und fallweise auch regulatorisch bedingt zunimmt, aber dabei muss es sich eben um qualitativ hochwertige Beratung handeln. Dafür brauchen die Berater aber moderne Systeme, um eben das Matching zwischen Bedarf und Produkt besser erfassen und erklären zu können. Diese Aufgabe, nämlich das Wohl des Kunden in den primären Fokus zu richten, betrifft letztlich die neuen Fintechs genauso wie die alteingesessenen Banken, denn auch Number26 will in weiterer Folge neben dem kostenlosen Girokonto auch über cross-selling Geld verdienen. Da kann sich möglicherweise auch wieder der Produktverkauf ohne echten Bedarf verstecken, und dann sind wir wieder beim Problem des Produktvertriebs zum Wohl der Vertriebsstruktur und nicht des Kunden.
Die bessere Abbildung von Finanzprodukten auf digitalen Kanälen ist sicher die zentrale Herausforderung in den kommenden Jahren, einerseits zur Überwindung der bestehenden Komplexitäten und andererseits auch auf Basis gleicher regulatorischer Voraussetzungen. Dies wird dann die Entscheidung bringen, ob Startups wie Number26 die Kunden bekommen, die die etablierten Banken derzeit schon haben. Banken und Broker werden hier neue Wege finden und gehen müssen, um einerseits bestehende Filialen und Technologien für neue Geschäftsmodelle vorzubereiten und neue Wege in der Kundenkommunikation zu beschreiten. Denn ganz ohne Kommunikation wird es auch künftig nicht gehen, wie auch Valentin Staif von Number26 eingesteht und die Einrichtung von Call-Centers forcieren wird und sich überzeugt zeigt, dass er immer mehr Kunden von den etablierten Banken bekommen wird. Dies ist das gemeinsame Ziel der mittlerweile über 14.000 Fintech Startups, die jedenfalls garantieren, dass sich das Geschäftsmodell der Finanzindustrie verändern wird. Denn eines ist mittlerweile common knowledge: Alles, was digitalisierbar ist, wird digitalisiert werden ! Damit sind wir direkt auf dem Weg zum „new normal“.
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