Stationärer Handel und Online: Symbiose statt Verdrängung - oder warum Shopping Center nur in den USA "sterben" (Bettina Schragl)

CBRE, IMMOFINANZ und der Handelsverband präsentierten im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien aktuelle Zahlen und Prognosen zur Entwicklung der stationären Verkaufsflächen, der Einzelhandelsumsätze und des Online-Handels in Europa.

Nachfolgend eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen der Pressekonferenz:

„Der Handel befindet sich in einer Transformationsphase. In solchen Phasen ist es aber stets wichtig, genau zu analysieren, welche Daten es im Detail gibt und wie diese mit Fakten unterlegt werden können“, startet Walter Wölfler, Head of Retail CEE & Austria bei CBRE, in die Präsentation. Ziel ist, die weitere Entwicklung des Online-Handels und der Flächenentwicklung im stationären Handel mit belastbaren Zahlen zu unterlegen.

Denn Fakt ist: Nach wie vor wird bei weitem der größte Teil der Handelsumsätze – mehr als 90% - im stationären Handel erwirtschaftet. Und daran wird sich auch nichts ändern. „Der Online-Handel in Europa liegt bei rund 8%, wobei Österreich und die CEE-Staaten (mit Ausnahme von Tschechien) unter dem EU-Durchschnitt liegen. Bis 2023 gehen wir von einem Wachstum auf rund 11% aus.“ Das sei zwar ein größerer Prozentsprung, auf Basis der absoluten Zahlen aber nach wie vor ein kleiner Teil des Kuchens.

Das zeigt sich auch mit Blick auf jene Märkte, in denen die IMMOFINANZ  mit ihren Retail-Immobilien STOP SHOP und VIVO! präsent ist: 2018 entfielen 92,1% bzw. EUR 275,0 Mrd. auf den stationären Handel und 6,8% oder rund EUR 20,2 Mrd. auf den Online-Bereich. Bis 2023 wird ein Wachstum des Online-Handels auf 10,4% oder EUR 38,9 Mrd. erwartet, der Umsatz im stationären Handel sollte auf EUR 333,2 Mrd. zulegen, was dann einem Anteil von 88,6% entspricht.

Und nein, das „Sterben“ der Shopping Center in den USA könne gleich aus mehreren Gründen nicht mit einer möglichen Entwicklung in Europa bzw. in CEE verglichen werden, geht Wölfler auf eine weitere Frage ein, mit der die Immobilienexperten immer wieder konfrontiert seien. Zum einen liege die Verkaufsfläche pro Einwohner in den USA um ein Vielfaches höher als in Europa (mehr als 5 m² pro Einwohner in den USA versus 1,4 bis 1,67 m² in Westeuropa und ca. 0,8 bis 1,2 m² in CEE). Zum anderen seien in den USA aber auch Alter und Struktur der Verkaufsflächen (großteils in den Jahren vor 1970 errichtet, hoher Anteil von Department Stores) komplett anders gelagert. Und noch eine interessante Beobachtung: Obwohl in den USA somit in den zurückliegenden Jahren zahlreiche veraltete Center zugesperrt hätten, sei die Nettoverkaufsfläche stabil geblieben. „Sprich, es gab z. B. Nachbarschaftszentren, die im Gegenzug aufsperrten. Bis dato war somit also auch in den USA kein Wegfall der Fläche, sondern ein Ersatz zu beobachten“, sagt Wölfler.

CBRE ortet auf Sicht der nächsten Jahre vor allem folgende Treiber und Hemmnisse für den Online-Handel: Zum einen handle es sich aufgrund der Kosten um ein vergleichsweise teures Geschäftsmodell, wobei vor allem die Retourquoten eine Rollen spielen. Während diese im stationären Bereich im einstelligen Bereich liegen, sind sie im Online-Bereich zweistellig, bei Textilien sogar im Bereich von 35 bis 40%. Zum anderen sei die Millennials-Generation mit dem Internet aufgewachsen und mit einer wachsenden Kaufkraft ausgestattet. Nichtsdestotrotz würden aber in Umfragen bis zu drei Viertel der Befragten angeben, weiterhin gern in physischen Geschäften einkaufen zu wollen. Fazit: „Es findet hier kein Ersatz, sondern eine Ergänzung statt.“ Ein klarer Treiber für Online seien hingegen die Tech Players wie Amazon, die eine umfassende Marktstärke entwickelt haben.

