In Moskau erzählt man sich seit einigen Wochen regelmäßig einen Witz: „Was wird demnächst in Europa kälter sein als die Kaltwasserleitungen? … Die Warmwasserleitungen.“
Wird wohl nicht so heftig kommen, aber das Thema „Energie“ bekommt in den letzten Wochen und Monaten von vielen Seiten erhöhte Aufmerksamkeit. Der Globus dreht sich nicht allein ums russische Gas, oder die ukrainischen Pipelines. Es geht um Schiefergas in den USA und der Ukraine, um Kostenexplosionen bei Japans Energieimporten, gewaltige Kosten bei technologisch anspruchsvollen Explorationen, um bilanzielle Druckmittel für Öl-produzierende Staaten und um die Absicherung, von politischen Risiken am Energiemarkt generell weniger abhängig zu werden. Die ganze Branche steht vor massiv eingreifenden Maßnahmen.
Für die Kapitalmärkte ein wichtiges Thema. Man sucht Alternativen, gräbt nach Schwachpunkten, reduziert passive Risiken und positioniert sich in potentiellen Gewinnern der neu erwarteten Energieströme. So ist es kein Wunder, dass seit einiger Zeit Industrien im Bereich von LNG (Liquid Natural Gas) gesucht sind. Es geht um Schiffbauer, um Errichter von Verladeterminals, Silohersteller und Raffinerien und am Ende gibt gar das Potential eines verbreiterten Suez-Kanals als wichtige Energietransportstraße der Perspektive ganzer Länder (Ägypten) neuen Auftrieb. Auch das Speichern von Gas wird ein immer lauter werdendes Fragezeichen. Wer kann denn wirklich viel speichern? Haben wir überhaupt genug Möglichkeiten einen Lieferstopp durch Reserven zu puffern? Ist jedes Land in Europa gleich gestellt vorbereitet, oder haben Einige Vorteile in einem solchen Umfeld? In Österreich sind wir ja erfreulicherweise diesbezüglich besonders bevorteilt, denn wir haben einige sehr große alte leergepumpte Gasfelder die schon des Öfteren als Gasspeicher genutzt wurden. Stichwort RAG (ein ewig schlummerndes IPO übrigens).
Auch die Frage nach dem Schiefergas wird sich in Europa immer lauter stellen, beantwortet wird sie aber derzeit in der Ukraine. Die dortigen Schiefergas-Kapazitäten sollen angeblich den Europäischen Bedarf auf Jahrzehnte locker decken können. Erschlossen sind sie halt noch nicht. Es verwundert daher kaum, dass sämtliche großen Europäischen Ölunternehmen Bohrlizenzen in der Ukraine erworben und gewaltige Budgets gewidmet haben und, wenig überraschend, gerade prominente US-Staatsbürger wie toll derzeit Grund und Boden unseres östlichen Transferpartners zusammenkaufen. Dass die Ukraine betont, vor in drei Jahren keine nennenswerten Bohrergebnisse vorweisen zu können glaubt angesichts der von Industrie und Glücksrittern investierten Milliarden ohnehin niemand mehr. Mehr als ein Versuch, Russland zu besänftigen ist es wohl auch nicht.
Und am Schluss kommt noch die Preiskomponente fallender Ölpreise hinzu. Die schwächeren Konjunkturerwartungen Europas werden als Argument der aktuell tieferen Preise regelmäßig benutzt. Eine Folge davon ist aber auch, dass je tiefer der Ölpreis ist, umso weniger flexibel kann man sich als Produzent an diesem Markt refinanzieren. Die Krisenherde der Welt bekommt man dadurch vielleicht am ehesten in den Griff. Money makes the war go around und genau das kann man sich in Libyen, Westafrika, Irak, Syrien und selbst Russland nicht mehr lange so leisten wie man vorher wollte. Öl als Friedensstifter. Fast schon makaber.
Was bleibt ist aber der Wunsch, endlich die globalen Streitereien unterentwickelter oder gar unmündiger Staaten nicht mehr so stark spüren zu müssen, ein wenig mehr Planbarkeit in unsere Welt zu bringen, positive Alternativen entwickeln zu können, den Drive des Neuen für die Weiterentwicklung des Ganzen zu nutzen oder, wenn nicht, dann eben in Ruhe frieren zu können.
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