Der Begriff Blase wird am Finanzmarkt gerne verwendet und beschreibt im Groben ein Phänomen, wo der Preis eines oder mehrerer Vermögenswerte deutlich über ihrem inneren beziehungsweise fundamentalen Wert gebildet wird. Anders formuliert reichen die zukünftig von diesen Vermögenswerten generierten Cashflows abzüglich der Kosten, die durch die Generierung dieser Cashflows anfallen, nicht aus, um den Käufern der Vermögenswerte eine dem Risiko angemessene Verzinsung zu gewähren.
Interessanterweise entstehen solche Blasen, zumindest die wirklich großen, oftmals in Branchen und Bereichen, denen wirklich eine „brauchbare“ Story zugrunde liegt. Mit der Südseeblase war beispielsweise die Hoffnung auf große Profite aus einem zunehmenden interkontinentalen Handel verbunden. Die Überbewertung von Luftfahrtunternehmen war auf die Erwartung einer Revolution des Transportwesens gestützt. Die Dotcomblase entstand aus der wirtschaftlichen Überschätzung der Revolution der weltweiten Kommunikationsfähigkeit. All diesen Überbewertungen am Markt ist gemeinsam, dass die zugrundeliegende „Story“ tatsächlich als disruptiv betrachtet werden kann. Die jeweilige Technologie hat das Zusammenleben der Menschen ja wirklich nachhaltig geprägt und verändert. Die preislichen Exzesse waren dem Umstand geschuldet, dass Menschen bereit waren, eine üppige Prämie für eine Einsicht zu bezahlen, die allgemein bekannt war.
Eine mögliche neue Blase in der Zukunft?
Heute morgen habe ich von Elon Musks jüngstem Coup gelesen: Eine Falcon9-Rakete von SpaceX konnte erstmals wieder auf der Erde landen und bereitet so den Weg für eine kostengünstigere Raumfahrt, da durch die mögliche Wiederverwendung von solchen Raketen der Preis für einen Flug ins All logischerweise deutlich sinken wird. Man braucht kein Prophet zu sein, um das Potenzial der Raumfahrt zu erkennen. Es reicht theoretisch von der Verbesserung der Kommunikations- und Überwachungsfähigkeit auf der Erde über die mögliche Entdeckung neuartiger Rohstoffe bis hin zur Erschließung neuer „Märkte“ durch die Besiedelung anderer Himmelskörper und der damit zusammenhängenden Herausbildung entsprechender Branchen wie Weltraumtourismusunternehmen, interplanetaren Speditionen und ähnlichen Träumereien. Da ich mir solche Phantastereien als Laie ohne groß nachzudenken aus dem Ärmel schütteln konnte, wird sich daraus zweifellos eine leicht verständliche, spannende Story zimmern lassen, die eine Menge „Investoren“ begeistern kann. Diese werden mit Freude „Weltraumunternehmen“ aller Art finanzieren, ob über klassische IPOs, zwischengeschaltete Private Equity-Unternehmen oder bedenkliche Crowdfunding-Kampagnen. Zahllose Raketen- und Raumschiffbauunternehmen könnten aus dem Boden schießen. Die Medien werden sich darauf stürzen und die Zulieferindustrie rund um diese neuen Stars wird sich entsprechend aufblähen. Jene Materialien, die in der neuen Branche besonders häufig verwendet werden, verteuern sich. Die Gehälter von Topwissenschaftern und Führungskräften in diesem Bereich werden vom jetzigen Niveau in ungeahnte Sphären vorstoßen. Die Bewertungen von Unternehmen, die „space“, „orbit“ oder ähnliche Termini im Firmennamen führen, werden geradezu absurde Dimensionen annehmen. Und plötzlich wird die Party enden, so wie sie immer plötzlich geendet hat. Die Lichter werden ausgehen, die Musik hört auf zu spielen und die Reise nach Jerusalem ist vorbei. Viele werden keinen Sitzplatz haben und aufgescheucht davonrennen. Wird die zivile Raumfahrt die nächste große Blase? Ich weiß es nicht, zumindest kann ich nicht sagen, ob es die nächste im buchstäblichen Sinn wird. Sie hat aber jedenfalls das Potenzial, eine Blase im Sinne der oben genannten Definition zu werden. Sie wird ein Bereich werden, die die Menschheit erheblich verändern wird und sie lässt sich eine schöne, glamouröse Geschichte verpacken.
Die Blase in der Gesellschaft?
