Franz Jurkowitsch, Warimpex, zur Wahl des Börsestandorts und zum Rückfall der Warschauer Börse (25 Jahre ATX)

About: Für die CD-Produktion http://www.boerse-social.com/25jahreatx wurden 33 Telefon-Interviews geführt. Hier täglich ein Interview transkribiert. Heute: Franz Jurkowitsch, Warimpex . Wichtig: Diese Interviews wurden nicht für Print gemacht, die Transkripte sind ein Versuch. Die Audio-Version des Jurkowitsch-Interviews findet man unter: Warimpex im Geschäftsjahr 2015 mit zweistelligem Verlust wegen Russland?das Set "Shirt und Doppel-CD" in der "Ich war dabei!"-Version hat am 9.3. das Funding-Ziel von 100 erreicht, es kann noch bis 14.4. bestellt werden (HIER die Namen der Besteller und die Details des Angebots). 

Frage (Peter Heinrich): Bitte um kurze Vorstellung.

Franz Jurkowitsch: Franz Jurkowitsch, CEO der Warimpex Finanz- und Beteiligungs AG. Es ist ein österreichisches Unternehmen, das an der Wiener wie auch an der Warschauer Börse gelistet ist. Wir sind seit Jänner 2007 an der Wiener Börse im Prime Market, sind aber kein ATX -Unternehmen.
 
Aber an der Wiener Börse und genau die feiert ja ein Jubiläum, 25 Jahre ATX. Deshalb möchte ich gerne mal mit Ihnen über den Standort sprechen. Standort Börse Wien. Wie wichtig ist dieser Börsestandort?
 
Ich glaube, wir müssen ein bisschen zurückgehen, weil die Wichtigkeit ist immer in einem Gesamtkontext zu sehen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Öffnung der Märkte war der Standort natürlich ein wichtiger, weil es sehr viele österreichische Unternehmen damals schon gab und auch heute noch gibt, die mit diesen neuen Märkten sehr vertraut waren und die auch dort große Teile ihrer Exporte hin machten. Das heißt, es waren Märkte, die jetzt durch die Chance, dass man dort investieren kann, sehr wohl auch im Hinblick auf Börse, etc. Chancen gesehen haben. Die lokalen Börsen haben sich eigentlich mit Ausnahme der Warschauer Börse als nicht besonders volumensgroß dargestellt und so war eigentlich der Fall gegeben, dass die Wiener Börse der richtige Standort war. Es gab dann noch eine österreichische Regierung, die sehr stark Privatisierungen der Staatsunternehmen unternommen hat und das war dann eigentlich der Beginn eines Höhenflugs der Wiener Börse, leider haben sich diese Privatisierungen nicht bis zum Ende durchziehen lassen. Die Warschauer Börse wurde immer größer, vor allem in den späten 90er und Beginn der Jahre 2000, weil es eine große Pensionsreform gab. Mit der Bildung von Pensionsfonds kam hier auch Kapital, damit auch Investoren, die den in Warschau gelisteten Unternehmen mehr Stellenwert und mehr Möglichkeiten gegeben haben. Heute, um es jetzt im Schnellzugstempo zu sagen, ist die Situation wieder anders. Leider hat die letzte polnische Regierung, also nicht, die die jetzt neu ist, mit einer mehr oder weniger Demontierung des Pensionssystems begonnen und hat diese Pensionsfonds sukzessive wieder reduziert, indem ein Teil des Fondsvermögens in die staatliche Sozialversicherung übertragen wurde und somit auch das Handelsvolumen der Pensionsfonds geringer wurde, das heißt, sie mussten Firmenanteile verkaufen, was zu einem ziemlichen Kursverfall der polnischen Unternehmen geführt hat und auch zu einem dramatischen Rückgang des Volumens der Warschauer Börse. Die Wiener Börse hat zwar von der Regierung keine Unterstützung erfahren, den Kapitalmarkt attraktiver zu machen, aber die Unternehmen haben sich hier gut entwickelt in den letzten Jahren.
 
Nun ist die Abhängigkeit von vielen Unternehmen nach Osteuropa ja doch relativ groß. Sie sind auch eines der Unternehmen, die sehr viel in Osteuropa unterwegs sind. Ist diese Nähe denn Vorteil oder kann das auch ein Nachteil sein?
 
