Heute möchte ich wieder auf einen alten Bekannten eingehen, nämlich auf den Österreichischen Corporate Governance Kodex (kurz ÖCGK). Dieser ist uns schon einmal im Rahmen eines Artikels über die Kriterien zur variablen Vorstandsvergütung im Bargain Magazine über den Weg gelaufen. Ich denke, dass es nicht schaden kann, wenn man über einige Grundlagen dieses Regelungsinstrumentes Bescheid weiß, weshalb ich es in seinen Grundzügen heute erläutern möchte.
Der ÖCGK wurde nach einer Konsultationsphase im Jahr 2002 durch den Österreichischen Arbeitskreis für Corporate Governance eingeführt. Seither ist er mehrmals überarbeitet und an die fortschreitenden Entwicklungen angepasst worden. Den Kodex selbst kann man sich – inklusive darauf abgestimmter Interpretationsvorlagen – auch auf der Homepage des genannten Arbeitskreises besorgen. Alle folgenden Seiten- und Regelverweise beziehen sich auf die dort downloadbare Version des ÖCGK in der Fassung von Jänner 2015.
Corporate Governance meint begrifflich die Führung von Unternehmen sowie die Überwachung dieser Führung. Bereits das Vorwort des ÖCGK zeigt eine seiner wichtigsten Zielsetzungen, nämlich die Stärkung des Vertrauens internationaler und nationaler Investoren in den österreichischen Kapitalmarkt, und zwar in Bezug auf diese Führungs- und Überwachungsfunktionen. Ein weiteres Ziel des Kodex ist laut seiner Präambel die Erreichung verantwortlicher, auf nachhaltige und langfristige Wertschaffung ausgerichteter Leitung.
Der Kodex gliedert sich inhaltlich in 6 Teile (Siehe Inhaltsverzeichnis des ÖCGK):
Danach gibt es noch einige Anhänge mit Mustern.
Grundsätzlich ist es so, dass der Kodex nicht per se rechtsverbindlich ist. Allerdings sind österreichische börsenotierte Aktiengesellschaften dazu aufgerufen, sich durch Unterwerfungserklärung zu seiner Einhaltung zu bekennen. Auch nicht börsenotierten Gesellschaften wird dessen Einhaltung empfohlen (S 11 f.). Für Unternehmen, die im prime-Segment der Wiener Börse notieren wollen, ist dessen Einhaltung durch Unterwerfungserklärung sogar Pflicht (S 12; sh auch Regeln der Wiener Börse)
Die Regeln des Kodex sind in drei verschiedene Kategorien gegliedert (sh hierzu S 14). Diese sind L-Regeln (für „Legal Requirement“), C-Regeln (für „Comply or Explain“) und R-Regeln („Recommendation“). Die L-Regeln beruhen auf zwingenden Rechtsregeln, wie beispielsweise jenen des österreichischen Aktiengesetzes. C-Regeln sind ebenfalls verbindlich, allerdings kann man durch Erklärung des Grundes davon abweichen. R-Regeln müssen weder eingehalten werden, noch müsste deren Nichteinhaltung begründet werden.
Beispiel für eine L-Regel
Hier ist gleich Regel 1 des ÖCGK als Beispiel dienlich. Diese sagt: „Alle Aktionäre sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Das Gebot zur Gleichbehandlung gilt in besonderer Weise gegenüber institutionellen Anlegern einerseits und Privatanlegern andererseits.“ Der erste Satz dieses allgemeinen Gleichbehandlungsgebotes findet seine Entsprechung bereits in § 47a Aktiengesetz (AktG). Die Ergänzung hinsichtlich privater und institutioneller Investoren wurde noch hinzugefügt.
