Andreas Paciorek, 10. März 2016
Wie gewonnen, so zerronnen: Die Halbwertzeit geldpolitischer Maßnahmen ist heute auf eine Stunde gesunken. Zunächst schien EZB-Präsident Draghi alles richtig gemacht zu haben, indem er die geldpolitische Bertha noch dicker machte. Zumindest honorierte der Deutsche Aktienindex das ganze Bündel an beschlossenen Maßnahmen mit einem Sprung bis in die Nähe von 10.000 Punkten. Getrieben wurde der Markt dabei von einem fallenden Euro auf 1,08 US-Dollar.
Verkehrte Welt hieß es aber schon kurze Zeit später, als sich noch während der laufenden Pressekonferenz der Euro über die Marke von 1,11 US-Dollar aufmachte und der DAX ins Minus rutschte. Mehr als 450 Punkte verlor der deutsche Leitindex in nur zwei Stunden. Die Äußerung Draghis, er gehe von keinen weiteren Zinssenkungen aus, wurde als die letzte Patrone der Europäischen Zentralbank interpretiert. Noch dazu bleibt die EZB sehr pessimistisch, was das Thema Inflation angeht und rechnet nur noch mit einer Teuerungsrate von 0,1 Prozent im laufenden Jahr.
Kleiner Hoffnungsschimmer: Mit den sich zuletzt etwas stabilisierenden Rohölpreisen ist durchaus denkbar, dass die Inflation eher stärker tendiert. Das könnte dann aber auch bedeuten, dass der Hochpunkt der Liquiditätsspritzen in der Eurozone heute erreicht wurde. Für die inzwischen von der geldpolitischen Droge abhängigen Aktienmärkte löst dies allein bereits Entzugserscheinungen aus.
Dass Draghi es zudem nicht schaffte, die Risikobereitschaft der Investoren zu erhöhen, zeigt auch die Entwicklung des Goldpreises und des Japanischen Yen, die sich nach anfänglichen Abgaben schnell wieder erholten.
Die Wall Street, die zuletzt ohnehin die europäischen Märkte abhing, dürfte dem DAX auch weiterhin nur die Rücklichter zeigen. Denn im Gegensatz zur EZB hat die Fed die Möglichkeit, die geldpolitische Offenbarung der EZB ganz leicht mit lockeren Tönen zu kontern, um so dem Euro weiter Auftrieb zu geben. Wenn die heutigen Maßnahmen nicht ausreichen, um den Euro nachhaltig zu schwächen, dürften das nur noch ein Wieder-Aufflammen der Grexit-Krise, der Brexit oder andere politische Probleme können.