Es gibt daneben noch eine ganze Reihe von anderen hübschen Stories, die einerseits die Welt verändern werden, die aber auch das Potenzial haben, leichtsinnige Anleger um ihr Geld zu erleichtern. Dazu gehören Robotik, 3D-Druck, Elektromobilität, Künstliche Intelligenz, Cognitive Computing, Big Data, Cloud, lebensverlängernde Medizin oder Nanotechnologie. All diese Bereiche werden die gesamte menschliche Existenz erheblich verändern, und zwar schon bald. Für manche wird sich ihr alltägliches Dasein verbessern, weil sie in einer Branche arbeiten, die einen Aufschwung erfährt oder weil es ihnen möglich ist, für sie lästige Routinen an ein technisches Gerät abzugeben. Viele andere werden aber auf der Strecke bleiben, weil sie die Umstellung verschlafen oder weil es ihnen aus irgend einem Grund nicht möglich ist, sich rechtzeitig auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Das ist eine Entwicklung, die ebenfalls Beachtung verdient und für die man sensibilisiert werden muss. In Österreich sind sehr viele Menschen in Branchen tätig, wo ich persönlich mir kaum vorstellen kann, dass ein Großteil der Arbeit in zwanzig Jahren noch von menschlicher Hand ausgeführt wird. Wird es in Zeiten selbstfahrender Autos noch Taxifahrer oder Buslenker geben? Was ist mit Piloten von Linienflugzeugen? Was mit Fernfahrern und Schiffskapitänen? Was ist in Zeiten von „Cognitive Computing“ und Spracherkennung mit Callcentermitarbeitern?
Dabei sind das noch verhältnismäßig offensichtliche Branchen. Im Prinzip ist aber jede Art von Tätigkeit betroffen, wo der Großteil der Arbeit aus standardisierbaren und repetitiven Prozessen besteht. Manchmal ist das gar nicht so offensichtlich. Nehmen wir das Rechtsanwaltswesen als Beispiel. Gerade in den ersten Jahren ist der Rechtsanwaltswärter damit beschäftigt, Schriftsätze zu formulieren, die aus einer Argumentationslinie bestehen, deren einzelne Bausteine aus früheren Urteilen und aus der wissenschaftlichen Literatur zusammengetragen werden. Wer den „Watson Debater“ kennt, kann sich vorstellen, dass auch so etwas mittlerweile von einem Computer ganz gut gelöst werden kann. Natürlich wird es immer wieder Fälle geben, wo Intuition, emotionale Intelligenz und Kreativität notwendig sind, um die gewünschte Lösung herbeizuführen, wo also Fähigkeiten gefragt sind, die der Computer bisher noch nicht wirklich emulieren kann oder konnte, weil die Wissenschaft noch gar nicht genau herausgefunden hat, wie das beim Menschen überhaupt funktioniert. Aber die Masse der Arbeit ist meines Erachtens standardisierbar, genauso wie der Allgemeinmediziner, der ein Antibiotikum verschreibt. Man möge mich nicht falsch verstehen: es wird in jeder der genannten Branchen Bedarf für menschliche „Top-Professionals“ geben, Experten, die Probleme entgegen dem common sense lösen und damit erfolgreich werden. Der durchschnittliche „Wissensarbeiter“ wird aber gegen ein gut eingeschultes künstliches Expertensystem den Kürzeren ziehen.
Man kann also im übertragenen Sinne davon sprechen, dass viele Berufsgruppen sich in einer Art „Blasenmodus“ befinden. Menschen, die jetzt Geld, Zeit und intellektuelle Ressourcen dafür aufwenden, um sich in einer solchen Berufsgruppe zu etablieren, stehen vor dem Dilemma, entweder so gut werden zu müssen, um den Computer zu überflügeln zu können, oder schlicht und ergreifend unwirtschaftlich zu sein. Die Summe der aggregierten Ressourcen, die von diesen Menschen für ihre Ausbildung ausgegeben wird, könnte in einem krassen Missverhältnis zu jenem Betrag stehen, der in Zukunft von diesen Menschen in eben dieser Branche verdient wird. Der Preis für den Eintritt in die Berufsgruppe liegt über dem inneren Wert der Tätigkeit in dieser Berufsgruppe – eine Blase.