Beispiel für eine C-Regel
Hier ist beispielsweise Regel 27 zu nennen, der Kriterien für die Vorstandsvergütung festlegt und wie folgt lautet: „Bei Abschluss von Vorstandsverträgen wird zusätzlich auf die Einhaltung folgender Grundsätze geachtet: Die Vergütung enthält fixe und variable Bestandteile. Die variablen Vergütungsteile knüpfen insbesondere an nachhaltige, langfristige und mehrjährige Leistungskriterien an, beziehen auch nicht-finanzielle Kriterien mit ein und dürfen nicht zum Eingehen unangemessener Risiken verleiten. Für variable Vergütungskomponenten sind messbare Leistungskriterien sowie betragliche oder als Prozentsätze der fixen Vergütungsteile bestimmte Höchstgrenzen im Voraus festzulegen. Es ist vorzusehen, dass die Gesellschaft variable Vergütungskomponenten zurückfordern kann, wenn sich herausstellt, dass diese auf der Grundlage von offenkundig falschen Daten ausgezahlt wurden.“
Diese Regel ist also entweder einzuhalten, oder ihre Nichteinhaltung zu begründen. Eine derartige Begründung kann beispielsweise so aussehen: „Ein rückwirkender Eingriff in bestehende Verträge erscheint nicht angemessen. Die bestehenden Vorstandsverträge knüpfen hinsichtlich ihrer variablen Vergütungsteile nicht an nicht finanzielle Kriterien an und enthalten keine betragsmäßigen Höchstgrenzen. Die Festlegung betragsmäßiger höchstgrenzen variabler Vergütungsbestandteile würde die Flexibilität mindern, um auf im Vorhinein nicht absehbare Entwicklungen eingehen und besondere Leistungen honorieren zu können.“ (siehe Agrana Geschäftsbericht 2013/2014, Corporate Governance Bericht, S. 8).
Beispiel für eine R-Regel
Hier kann beispielsweise Regel 75 herangezogen werden, die wie folgt lautet: „Die Gesellschaft hält regelmäßig, bei entsprechendem Bedarf auch quartalsweise, Conference Calls oder ähnliche Informationsveranstaltungen für Analysten und Investoren ab. Dabei sind zumindest die verwendeten Informationsunterlagen (Präsentationen) über die Website der Gesellschaft dem Publikum zugänglich zu machen. Andere kapitalmarktrelevante Veranstaltungen, wie Hauptversammlungen, sind, soweit wirtschaftlich vertretbar, als Audio- und/oder Videoübertragung auf der Website der Gesellschaft zugänglich zu machen.“
Das bedeutet, dass es zwar empfohlen wird, regelmäßige Conference Calls abzuhalten, es aber nicht begründet werden muss, wenn das nicht geschieht.
Sonstiges
Regel 60 des ÖCGK verlangt verbindlich, dass jede Gesellschaft regelmäßig einen sogenannten Corporate Governance Bericht aufstellt. Die korrespondierende rechtliche Bestimmung hierfür ist § 243b Unternehmensgesetzbuch (UGB). Dieser Bericht, bzw genauer gesagt die Sinnhaftigkeit der Einhaltung der C-Regeln, ist (sh die C-Regel 62 ÖCGK) mindestens alle 3 Jahre extern evaluieren und bewerten zu lassen. Als Muster für eine solche Evaluierung gibt es auch Fragebögen auf der Seite des Corporate Governance Arbeitskreises.
Ich persönlich empfinde es als Mangel, dass Regel 62 nur eine C-Regel ist. Dadurch erscheint es mir zumindest so, dass die Sinnhaftigkeit des gesamten Comply-or-Explain-Konzeptes etwas unterlaufen wird. Wenn die Begründung der Nichteinhaltung der C-Regeln nicht zwingend regelmäßig extern überprüft werden muss, läuft das meines Erachtens darauf hinaus, dass jede – wenn auch noch so fadenscheinige – Begründung zur Nichteinhaltung von so wichtigen Regeln wie beispielsweise den Kriterien zur variablen Vergütung von Vorständen ausreicht. Damit wird dem Prinzip meiner Meinung nach aber der Sinn genommen.
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