Das Unternehmen, mit dem ich mich gestern und heute morgen beschäftigt habe, ist die INIT AG (DE0005759807). Die Initiative, mich damit zu befassen, geht auf einen Leserwunsch zurück und ich möchte mich bereits an dieser Stelle dafür bedanken, dass ich auf diese Gesellschaft aufmerksam gemacht worden bin.
Geschäftsmodell
Der Firmenname INIT steht für „Innovation in Traffic“ und gibt schon etwas Auskunft darüber, was das Unternehmen so macht. Man ist laut eigenen Angaben ein weltweit führender Komplettanbieter im Bereich der Verkehrstelematik. Die Produkte sollen vor allem öffentliche Verkehrsbetriebe dabei unterstützen, ihre Abläufe effizienter zu gestalten, die Pünktlichkeit zu erhöhen und somit die Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern.
Man erstellt Systeme zur Planung des Verkehrsbetriebes, zur Gestaltung der Dienstpläne der Angestellten, zur Personaldisposition und zur Verwaltung der publizierten Fahrpläne. Daneben bietet man verschiedenste Geräte, wie z.B. Bordrechner für die Verkehrsmittel, Fahrgastinformationssysteme (in Form von Displays), Haltestellendisplays und ähnliche Komponenten. Als Komplettanbieter stellt man hier alles von der Entwicklung der Hard- und Software, über die Installation beim Kunden, bis hin zur laufenden Wartung und Instandhaltung, selbst bereit. Darüber hinaus werden auch laufende Schulungen angeboten.
Die übergeordneten Trends, von denen Unternehmen wie die INIT profitieren sollten, ist das Bevölkerungswachstum sowie die damit einhergehende zunehmende Urbanisierung. Damit hängt untrennbar der Ausbau und die regelmäßige Modernisierung sowie die Effizienzsteigerung von öffentlichen Verkehrsmitteln zusammen. Dieser Trend verstärkt sich umso mehr, je „grüner“ die Politik im jeweiligen Zielmarkt ausgestaltet ist. Demgegenüber besteht die Gefahr bzw. das Risiko des Hinausschiebens von Infrastrukturinvestitionen, weil die Träger dieser Kosten, das sind öffentliche Einrichtungen wie Kommunen oder Länder, zunehmend auf ihre Kosten achten müssen. Wie ich aber schon bei der Vianini Lavori geschrieben habe, lassen sich derartige Aufwendungen nur verschieben, nicht aber auf Dauer ignorieren.
Was mir persönlich überhaupt nicht gefällt, ist die Abhängigkeit von öffentlichen Ausschreibungen im Vertrieb. Es ist nun einmal so, dass derartige Verfahren nicht immer nach rein ökonomischen Gesichtspunkten getroffen werden, wo der Anbieter mit dem besten Produkt zum besten Preis aller Wahrscheinlichkeit nach den Zuschlag erhalten soll. Protektion, politische Motive, oder punktuell auch „monetäre Aspekte“, um es diplomatisch zu formulieren, dürften auch eine nicht unwesentliche Rolle spielen und demnach die Planbarkeit des Geschäfts erschweren.
Ein weiteres mögliches Problem, das mir beim Überfliegen der Geschäftsberichte aufgefallen ist, ist die Bedeutung der Infrastrukturinvestitionen im Arabischen Raum. Ich habe hier vorerst keine konkreten Zahlen gefunden, von daher könnte diese Sorge nach etwas tiefergehender Recherche auch völlig unbegründet sein, aber man sollte zumindest nicht außer Acht lassen, dass die öffentlichen Haushalte im Arabischen Raum durch den jüngsten Ölpreisverfall erheblich unter Druck geraten dürften. Dies könnte theoretisch in zweifacher Hinsicht negative Auswirkungen auf das Geschäft der INIT zeitigen. Zum einen könnte sich das Investitionsverhalten dieser Staaten verändern und zum anderen ist nun mal der Individualverkehr ein teilweises Substitut für die Öffis. Wenn das Substitut günstiger wird, leidet erfahrungsgemäß die Nachfrage beim Original. Wie gesagt, man sollte sich vor einem Engagement auf jeden Fall tiefergehend mit diesem Gedanken, insbesondere auch mit der Kaufkraftentwicklung der arabischen Währungen, auseinander setzen.
Apropos Substitut: Wenn man darüber nachdenkt, welche der Produkte der Gesellschaft durch irgendeinen erkennbaren Trend in Zukunft zumindest teilweise obsolet werden könnten, so fällt mir spontan die Bedeutung des Smartphones ein. Da die INIT unter anderem Systeme zur Zählung von Fahrgästen sowie zu deren Information anbietet, stellt sich mir schon die Frage, inwieweit diese Funktion in naher Zukunft nicht durch stinknormale Apps am Handy, die via W-LAN in Echtzeit mit Daten gefüttert werden, übernommen werden könnte. Freilich kann sich die INIT hier wahrscheinlich mit ihrem Know How und den bereits bestehenden Kundenbeziehungen wiederum als App-Ersteller positionieren.