In Österreich steht die Gesellschaft, insbesondere ihr Sozialsystem und ihr Bildungssystem vor enormen Herausforderungen. Das österreichische Bildungssystem ist beinahe quer durch die Bank so aufgesetzt, dass den Auszubildenden reproduzierbares Wissen vermittelt wird. Es verlangt das Lernen und die korrekte Wiedergabe von Fakten. Es ist dem Geschichtsprofessor wichtiger, dass der Schüler das Datum weiß, wann der zweite Weltkrieg ausgebrochen ist, anstatt darauf Wert zu legen, dass der Schüler versteht, warum er ausgebrochen ist. Würde gleichzeitig Interdisziplinarität forciert, wäre das möglicherweise keine so große Tragik. Der Fokus liegt aber meist auf Spezialisierung und das ist ein großes Problem, wenn man davon ausgeht, dass der Großteil der Absolventen niemals jenen Kompetenzstatus erreichen wird, dass man wirtschaftlicher ist, als ein gut programmiertes bzw. geschultes Expertensystem. Wenn die gesamten Kosten für die Ausbildung aber höher sein könnten als die Wertschöpfung, die letzten Endes von den Ausgebildeten in dieser Sparte für die Gesellschaft erbracht wird, muss man die Frage aufwerfen, wo der Sinn der Sache ist.
Das Grundproblem lässt sich noch auf eine höhere Ebene hieven. Es hat sich in Österreich über die letzten Jahrzehnte ein gesellschaftliches Gefüge entwickelt, das eine gefährliche Mischung darstellt. Wie erwähnt kommen auf alle möglichen Berufsgruppen durch technologische Neuerungen erhebliche Herausforderungen zu. Unzählige Menschen, die jetzt berufstätig sind, werden sich innerhalb der nächsten beiden Dekaden völlig neu orientieren müssen. Gleichzeitig ist aber das derzeitige Bildungssystem nicht in der Lage, Kompetenzen zu vermitteln, die in der Wirtschaft von morgen gefragt sein werden: Intuition, Interdisziplinarität und vernetztes Denken, Kreativität, körperliche Fitness, Humor, Empathie. Daneben entsteht aus verfahrenen Interessensvertretungen eine gewisse Kontraproduktivität. Es scheint Belegschafts- und Gewerkschaftsvertreter zu geben, die ernsthaft glauben, durch Streik, Blockaden und das Verschließen der Augen könne der grundlegende technologische Wandel aufgehalten oder gar umgekehrt werden. Wird sich an der Tatsache, dass in Österreich jede zweite oder dritte Bankfiliale zusperren muss, weil der Bedarf nicht mehr da ist, etwas ändern, wenn die Belegschaften dieser Filialen jetzt streiken? Natürlich nicht. Dadurch, dass Belegschaftsvertreter den Mitarbeitern genau das aber einreden, nimmt man den Betroffenen die Chance, sich rechtzeitig umzuorientieren.
Aus diesen genannten Faktoren resultiert in der Zukunft ein enormer Versorgungsbedarf durch die Gesellschaft für sehr viele ihrer Mitglieder. Es werden erhebliche Mengen Geld für Grundversorgung und Umorientierung all jener ausgegeben werden müssen, die auf den kommenden technologischen Umbruch zu spät reagieren konnten oder wollten. Diese Notwendigkeit wird in ihrer Umsetzung dadurch erheblich behindert, dass durch die politischen Entscheider auf übelste populistische Art eine feindliche Stimmung gegenüber Leistungs- und Innovationsträgern kreiert wird. Mit dem ständigen Ruf nach höherer Besteuerung der „Reichen“ und nach mehr „Umverteilung“ und der Vergabe von Wahlzuckerln mag man eine Zeit lang viele Wählerstimmen bekommen. Mit der höheren Besteuerung von Kapital und größeren Einkommen erreicht man langfristig aber nicht eine gerechtere Verteilung, sondern ein Abwandern der größten Kompetenz und die Beschleunigung der Abwärtsspirale. Ich bin übrigens nicht reich, um einem möglichen Einwurf gleich vorzubeugen.
Die österreichische Gesellschaft befindet sich in einer Blase und ich sehe niemanden in den Riegen der politischen Elite, dem ich eine kompetente Lösung dieses Problems zutraue. Man mag einwenden, dass die Menschheit sich im Laufe der Geschichte immer wieder angepasst hat und sich wie von „unsichtbarer Hand“ durch Kreativität und Innovationsgeist neue Berufsgruppen hervorgebildet haben, die man zuvor nicht für möglich gehalten hatte. Das mag stimmen. Hoffentlich. Es hat im Laufe der Geschichte aber auch noch nie so viele ineffiziente gesellschaftliche Strukturen gegeben, die das einbremsen und das sind furchtbare Aussichten.
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