Christian W. Röhl auf der IR 2017: Vier Tipps für den Dialog mit Privatanlegern (Christian W. Röhl)

DividendenAdel diese Woche unterwegs auf Vortrags-Tour, u.a. in Frankfurt am Main: Christian W. Röhl auf der IR 2017, dem von der Agentur Cometis und dem IR-Club organisierten Kongress für die deutsche Investor Relations-Szene.

Üblicherweise haben die IR-Manager der börsennotierten Aktiengesellschaften ja vor allem mit Fonds, Pensionskassen und anderen institutionellen Anlegern zu tun, deren Ordergrößen sich im Millionenbereich bewegen (gerne auch im zweistelligen). „Smart Money“ werden diese Geld-Profis bisweilen genannt, wobei man dahinter durchaus ein Fragezeichen setzen darf: Wenn sie so „smart“ sind, wieso schaffen es viele Fondsmanager dann nicht, dauerhaft besser abzuschneiden als ein simpler Index-Fonds?

Neue Generation von Anlegern wächst heran

Wir haben deshalb auf der IR 2017 mal eine Lanze für den Privatanleger gebrochen, der seine Vermögensverwaltung selbst in die Hand nimmt – und dabei nicht wild herumzockt, sondern Aktien als langfristige Unternehmensbeteiligung ansieht. Zugegeben, noch sind „Do it yourself“-Investoren eine kleine Minderheit. Doch die Abrufzahlen der „Aktien mit Kopf“-Videos, die Dynamik virtueller Communities wie „Die Dividendenstrategie“ oder „Aktien-Club Facebook“ sowie nicht zuletzt die Resonanz auf unser Buch „Cool bleiben und Dividenden kassieren“ und das Projekt DividendenAdel zeigen: Hier wächst eine neue Generation von Anlegern heran, die auch für die IR-Manager relevant ist.

Denn im Gegensatz zu vielen (vermeintlichen) Profis, die das Vermögen anderer Leute verwalten, können Privatanleger, die ihr eigenes Geld investieren, souverän entscheiden. Sie sind nicht getrieben von externen Mittelzuflüssen oder Erwartungen, sie müssen niemandem Rechenschaft ablegen außer sich selbst (und vielleicht ihrem Ehepartner), sie brauchen ihre Strategie nicht an Wertpapierprospekten oder sonstigen Regularien auszurichten – und deshalb können sie auch in schwierigen Zeiten an einer Aktie festhalten oder vielleicht sogar aufstocken, während die Profis häufig gezwungen sind, zyklisch zu agieren.

Privatinvestoren als „Loyal Money“

Man könnte also auch von „Loyal Money“ sprechen, wobei Unternehmen sich diese Loyalität selbstredend verdienen müssen. Mit schlüssigen Strategien, funktionierenden Geschäftsmodellen, nachhaltigen Gewinnen – und stabilen, möglichst steigenden Dividenden. Die sind schließlich die Früchte der Investment-Saat, genau wie man bei einem Haus, das man nicht selbst bewohnt, Mieterträge sehen will statt (nur) auf langfristige Wertsteigerung zu hoffen.

Im Gegensatz zur Miete, die meist monatlich aufs Konto tröpfelt, werden deutsche Dividenden aber leider nur jährlich gezahlt, wobei 90% des Ausschüttungsvolumens im 2. Quartal fließen. Die restliche Zeit verbringen Dividendenkassierer mit Warten auf die nächste Überweisung – und währenddessen kann gute Investor Relations-Arbeit die Treue zum Unternehmen durchaus stärken, während IR-Defizite Zweifel wecken.

Vier Anregungen für die IR-Arbeit

Erfreulich also, dass telefonische oder per E-Mail gestellte IR-Anfragen von den meisten Firmen ausführlich, kompetent und zeitnah beantwortet werden – das zumindest ist unserer Erfahrung, die von vielen Anlegern bestätigt wird. Abseits dieser individuellen, reaktiven Kommunikation gibt es jedoch auch ein paar allgemeine Themen, bei denen viele Unternehmen stärker proaktiv tätig werden dürfen. Deshalb vier konkrete Anregungen für den „Umgang“ (nicht nur) mit Privatanlegern:

Erstens: Wertschöpfung für Aktionäre klar darstellen. Entscheidend ist, was hinten rauskommt – dieser Satz vom Helmut Kohl gilt auch für Aktien-Investments. Also bitte auf der Website und/oder im Geschäftsbericht vor allen anderen Zahlenkolonnen einfach mal übersichtlich für die letzten zehn Jahre den Gewinn (Jahresüberschuss ohne „Bereinigungen“ und sonstige Tricksereien), den Free Cash Flow, die Dividende je Aktie und die Ausschüttungsquote darstellen – plus etwaige Aktienrückkäufe inkl. Stückzahl und Durchschnittspreis, damit man einschätzen kann, ob die „Buybacks“ Wert geschaffen oder Geld verbrannt haben.

