Sehr geehrte Privatanleger,
zwei Unternehmen des Samwer-Clans gehen an die Börse. Die Holding Rocket Internet und der Schuh- und Bekleidungshändler Zalando. Diejenigen, die meine Kolumnen schon länger verfolgen, werden meine Meinung ahnen.
Finger weg von Neuemissionen! Ja, so habe ich auch Facebook (WKN: A1JWVX) verpasst. Die Aktie hat sich nach einem enttäuschenden Start doch sehr gemausert. Facebook hat allerdings auch einen bestimmten Markt besetzt, in den so schnell kein anderer hineinkommt. So habe ich Alibaba (WKN: A117ME) mit Freude links liegen lassen und weine weder Facebook noch Alibaba eine Träne nach. Zumal Sie bei Alibaba aufgrund der Gesetzeslage gar nicht die Aktien erworben haben, sondern genussscheinähnliche Strukturen, die noch dazu in den Bahamas angesiedelt sind.
Aber die Zeit scheint reif für einige – wenige – Börsengänge. Die mit härtesten staatlichen Zwangsmaßnahmen niedrig gehaltenen Zinsen schaffen "Anlagedruck", und einige wenige Unternehmen können den Sprung aufs Parkett wagen.
Von Rocket Internet und Zalando würde ich aus vielerlei Gründen die Finger lassen, genauso wie ich keinerlei Bedürfnis verspüre, die Samwer-Brüder persönlich zu treffen. In den Medien und vor allem im gut informierten manager magazin kann man den Aufstieg des Clans ganz gut verfolgen. Es ging mit einem eBay-Klon los, den man dann kurze Zeit später an eBay verkaufte, so dass die sich den Aufbau einer eigenen Deutschland-Tochter sparen konnten.
Geschäftsstrukturen, oftmals aus meiner Sicht nicht nachhaltige Geschäftsmodelle sowie der unbedingte Wille, Geld zu verdienen, zeichnen den Aufstieg des Clans aus.
Rocket Internet schreibt horrende Verluste. Im Börsenprospekt steht, dass fast alle Beteiligungsunternehmen noch "bedeutende Verluste" schreiben. Die elf besten davon, die sogenannten Proven Winners, sogar 442 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Und das bei Nettoerlösen von ungefähr 760 Millionen Euro! Es kommt noch härter: Im Prospekt steht, dass sich der Gesamtverlust aller Beteiligungen derzeit nicht verlässlich ermitteln lässt.
Und nun soll Rocket Internet beim Börsengang mehr wert sein als die Lufthansa (WKN: 823212)?
Zalando, das andere Startup des Internetclans, zeichnet gerade mal eine schwarze Null. Die Bilanzierung lässt aber durchaus gewisse Flexibilität zu, so dass ich mich nicht wundern würde, wenn in den nächsten Quartalen auch wieder Verluste anfallen würden.
Die Samwers sind bei diesen Börsengängen durchaus auch Getriebene: sie haben Geld von institutionellen Investoren und Family Offices eingesammelt. Und die Investoren wollen Rendite sehen.
Ich würde diese Emissionen aus vielerlei Gründen nicht mit der Kneifzange anfassen. Die ökonomische Basis erscheint mir doch sehr wacklig. Hier wird – wie bei den meisten Neuemissionen – heiße Luft in Tüten verkauft. Zum anderen ist mir das Geschäftsgebaren der Samwers zutiefst .....
Dennoch wird es wohl so sein, dass diese Emissionen ihre Abnehmer finden werden. Bei der Deutschen Schutzvereinigung für den Wertpapierbesitz e.V. (DSW) scheinen die Telefone in Bezug auf diese beiden Emissionen nicht stillzustehen.
Und die Samwers werden für viele junge BWL-Studenten als "glänzende Beispiele" dastehen. Das Geld, was den deutschen Sparerinnen und Sparern qua Niedrigzinsen vorenthalten wird, fließt von den leichtgläubigen in die Tasche der Investoren und der Initiatoren sowie der angeschlossenen Investmentbanken und Dienstleister. (Das verkürzt es natürlich etwas, aber so ungefähr ist es.)
Ich hoffe, Sie haben die Einsicht, da nicht mitzumachen. Es werden auch wieder andere Investmentmöglichkeiten kommen.
Auf gute Investments,
Ihr
Prof. Dr. Max Otte
Anm.: Max-Otte-Audiofiles (je ca. 30 Min.) auf der Finanz Literacy Laufapp "Runplugged", siehe http://runplugged.com/spreadit .
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Prof. Dr. Max Otte promovierte in Princeton und lehrte Betriebswirtschaft an den Hochschulen/Universitäten Worms, Boston, Würzburg und Graz.
Seit 15 Jahren hat er sich voll und ganz dem Privatanleger verschrieben. Sein Ziel:
Eine bankenunabhängige und nachvollziehbare Aktienanalyse auf Basis wertorientierter Kapitalanlage. Kern seines Strategieansatzes ist die von ihm entwickelte Methode der Königsanalyse®.
In seinem Buch „Der Crash kommt“ prognostizierte Max Otte bereits im Sommer 2006 die internationale Finanzkrise von 2008. Daneben hat der dreimalige „Börsianer des Jahres“ mehr als ein Dutzend weiterer Bücher sowie zahlreiche Artikel in Zeitungen und Fachblättern veröffentlicht. Regelmäßig wird er von den Medien zu Anlage- und Währungsfragen interviewt.
Max Otte ist Gründer der in Köln ansässigen IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH, die seinen wöchentlichen Börsenbrief Der Privatinvestor herausgibt, sowie Gründer und Mitglied im Verwaltungsrat der in Zug (Schweiz) ansässigen Privatinvestor Verwaltungs AG. Der PI Global Value Fund, der Max Otte Vermögensbildungsfonds und der Max Otte Multiple Opportunities Fund werden gemäß seiner Strategie der Königsanalyse® verwaltet.
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