Nicolas Schmidlin, geboren 1988, ist Mitglied des Vorstands und Mitgründer der ProfitlichSchmidlin AG, einem bewertungsorientierten Fondsberater, der das Ziel einer hohen absoluten Rendite unter Eingrenzung des fundamentalen Risikos verfolgt. Nicolas studierte Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und Investment Management im Masterprogramm der Cass Business School in London. Weitere Praxiserfahrung sammelte er im Investmentbanking sowie im Investment Advisory für institutionelle Kunden in London und Frankfurt am Main.
Schmidlin ist Autor des Buches „Unternehmensbewertung & Kennzahlenanalyse“, welches aus unserer Sicht eines der besten im deutschsprachigen Raum verfügbaren Werke zu diesem Thema ist. Seit Anfang 2014 managt er zusammen mit seinem Kollegen Marc Profitlich den „ProfitlichSchmidlin Fonds“ (ISIN DE000A1W9A28).
Dem bargain-Magazine steht nun einer der „shooting stars“ der Investmentszene für einige Fragen und Antworten zur Verfügung, wofür wir sehr dankbar sind.
b.m.
Wann hat für Dich das Interesse am Kapitalmarkt begonnen? Was war die erste Aktie, die Du gekauft hast und wann war das? Hast Du von Anfang an genaue Analysen vorgenommen oder waren die ersten „Gehversuche“ weniger vorsichtig?
N.S.
Interesse am Kapitalmarkt bestand schon seit meiner Kindheit, aber wirklich intensiv hatte ich erst mit 17 begonnen mich mit der Materie auseinanderzusetzen. Der erste Gehversuch war dann auch gleich eine im wahrsten Sinne des Wortes „kostbare“ Erfahrung in Sachen Kompetenzbereich, als ich nach durchaus tieferer Analyse Aktien der Royal Bank of Scotland kaufte. Im Nachhinein war das trotz, oder gerade wegen, des hohen Verlustes ein wichtiges Investment, um in Zukunft penibel auf die Einhaltung des eigenen Kompetenzbereichs zu achten. Ich denke eine korrekte und ehrliche Fehleranalyse ist es, was einen als Investor über die Zeit wirklich voranbringt.
b.m.
Wie sieht der typische Arbeitsalltag für Dich aus? Wofür geht die meiste Zeit auf?
N.S.
Einen „typischen“ Arbeitstag gibt es nicht wirklich. Wir versuchen weitestgehend abgeschottet von der Außenwelt zu arbeiten – meist treiben Marc und ich unserer Ideen unabhängig voneinander voran, um diese dann nachher gemeinsam zu hinterfragen und die Analyse zu vertiefen. Es ist aus unserer Sicht ungemein wichtig, offen für Kritik zu sein und im Fall von Teamarbeit den sogenannten „Group Think“ zu vermeiden. Wir legen auch großen Wert darauf, die Unternehmen, in welche wir beabsichtigen zu investieren, vor Ort zu treffen, um einen persönlichen Eindruck vom Management und dem drum-herum zu erhalten. Die Arbeit teilt sich also in Schreibtischarbeit und Reisen auf. Der Großteil des Tages besteht aber definitiv aus dem Lesen von Geschäftsberichten und Prospekten, aber auch allen anderen Quellen wie Zeitungen, Fachbeiträgen und Blogs.
b.m.
Was sind für Dich die qualitativ hochwertigsten Tages- und Wochenzeitungen, die man normalerweise konsumieren sollte?
N.S.
Hier muss man den deutschsprachigen Medien leider ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Aus meiner Sicht sind vor allem das Wall Street Journal und die Financial Times zu empfehlen. Gleichermaßen ist es aber auch wichtig, die vielen hervorragenden Blogs und Communities im Netz im Auge zu halten.
b.m.
Wenn Du ein Unternehmen beurteilen möchtest: was ist der „erste“ Schritt d.h. worauf schaust Du zu Beginn der Analyse? Gibt es (branchenunabhängig) eine oder mehrere bestimmte Kennzahlen auf die Du zum Zweck der Vorauslese achtest?
N.S.
Kennzahlen sind prinzipiell schwierig, da man diese immer nur im Kontext richtig bewerten kann. Eine hohe Eigenkapitalrendite kann beispielsweise ein Indikator für ein wirklich gutes Geschäftsmodell, oder auch nur für einen absurd hohen Hebel sein. In einem ersten Schritt versuche ich daher qualitative Merkmale in den Mittelpunkt zu stellen. Der natürliche erste Schritt muss dabei die Frage sein, ob man das Geschäftsmodell überhaupt verstehen kann und wo das „Besondere“ bei dem Unternehmen liegt.
b.m.
Sobald ein Unternehmen im Portfolio ist: wie häufig macht es Sinn, die ursprüngliche Analyse zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen (abgesehen von plötzlich auftretendem und tatsächlich relevantem Newsflow)?
N.S.