Ich würde so sagen, die Nähe waren Chancen, die bis zum Jahr 2008, also bis Lehman, wirkliche Chancen waren und wo hier große Wachstumspotenziale waren, nach Lehman hat Osteuropa, sehr sehr gelitten, weil die Banken angeschlagen waren, vor allem die Westeuropäer, die dort finanzieren, und die Lokalen nicht die Größe hatten, große Projekte selbst zu machen. Die einzige Ausnahme war, wenn man so will, Polen, aber aus Eurosichtgedanken hat sich auch der polnische Wechselkurs ziemlich nach unten entwickelt kurzfristig, was dann natürlich auch aus der Sicht der Bewertung von Investitionen Probleme gemacht hat. Das hat sich mittlerweile dann wieder relativiert und jetzt ist Polen wahrscheinlich einer der am stärksten wachsenden Märkte in Europa und ich hoffe, dass sich das auch fortsetzen wird. Das heißt, Chancen und Risiken sind relativ rasch hintereinander gekommen, das hat auch unser Unternehmen getroffen. Wir haben Immobilien und Schwerpunkt Hotels. Dadurch, dass die Banken nicht mehr finanziert haben, mussten wir unsere Developmenttätigkeit dramatisch zurückfahren. Dadurch, dass das Konferenzgeschäft und Firmenkundengeschäft sehr stark zurückgefahren war, speziell in den ersten Quartalen nach Lehman haben wir natürlich massive Einbrüche bei den Buchungen gehabt und damit auch Einbrüche des Wertes und dadurch, dass die Märkte selbst eben schwach waren, gab es auch keine Investoren oder es gab nur solche, die halt opportunistisch einen Zerschlagungswert kaufen wollten. Da ist natürlich für ein Unternehmen wie uns, ein Immobilienunternehmen, keine Basis gegeben. Es hat aber sich sukzessive verbessert. Wir haben heute in den Märkten Tschechien und Polen sehr, sehr gute Hotelumsätze, wir sind also sehr nahe wiederum bei den Hochs der Jahre 2007 und 2006 in diesen Märkten. Wir haben jetzt dieses Jahr noch einmal einen Problemfall zu lösen, dass wir sehr starke Investitionen in Russland haben, dass wir durch den Rubelverfall einen Verlust bilanzieren müssen einerseits einen Währungsverlust und andererseits sind die Risikoprämien zu denen ein Bewerter die Büroliegenschaften bewertet, höher geworden, das heißt, der Wert dieser Liegenschaften ist zu berichtigen und wir werden 2015 einen zweistelligen Verlust wahrscheinlich aufgrund dieser Folgen haben obwohl der Cash flow insgesamt gestiegen ist. Das heißt, wir sind seit Lehman über einen Hürdenlauf von zuerst Marktrisiken im laufenden Geschäft, dann Währungsrisiken gekommen.. Die Chancen sind die, dass es wenn die Märkte gut gingen und das haben wir ja auch erlebt, wir sehr hohe Wachstumsraten haben, sehr hohe Marktanteile haben und auch einen hohen Gewinn haben, da muss man eben durch. Da würde ich sagen, um noch einmal auf die Börse zu kommen, wir sind glücklich auf der Börse zu sein, weil die Börse gibt Transparenz, wir sind im Prime Market, das heißt, wir haben die höchsten Regulierungsvorschriften zu erfüllen, das ist aber auch immer ein gutes Zeichen für Bondinvestoren oder für Banken, weil sie wissen, dass es hier Unternehmen gibt, die wirklich guten Einblick liefern.
 
Nun hatten Sie Russland bereits angesprochen, jetzt im Speziellen auf den Rubelverfall. In Russland bzw der Ukraine gibt es ja diesen Konflikt, der durch andere geopolitische Themen jetzt in den Hintergrund geraten ist, aber dieser Konflikt ist noch lange nicht gelöst, könnte unter Umständen ein 2016er Thema werden. Wird sich das auch in irgendeiner Form auf die Börse auswirken?
 
Ich meine, der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine scheint sich ja glücklicherweise in den vergangenen Monaten beruhigt zu haben und abgesehen von kleinen Problemfällen herrscht jetzt Ruhe, das heißt ich glaube nicht, dass aus dieser Ecke eine negative Beeinflussung der Börsen, sei es jetzt der russischen Börsen oder sei es der Firmen, die in Russland stark investiert sind und die jetzt in Deutschland und Österreich gelistet sind, kommt. Das glaube ich nicht. Was den Ölpreis und den Rohstoffpreis betrifft, so hat das natürlich einen großen Einfluss, den kann man aber nicht so in einem Satz vermantschen.
 
Gut, dass Sie den Ölpreis angesprochen haben, ein wichtiges Stichwort. Wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, dass es starke Ölpreisschwankungen gab und dann auch der ATX jeweils heftig reagiert hat, weil nämlich die Ölbranche eine hohe Gewichtung hat, genauso wie die Immobilienbranche, Sie selbst sind ja auch ein Immobilienunternehmen. Ist der Fokus denn zu stark auf einzelne Branchen gerichtet im ATX?
 