Österreich liege in Bezug auf Verkaufsfläche sowie Einzelhandelsumsatz pro Kopf im europäischen Spitzenfeld. Diese Position sollte durch das erwartete Bevölkerungs- und Einkommenswachstum der kommenden Jahre gehalten werden, das Flächenwachstum somit auf hohem Niveau stagnieren. In CEE sei hingegen noch klar Platz nach oben. „Trotz eines leichten Bevölkerungsrückgangs um rund 1% in den kommenden fünf Jahren wird die für den Einzelhandel relevante Kaufkraft weiterhin deutlich steigen“, so das Fazit von CBRE.

Alle vier untersuchten Sektoren – Lebensmittel, Bekleidung, Kosmetik und Möbelhandel – werden in der CEE-Region in den nächsten fünf Jahre somit von einem robusten Wachstum des Flächenbedarfs geprägt sein. "Der Retail-Markt in Zentral- und Osteuropa wird deutlich zulegen – sowohl stationär, als auch online. Fast 6 % Flächenwachstum im Lebensmittel- und im Kosmetik-Bereich sind durchaus eine Ansage", bestätigt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Welche Entwicklungen liegen für CBRE im Trend?

  1. Einkaufsformate, die auf Diskont – und Convenience-Produkte ausgerichtet sind (z.B. Retail Parks und Nachbarschaftszentren), denn diese seien vom Online-Handel kaum tangiert
  2. Der Faktor Experience, mit dem Shopping zur Freizeitgestaltung wird
  3. Omni Channel: So wird ein noch stärkeres symbiotisches Zusammenwachsen von stationärem und Online-Handel erwartet

Wölfler geht in diesem Zusammenhang auch auf den sogenannten Halo-Effekt (Interaktionseffekt) im Einzelhandel ein: „Wir haben in unseren Beratungsmandaten immer wieder die Erfahrung gemacht, wenn ein Geschäft in einer Region eröffnet, steigt infolge auch der Online-Umsatz in der betreffenden Branche. Wird der Shop hingegen geschlossen, hat das auch auf den Online-Handel negative Auswirkungen.“ Er beziffert den Effekt (in beide Richtungen) mit 25% bis 30%.

Gerald Grüll, Head of Retail der IMMOFINANZ, betont, dass die IMMOFINANZ die Entwicklungen im Online-Handel bereits bei der Entwicklung ihrer Markenstrategie und Portfoliostrukturierung berücksichtigt habe. So konzentriert sich der Konzern mit seinen aktuell 80 STOP SHOP Retail Parks und zehn VIVO! Einkaufszentren auf dezentrale Standorte in Zentral- und Osteuropa.  Charakteristisch für das Angebot ist zudem, dass zahlreiche Mieter aus dem Diskonter- und Nahversorgungsbereich kommen, in dem die Versandkosten inklusive einer für den Konsumenten kostenfreien Rückgabe die Produktkosten in der Regel übersteigen.

"Die Zahlen bestätigen unsere Strategie: Die Verkaufsumsätze der Einzelhändler in unseren Retail-Immobilien sind im zurückliegenden Geschäftsjahr um 5,6 % gestiegen. Damit performen wir rund 40 % besser als der gesamte stationäre Handel in diesen Ländern", sagt Gerald Grüll, Head of Retail der IMMOFINANZ. "Wir sind mit unseren Retail-Formaten nicht nur in Regionen präsent, deren Shopping-Center-Dichte signifikant unter dem Niveau Westeuropas liegt, sondern besetzen auch die sogenannte ‚letzte Meile‘ zum Kunden. Damit können wir unsere Kunden auch bei der Entwicklung von click and collect-Angeboten unterstützen."

Ein weiterer Vorteil der hoch standardisierten Retail-Formate der IMMOFINANZ: Nicht nur die Shopper profitieren von einem sehr attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch die Einzelhändler. "Dank unserer Positionierung im Convenience-Segment und dem hohen Standardisierungsgrad unserer Immobilien können wir sehr attraktive Miet- und Betriebskosten anbieten. Das wiederum ermöglicht den Retailern die Erschließung zusätzlicher Marktkapazitäten mit einer hohen Flächenproduktivität. Aufgrund der sehr guten Nachfrage von Mieterseite wollen wir unsere Position als bereits jetzt führender Retail Park Betreiber in Europe daher durch Zukäufe und Eigenentwicklungen weiter stärken", erklärt Grüll.



(31.03.2019)

Immofinanz: Mehr als 120 Millionen Besucher in den VIVO! und STOP SHOP Einzelhandelsimmobilien in 2017; Bild: Immofinanz Vivo! Krosno Polen, (© Aussender)


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Bettina Schragl

Leiterin der Konzernkommunikation der Immofinanz Group, sie schreibt unter http://blog.immofinanz.com/... .

>> http://blog.immofinanz.com/de/


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