Grundsätzlich natürlich mit jeden neuen Quartalszahlen. Allerdings sollte man sich gerade als langfristig orientierter Investor nicht zu sehr von kurzfristigen Entwicklungen, sowohl beim Aktienkurs, als auch bei den Fundamentalzahlen, beeinflussen lassen. Wichtig ist, vor jeder Investition eine Liste mit möglichen „Negativszenarien“ zu erstellen und regelmäßig zu überprüfen, ob diese wahrscheinlicher geworden sind. Wenn eine Analyse fundamental korrekt ist, dann wird sich dies über die Zeit auch materialisieren.
b.m.
Wie schwer fällt es Dir, die teilweise irrationale Volatilität „auszuhalten“? Was kann man einem Investor empfehlen, der Probleme hat, bei Schwankungen kühlen Kopf zu bewahren?
N.S.
Ich denke die wahre Kunst ist nicht unbedingt die eigentliche Unternehmensbewertung, sondern gelassen und rational auf Marktbewegungen zu reagieren. Hier ist beispielsweise eine Liste mit den gängigen irrationalen Verhaltensmustern interessant, um zu prüfen, ob eine gegebene Entscheidung nun als rational oder irrational einzuschätzen ist. Vom „Anchoring“ bis zum „Hindsight Bias“ unterliegen wir alle zahlreichen irrationalen Tendenzen, die man auch nie komplett ausschalten kann. Wichtig ist aber, sich genau dessen bewusst zu sein.
b.m.
Stichwort Rechnungslegung: Logischerweise ist es sinnvoll sich zum Beispiel mit IFRS zu beschäftigen und diese Standards zu verstehen bzw. über ihre Eigenheiten und Unterschiede zu „nationalen“ bzw. konservativen Bilanzierungsvorschriften Bescheid zu wissen. Was sind Deiner Meinung nach die größten Schwachstellen bzw. Fallstricke in IFRS derzeit, wo gibt es in absehbarer Zukunft Änderungsbestrebungen und was ist Deiner Meinung nach für einen außenstehenden Laien die effizienteste Methode die wichtigsten IFRS-Bestimmungen zu lernen sowie darüber „up to date“ zu bleiben?
N.S.
Es ist meiner Ansicht nach ganz grundlegend zu verstehen, dass Rechnungslegung nichts weiter als ein Modell ist, welches versucht, die betriebswirtschaftliche Realität abzubilden. Dabei muss dieses Modell gewisse Annahmen und Vereinfachungen treffen, deren man sich bewusst sein muss. Daher halte ich es auch für ungemein wichtig, zuerst das Geschäftsmodell zu verstehen, und erst danach das Zahlenwerk zu studieren. Ist ersteres gut, folgen darauf in der Regel auch oft entsprechend gute Finanzkennzahlen. Umgekehrt ist dies nicht immer der Fall. Ich denke aktuell haben wir vor allem zwei Felder, die Anpassungen bedürfen: Zum einen eine realistischere Darstellung der Pensionsverpflichtungen, gerade vor dem Umfeld des aktuellen Zinsniveaus. Zum anderen sollten mehr außerbilanzielle Verbindlichkeiten mit in die Bilanz aufgenommen werden, wie zum Beispiel operative Leasing Verpflichtungen.
b.m.
Ihr leitet seit gut einem Jahr Euren eigenen Fonds. Welche Anforderungen müssen erfüllt werden, um einen Fonds erfolgreich zu gründen? Wie kann man sich den Ablauf einer Fondsgründung vorstellen, und welche waren die größten Hürden, um Euer Produkt erfolgreich am Markt zu platzieren?
N.S.
Es ist essenziell, ein authentisches Produkt zu konzipieren. In vertrieblicher Hinsicht ist die Investorenkommunikation bedeutsam, so dass das Konzept verständlich wird und die Erwartungshaltung der Investoren dem Konzept angemessen ist.
b.m.
Was ist Dein Lieblingsbuch mit „finanzmarktbezogenem“ Inhalt? Welches ist Dein Lieblingsbuch mit „nicht finanzmarktbezogenem“ Inhalt?
N.S.
Ich denke „Intelligent Investor“, aber auch alle Buffett Briefe, vermitteln den besten Blick auf wirkliches Value Investing. Natürlich gibt es auch zahlreiche gute neuere Bücher zu diesem Thema, aber Benjamin Graham hat mit dem „Intelligent Investor“ und „Security Analysis“ die Basiswerke schlechthin geliefert. Dies ist auch der Grund, weshalb ich mich in meinem Buch zum Thema Value Investing auf ein kurzes Kapitel beschränkt habe. Alles wichtige, ist dazu eben bereits gesagt, beziehungsweise geschrieben worden. Was Bücher abseits des Finanzmarktes angeht, so zählen Robert Pirsigs „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“, sowie Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“ zu meinen Lieblingsbüchern. Zwar haben beide Bücher keinerlei Bezug zur Börse, aber dennoch lässt sich auch für Investoren einiges daraus ableiten.
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