Eine Fülle kurzfristiger Verkaufssignale deutete beim EuroStoxx 50 (WKN: 965814 / ISIN: EU0009658145) bereits Mitte Januar eine deutliche Korrektur an. Dass sich daraus ein derartiger Einbruch entwickelt, war kaum abzusehen. Dennoch ist der „Crash“ bisher harmlos verlaufen. Bisher.
Was mit dem Bruch einer steilen kurzfristigen Aufwärtstrendlinie und dem Unterschreiten von 3.638 Punkten begann, entwickelte sich ab Ende Januar zu einer exorbitanten Abwärtsbewegung, die den Index binnen weniger Tage unter die Unterstützungen bei 3.605 und 3.585 Punkten einbrechen ließ. Als der Index am 02. Februar auch das 38,2 %-Level der Januarrally unterschritt und zudem auch unter die frühere Abwärtstrendlinie seit dem Novemberhoch bei 3.708 Punkten zurückfiel, brachen alle Dämme: In einer geradlinigen Verkaufswelle fiel der Index bis an das Augusttief bei 3.363 Punkten und generierte damit auch im mittel-bis langfristigen Bild ein Verkaufssignal. Das entfernteste Kursziel der letzten Analyse zum EuroStoxx wurde damit innerhalb von zwei Wochen erreicht – das ist mehr als beachtlich. Aber es ist noch kein Vergleich zum Abwärtspotenzial, das dieser Abverkauf aktiviert hat oder im Vergleich früherer mittelfristiger Abwärtsbewegungen.
Die anschließende Erholung stoppte an der Unterseite der Tradingrange der Vormonate bei 3.469 Punkten und der EuroStoxx ging wieder in den Sinkflug über.
Damit ist der Index bis dato mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 32 Punkten pro Tag gefallen (die Bewegung nach dem Tief am 06. Februar nicht mitgerechnet). Das ist durchaus schnell, vor allem wenn man es in Relation zur niedrigen Volatilität der Wochen vor dem 24. Januar setzt.
Vergleicht man den Einbruch der letzten Tage aber z.B. mit den großen Verkaufswellen von 2015 und 2016 scheinen wir uns in einer moderaten Korrektur zu befinden. Von den immensen Kursrückgängen 2008 und 2011 ganz zu schwiegen
So brach der EuroStoxx vom 10.08.2015 bis zum 24.08.2015 mit einer Geschwindigkeit von 70 Punkten pro Tag ein. Vom 03.12.2015 bis zum 11.02.2016 wurden zwar nur 17 Punkte pro Tag erreicht, aber dafür 48 Tage am Stück. Die Teilwellen dieses Kursrutsches beschleunigten auf 53, 42 und 36 Punkte pro Tag. Bislang sind wir in der aktuellen Phase damit eher am unteren Ende der „Richterskala“.
Was hilft diese Rückschau auf vergangene „Crashs“? Im Wesentlichen sollte dieser Ausflug den Blick dafür schärfen, zu welchen Kapriolen der Markt in der Lage ist. Die niedrige Volatilität der letzten Monate – am besten zu erkennen in den niedrigen Handelsspannen der einzelnen Tage – hat viele Anleger in den Schlaf gelullt. Jetzt heißt es aufwachen und sich auf die neue Situation einstellen, die durch die mittel- bis langfristigen Verkaufssignale eingeleitet wurde.
Im übergeordneten Bild muss man sich über die Wiederaufnahme des langfristigen Aufwärtstrends erst bei einem Anstieg über das 38,2 %-Level der laufenden Verkaufswelle bei 3.563 Punkten Gedanken machen.
Für die weitere Entwicklung auf der Unterseite ist die Lage nicht ganz so einfach. Aber dennoch lassen sich drei Szenarien ermitteln, die die kommenden Wochen abgespult werden dürften. Das Problem ist dabei, dass sich alle drei Varianten anfangs ähneln.
Mit dem gestrigen Einbruch bzw. einem weiteren tieferen Tief im heutigen Handel (Idealziele bei 3.340 und 3.325 Punkten) endet die gesamte erste Abwärtsbewegung seit dem 24. Januar. Es folgt die Korrektur des Einbruchs mit Zielen bei 3.486, 3.525 und 3.563 Punkten. Diese kann sich bis in den März hinein strecken, ehe eine weitere große Abwärtsbewegung unter die aktuellen Tiefs erfolgt.
Ein Anstieg über 3.425 Punkte (38,2 %-Level des Abverkaufs seit Mittwoch) wäre hierfür die erste Bedingung. Der Ausbruch über 3.465 Punkte die zweite
Wie in Variante 1 wird am aktuellen Tief oder knapp darunter eine Trendwende eingeleitet, die wieder über 3.400 Punkte führt. Allerdings könnte in diesem Fall schon bei 3.425 Punkten bzw. eine Etage höher zwischen 3.460 und 3.500 Punkten der nächste massive Einbruch starten. D.h. zu einem Zeitpunkt, da die Marktkommentatoren das Ende des Crashs ausrufen, käme das böse Erwachen.
Denn in dieser Variante war der Einbruch seit Mittwoch im Sinne einer B-Welle nur die Korrektur der Erholung vom 06. Februar bis zum 07.Februar und ihrerseits kein Teil des Abwärtstrends. Der zweiten Erholung in Richtung 3.425 Punkte könnte im Extremfall auch ein weiterer korrektiver Rücksetzer und ein nochmaliger Anstieg folgen, ehe die nächste große Abwärtsbewegung einsetzt. Dies wäre sehr zeitintensiv und würde wahrscheinlich in eine große Dreiecksformation münden, die nach unten aufgelöst wird.
Diese Variante nimmt schlicht und ergreifend die Entwicklung vorweg, welche sich an die Varianten 1 und 2 anschließen dürfte.
Denn in diesem Fall wäre die Erholung am 07.Februar beeendet worden und der Einbruch seither bereits Teil der nächsten starken Abwärtsbewegung. ZWar könnte sich der Index zunächst nochmals bis 3.400 Punkte nach oben arbeiten, dürfte dann jedoch in kürzester Zeit unter das aktuelle Tief und auch unter die Zielmarken bei 3.340 und 3.325 Punkten fallen. Bei 3.300 Punkten könnte es dann zu einer ersten Gegenbewegung kommen. Allerdings dürfte sich der Einbruch anschließend bis 3.190 und 3.141 Punkte ausdehnen. Bleibt dort eine Bodenbildung aus, liegt der nächste Zielbereich bei 3.071 und 3.017 Punkten. Selbst ein Einbruch unter die 3.000er-Marke auf 2.941 Punkte wäre dann nicht ungewöhnlich.
Legt man für das dritte Szenario die durchschnittliche Fallgeschwindigkeit der Abwärtsbewegung vom 03.12.2015 bis zum 11.02.2016 zugrunde – also 17 Punkte pro Tag, wäre dieses Ziel bereits in 25 Handelstagen erreichbar. Man mag dies als Gedankenspielerei abtun, aber sagen Sie nachher nicht, dass niemand darauf hingewiesen hat, dass man sich am Kaffee auch ab und an verbrühen kann.
Autor: Thomas May, Chefredakteur bei GodmodeTrader.de
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