Zweitens: Richtgrößen der Dividendenpolitik erläutern. Die Deutsche Euroshop hat bereits letztes Jahr bekannt gegeben, dass sie die Dividende bis 2019 um jeweils 0,05 Euro je Aktie erhöhen will. Eine so langfristige Guidance ist zwar prinzipiell wünschenswert, für die meisten Unternehmen (nicht nur in zyklischen Branchen) aber kaum darstellbar – ganz im Gegensatz zu konkreten Aussagen, nach welchen Parametern die Dividende sich richtet. Steht für die Gesellschaft vor allem die langfristige Stabilität der Ausschüttung im Vordergrund oder soll unter Inkaufnahme unvermeidbarer Schwankungen immer ein bestimmter Anteil des Gewinns oder Free Cash Flows an die Anteilseigner ausgekehrt werden? Worthülsen wie „Wir werden die Aktionäre in angemessener Weise am geschäftlichen Erfolg beteiligen“ schaffen hingegen sicher kein Vertrauen, sondern müffeln nach Willkür.

Drittens: Hauptversammlung als Forum. Langfrist-Anleger wollen „ihre“ Firma durchaus auch mal „live“ erleben. Hauptversammlungen sollten deshalb nicht als lästige Pflicht angesehen werden, sondern allen juristischen Zwängen zum Trotz als Forum für den aktiven Dialog zwischen Unternehmen und Anteilseignern. Wer sich auf der HV überzeugend präsentiert, Fragen kompetent beantwortet und nicht jeden Gast wie einen potentiellen Störer oder Schnorrer behandelt, stärkt die Aktionärsbindung und hat die Chance auf positive virale Effekte – genauso wie sich misslungene Veranstaltungen mit mürrisch-arroganten Managern, die unliebsame Redebeiträge mit Hilfe von eilfertigen Anwälten abbürsten, ebenfalls ganz schnell herumsprechen.

Viertens: Soziale Medien aktiv nutzen. Viele Firmen haben inzwischen neben der IR-Website auch Präsenzen auf Facebook , Twitter oder Youtube eingerichtet – nutzen diese aber eher halbherzig. Jeden Abend um 18.00 Uhr den Xetra-Schlusskurs der eigenen Aktie zu twittern ist sinnfrei. Hauptversammlungen, Bilanz-Pressekonferenz und die quartalsweisen „Earnings Calls“ gehören dagegen unbedingt ins Netz, sowohl als Livestream wie auch als Mitschnitt. Auch gelegentliche Podcast- oder Video-Botschaften des CEO machen sich gut. Und ja, all das kostet Geld und die IR-Budgets sind oftmals nicht üppig. Doch das, was in soziale Medien gesteckt wird, lässt sich etwa bei den vielfach immer noch sehr aufwendig produzierten Geschäftsberichten einsparen.

Verantwortung für die Aktienkultur

Hinzu kommt noch ein übergeordnetes Thema, nämlich die Aktien- und Investmentkultur – nach wie vor ein ziemlich zartes Pflänzchen, obwohl sich irgendwie alle einig sind, dass mehr getan werden muss für die finanzielle Bildung. Doch dabei sind nicht nur der Staat und die Banken in der Pflicht. Auch die Unternehmen, die auf dem deutschen Kapitalmarkt präsent sind, haben eine Verantwortung für die (Weiter-)Entwicklung der Aktienkultur. Und diese Verantwortung ist nicht mit den Mitgliedsbeiträgen für das noble Deutsche Aktieninstitut (DAI) erfüllt. Stattdessen stünde es den Börsenfirmen gut zu Gesicht, wenn sie mit einem Bruchteil ihrer Sponsoring-Etats mal das eine oder andere Medium fördern, das die Aktienkultur aktiv vorantreibt – denn Affiliate-Links und Werbebanner für Derivate reflektieren nicht den Wert, den der von Top-Bloggern, Youtubern und Community-Administratoren produzierte oder aggregierte Content für den Kapitalmarkt und damit die Unternehmen hat.

Der Beitrag Christian W. Röhl auf der IR 2017: Vier Tipps für den Dialog mit Privatanlegern erschien zuerst auf DividendenAdel.



(27.01.2017)

Christian Röhl stellt http://www.photaq.com/page/index/2505 presented by 3Banken Generali KAG vor, (© Martina Draper/photaq)


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Christian W. Röhl
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