Nordkorea-Krise: Sollten wir in Panik sein? (Gastautor, Christoph Scherbaum)

Nordkorea spannt den Bogen immer weiter. Nicht mehr lang, und der Bogen ist überspannt. Panik kommt auf.

Der jüngste Raketentest Nordkoreas hat gesessen. Die Rakete flog über japanisches Land. Das war das zweite Mal, dass Nordkorea so etwas wagte. Das kann man schon beinahe nicht mehr als Provokation abtun, nicht zuletzt, weil da etwas ganz gehörig schiefgehen kann.

Nordkorea mag großes Vertrauen in seine Rüstungstechnologie haben. Andere – und ich auch – haben es nicht. Was, wenn bei einem solchen Test die Rakete nicht wie geplant über Japan drüber fliegt, sondern abstürzt. Es mag dann ein Versehen sein, doch das wird wohl kaum so interpretiert werden. Irgendwo gibt es eine rote Linie.

Nordkorea will diese rote Linie wahrscheinlich nicht freiwillig überschreiten. Bei einem Unfall kann es jedoch genau dazu kommen. Ein Test wie zuletzt ist höchst fahrlässig. Es zeigt aber auch, dass Nordkorea in Panik ist.

Die USA und Südkorea führen gerade ihre jährliche Militärübung durch. Das stört Nordkorea nicht nur aus Prinzip. Das Land hat davor Angst und das nicht ganz unberechtigt. Es fürchtet, dass diese Übungen einen Angriff tarnen. Unter dem Deckmantel einer Übung werden Flugzeugträger angekarrt, über ein Dutzend <Tausend US-Soldaten nach Südkorea verfrachtet und schwere Landmaschinerie aufgefahren.

Im Prinzip wird bei diesen Übungen temporär aufgerüstet. Wer garantiert, dass unter dem Deckmantel einer Militärübung nicht ein wahrhaftiger Einmarsch vorbereitet wird? Auf eine Übung kann ein Land schlecht militärisch reagieren. Trotzdem werden ja reale Waffen und Truppen an die Grenzen verfrachtet, die, wenn man so will, jederzeit aus einer Übung einen tatsächlichen Angriff ausführen könnten.

Das nordkoreanische Regime ist so nervös, dass es die größte Machtdemonstration vornimmt, die es sich erlauben kann. Es signalisiert: wir sind in höchster Alarmbereitschaft und absolut gewillt, uns zu verteidigen. Es war ein Warnschuss.

Aus unserer Sicht erscheint das vollkommen unsinnig und fahrlässig, auf eine Militärübung so zu reagieren. Nordkorea hat aber absolut kein Vertrauen in seine Nachbarländer (außer China) und die USA. Die USA können viel erzählen. Geglaubt wird dem nicht. Wieso auch? Es ist ja kein Geheimnis, dass Nordkorea als Problem angesehen wird, welches beseitigt werden muss.

Nach der Eskalation Anfang August und der folgenden Beruhigung konnte man den Eindruck gewinnen, dass dieses Thema durch ist. Nun wissen wir: das ist es nicht. Ein Index, der die geopolitische Unsicherheit misst, erreichte zuletzt den höchsten Stand seit dem Irakkrieg. Die Lage ist wirklich brenzlig.

Anleger haben das Thema schnell abgeschüttelt. Die Börsen in Japan und Südkorea haben nur sehr kurz auf die Lage reagiert. In Europa wurde das nicht ganz so schnell abgehakt. Die kleine Schockwelle ebbte bis zum Nachmittagshandel in den USA vollkommen ab. Für die Börse bedeutet das wohl, dass die Spannungen vorerst abgehakt sind. Erst, wenn es zu einer realen Auseinandersetzung kommt, wird wieder neu bewertet. Wie das potenziell aussehen kann, zeigt der Vergleich des Risikoindex und US-Aktien.

Die Börse ist eine Seite. Diese ist überraschend ruhig. Persönlich bin ich nicht ganz so ruhig. Was sich dort immer noch zusammenbraut, macht wirklich Angst.

Autor: Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de

 



(03.09.2017)

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Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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