Das ist historisch gegeben. Österreich war,wenn Sie so wollen, sehr lange geprägt, dass die Firmen sich lieber mit einem Bankkredit finanziert haben als dass sie an die Börse gingen, weil sie damit immer Angst hatten, dass entweder die Hauptaktionäre oder die Familienbetriebe zuviel Transparenz geben müssen und dass sie möglicherweise Einfluss verlieren. Ich glaube, das ist eine falsche Ausrichtung. Ich glaube, dass eine Börse sehr wohl ein Instrument ist, auch Wachstum zu finanzieren, wenn die Unternehmen sich bemühen, eben Transparenzvorschriften zu genügen und ein Investor weiß ja dann, wo er investiert. Wenn einer sagt, ich bin ein Unternehmen, das sagen wir in dem und dem Land oder auch in Russland investiert, dann müsste ein Investor, der sich damit auseinandersetzen will wissen, ok, da kaufe ich mir Chancen und Risiken ein so wie ich es jetzt vorher gesagt habe. Da gab es eben starke Wachstumsmöglichkeiten, da gibt’s  aber auch Risken, das ist zB dass der Rubel eine Rohstoffwährung ist. Vielleicht darf ich dann noch eines sagen, ich sehe bei der russischen Börse auch viele Chancen, weil durch die Sanktionen kommen ja jetzt lokale Produzenten im Nahrungsmittelbereich, im Bereich der Leichtindustrie, die auch die Chance haben, die fehlende Konkurrenz mehr oder weniger zu nützen und hier höhere Marktanteile zu bekommen und vielleicht auch bessere Preise zu bekommen und werden sicherlich aus dieser Situation heraus profitieren. Da sehe ich die größten Chancen für einen Investor.
 
Schauen wir mal in die Zukunft. Was für eine Entwicklung sehen Sie denn an der Wiener Börse? Manche sprechen ja von einem Dornröschenschlaf, ist das übertrieben oder sehen Sie da tatsächlich Momente, die diesen Dornröschenschlaf beenden könnten und die Wiener Börse bzw. den ATX wachküssen könnten?
 
Ja ich würde mir wünschen, wenn mehr Unternehmen an die Börse gehen würden, ich würde mir auch wünschen, dass man Unternehmen, wo der Staat nur Minderheitsanteile hat, diese Unternehmen über die Börse weiter privatisiert, weil es ja wenig Sinn macht, große Konstrukte wie Staatsbeteiligungen zu halten, nur dafür um Minderheitsbeteiligungen irgendwo zu verwalten. Ich glaube, dass das der Börse helfen würde. Es wäre sicherlich auch sinnvoll, Infrastruktur, die langfriste Cash-flows hat, möglicherweise an der Börse zu listen. Ich denke hier an Unternehmen wie eine Asfinag. Frankreich ist hier ein Beispiel. Die haben sehr wohl ihre Autobahngesellschaften an die Börse gebracht und das waren großvolumige. Wir haben im Moment keine Infrastruktur an der Börse. Ich würde mir auch wünschen, dass man Steuern, die eigentlich sehr einkommensschwach sind, die nur aus ideologischen Gründen gekommen sind, wieder abschafft,  weil die eigentlich den Börsehandel vor allem für den Kleinanleger schlecht sind. Er sucht ja nur eine Alternative zur Staatsanleihe.
 
Das wären also mögliche einschneidende Momente, die den ATX voranbringen können. Schauen wir nochmal in die Vergangenheit. Gibt es denn da Momente, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
 
Im Gedächtnis war sicherlich eine sehr intelligente Steuer, nämlich die Kapitalertragssteuer, die direkt eingeführt wurde von den Banken, weil sie Transparenz gebracht hat und weil sie eigentlich eine moderne Steuer war. Die hat man leider jetzt wieder erhöht, was natürlich die Attraktivität der Börse für die Anleger geringer gemacht hat, aber das war sicherlich einer der Wachstumstreiber, sonst waren eigentlich keine markanten Punkte. Natürlich knapp vor 2008 sind alle Börsen raufgegangen, so auch die Wiener Börse, aber da waren wir mehr oder weniger eines Europäischen oder eines Weltorchesters.
 
Ein Instrument dieses Orchesters ist die Wiener Börse und die feiert ihr Jubiläum, 25 Jahre ATX, deshalb möchte ich zum Schluss natürlich noch die Gelegenheit gebenm Ihre Glückwünsche, Ihre guten Wünsche für den ATX und die Unternehmen der Wiener Börse auszusprechen.
 
Ich kann nur danken dafür, weil ich bin überzeugt, dass eine Börse ein ganz wichtiges Instrument im Kapitalmarkt ist und dass sie ein wesentlich effizienteres Instrument ist als alle staatlichen Förderungen die dann immer wieder querfinanziert werden müssen mit Auflagen, die dann am Ende wieder was kosten. Die Börse bringt Transparenz, die Börse bringt auch die Möglichkeit von Liquidität, dass man ein Investment eben täglich kaufen oder verkaufen kann, nämlich Liquidität für den Anleger. Und die Börse bietet auch durch die Transparenz, gerade in Zeiten wo Banken möglicherweise geringere Kreditvolumina vergeben auch die Möglichkeit, dass Unternehmen auch über die Ausgabe von Obligationen und ähnlichen Instrumenten Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Expansion finden können.



(16.03.2016)

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25 Jahre ATX

Rund um "25 Jahre ATX" haben wir im Dezember 2015 und Jänner 2016 eine grossangelegte Audioproduktion mit dem Ziel einer Fest-CD gemacht. Infos unter http://www.boerse-social.com/... . Hier täglich ein Interview transkribiert. Wichtig: Diese Interviews wurden nicht für Print gemacht.

>> http://boerse-social.com/25jahreatx


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