Ist der Vorschlag der EU-Kommission zur Ausstattung des Corona-Wiederaufbaufonds, der gestern - in Grundzügen - vorgestellt wurde, ein Meilenstein in der Geschichte der EU? Ein Signal, ein Paukenschlag? Ich bezweifle es, ehrlich gesagt. Ich halte ihn für einen Fingerzeig, in welche Richtung es gehen sollte oder könnte, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Reaktion von EUR/USD fiel auch entsprechend verhalten aus, die 1,1000 wurde zwar "gerissen", aber von deutlicher Absetzbewegung ist da noch keine Spur. Der Markt hat in den letzten Jahren gelernt, dass derartige EU-Programme noch wochen- wenn nicht gar monatelang nachverhandelt, nachgebessert, verwässert und diverse Eigeninteressen noch eingebaut werden. Von gemeinsamer Fiskalpolitik fehlen bisher noch belastbare Ansätze, von Kontroll- oder gar Durchgriffsmöglichkeiten (Stichwort "Troika" - oh graus!) ganz zu schweigen. Aber bekanntlich beginnt ja auch die längste Reise mit nur einem einzigen, kleinen Schritt - und den haben wir gestern gesehen. Daher: "Schaun mer mal, dann sehen wir schon..."
Heute Morgen zeigen sich die Aktienmärkte in Asien uneinheitlich. Während einige Märkte der Region von den positiven Vorgaben der Wall Street und der Hoffnung auf eine baldige Erholung der Wirtschaft profitieren, geht es vor allem an den chinesischen Börsen abwärts. Belastend wirkt, dass die USA im Handelsstreit, der sich am geplanten chinesischen Sicherheitsgesetz für Hongkong neu entzündet hat, den Ton verschärfen. US-Außenminister Mike Pompeo stellte vor dem US-Kongress fest, dass Hongkong nicht länger unabhängig von China sei. Die Sonderverwaltungszone könne daher nach US-Recht nicht länger so behandelt werden, wie es vor Juli 1997 (als die einstige britische Kronkolonie an China zurückgegeben wurde) der Fall gewesen sei. Gemäß einem im vergangenen Jahr vom US-Kongress verabschiedeten Gesetz muss die US-Regierung Hongkong alljährlich bescheinigen, dass das Sonderverwaltungsgebiet weiterhin von China autonom ist. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Finanzmetropole laut US-Recht einen Sonderstatus in Handelsfragen genießt. Pompeos Äußerungen schüren Ängste, dass ausländische Investoren und Unternehmen das Vertrauen in Hongkong verlieren und sich aus der Stadt zurückziehen könnten.
Zur Wochenmitte hat die Wall Street ihren Aufwärtskurs fortgesetzt. Der Konjunkturbericht der US-Notenbank "Beige Book" zeichnete wegen der Corona-Pandemie ein düsteres Bild der US-Wirtschaft, das aber den Erwartungen entsprach. Wie am Vortag mieden die Anleger den bislang gut gelaufenen Technologiesektor, dagegen waren erneut Finanz- und Industriewerte die Favoriten. Allerdings blieb die Vorsicht am Markt groß, zumal die Märkte nun schon viel Positives eingepreist haben.
Mit den Ölpreisen geht es weiter abwärts. Die Furcht vor einem Überangebot erhielt am späten Dienstag neue Nahrung durch Daten des Branchenverbands API, der eine deutliche Zunahme der US-Rohölvorräte meldete, während Volkswirte eine Abnahme erwartet hatten. Die Akteure am Ölmarkt warten nun gespannt auf die offiziellen Öllagerdaten des US-Energieministeriums, die im späteren Verlauf des heutigen Tages veröffentlicht werden. Einstweilen verbilligt sich das Barrel Rohöl der global gehandelten Sorte Brent um 2,0 %.
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