Wenn man sich die Eigenkapitalrentabilität der INIT in den letzten fünf Jahren ansieht, so erkennt man sofort die äußerst gute Profitabilität der Gesellschaft bei gleichzeitig konservativer Eigenkapitalquote. Die Eigenkapitalrendite lag permanent bei knapp unter oder sogar über 20%, bei einer Eigenkapitalquote von über 50% und äußerst moderater Finanzverschuldung. Demnach verwundert es nicht, dass die Marktkapitalisierung immer ein Mehrfaches des Buchwertes ausmacht. Derzeit verfügt das Geschäftsmodell also zweifellos über Merkmale, die für einen qualitativ orientierten Value Investor interessant sind. Ich muss allerdings eingestehen, dass ich noch nicht über hinreichendes Wissen verfüge, um einzuschätzen, wo diese Merkmale verankert sind, geschweige denn, ob sie dauerhaft bestehen könnten. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass ein potenzieller Moat aus irgendeiner Mischung von tatsächlichem technischen Vorsprung bei der Funktionalität der Hard- und Software und „switching costs“ bei bereits bestehenden Kunden, die ihr Personal auf die Systeme von INIT eingeschult und ausgerichtet haben, besteht.
Finanzielle Stabilität
Hier lässt sich nicht viel sagen, außer dass das Unternehmen sehr gut finanziert ist und auf einem soliden Fundament steht. Auf Basis der letzten aktuellen Bilanz zum Q3 2014 hat man mehr liquide Mittel als Finanzschulden, die Eigenkapitalquote liegt bei über 50%, der Anteil von intangibles am Eigenkapital ist ziemlich gering und das Konzernumlaufvermögen übersteigt die Gesamtverbindlichkeiten deutlich. Insofern bestehen von meiner Warte aus keine Zweifel an der Bonität.
Sonstige Faktoren
Was mir besonders gut gefällt, ist das Management. Die INIT zählt aus meiner Sicht zu den wenigen klassischen gründergeführten Unternehmen am Aktienmarkt. Der CEO hat die Gesellschaft vor mittlerweile gut 30 Jahren gegründet und hält noch immer ungefähr ein Drittel der Aktien. Auch die anderen Vorstände halten zum Teil nicht unwesentliche Aktienpakete, der COO beispielsweise hat ein Interesse von derzeit mehr als 6 Mio. Euro, was ein Vielfaches seiner jährlichen Gage ausmacht. In dem Zusammenhang ist mir im Zwischenabschluss zum Q3 2014 schon positiv aufgefallen, dass die Directors Holdings gleich zu Beginn aufgelistet sind.
Auch das Vergütungsschema des Vorstandes ist meines Erachtens gut. Die fixe Vergütung betrug beispielsweise im Jahr 2013 knapp 1,5 MEUR, was insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass fünf Vorstände in der Gesellschaft beschäftigt sind, vertretbar ist. Hier könnte man höchstens hinterfragen, ob eine Gesellschaft in dieser Größenordnung wirklich fünf Vorstände braucht. Der variable Bestandteil ist zweigeteilt. Zum einen gibt es eine Barvergütung für den Fall, dass bestimmte Ziele beim Vorsteuerergebnis erreicht werden. Zum anderen gibt es eine Zuteilung von Aktien, die mit einer gewissen Sperrfrist behaftet sind. Hier kann definitiv gesagt werden, dass es wesentlich schlechtere Bonusprogramme in der großen weiten Welt der Aktiengesellschaften gibt. Freilich könnte man die Kriterien noch an einer Kennzahl je Aktie befestigen, aber immerhin hängt der Bonus nicht von irgendeiner völlig sinnbefreiten EBITDA-Rechnerei ab.
Erwähnenswert ist lediglich die Vermietung eines Gebäudes durch den CEO an „seine“ Gesellschaft mit einem Jahresmietzins von knapp einer halben MEUR. Für die Nachvollziehbarkeit der Fremdüblichkeit könnte man hier an die IR-Abteilung ein e-mail mit der Bitte um Klärung von Lage und Fläche schicken (oder altmodischer: anrufen). Wie schon in früheren Analysen erwähnt, lassen sich derartige Geschäfte kaum gänzlich vermeiden, und so lange sie vom Volumen her nicht exzessiv erscheinen, wird man wohl da und dort ein Auge zudrücken müssen.
Rein aus dem Bauch heraus und auf den ersten Blick kommt mir auch die Vergütung des Aufsichtsrates etwas hoch vor. Dieser setzt sich aus drei Personen zusammen und hat im Vorjahr knapp 150 TEUR erhalten. Immerhin ist die variable Vergütung des Aufsichtsrates zum Teil vom Aktienkurs abhängig.
Generell ist mir auf die Schnelle nichts aufgefallen, was die Qualität des Managements in Frage stellen würde. Ein erster Maßstab über viele Jahre hinweg ist natürlich die Entwicklung des Aktienkurses. Der zeigt, dass das Management in der Vergangenheit keine groben Fehler gemacht hat. Inwieweit diese Entwicklung allerdings eher auf Rückenwind in der Branche als auf individuelle Qualitäten zurückzuführen ist, kann ich noch nicht beurteilen. Immerhin ist positiv hervorzuheben, dass das Management-Team insgesamt schon ziemlich lange (allesamt über 10 Jahre) im Unternehmen tätig ist und somit über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz verfügt.
Zur Bewertung
Hier liegt – wie bei den meisten qualitativ hochwertigen Unternehmen – der Pferdefuß begraben. Eine halbwegs nachvollziehbare Bewertung anhand der Vermögensgegenstände im Eigentum der Gesellschaft, so wie ich es gerne mache, ist nicht möglich. Rein auf Basis der Assets ist die INIT ganz offensichtlich kein Schnäppchen.
Ich würde die Bewertung derzeit so vornehmen, dass ich das Nettoumlaufvermögen (nach Abzug aller lang- und kurzfristigen Verbindlichkeiten) in Höhe von ca. 30 MEUR zuzüglich der 6 MEUR als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien als nicht betriebsnotwendiges Vermögen ansetze. Da ich der Meinung bin, dass diese Ressourcen in irgendeiner Form aus dem Unternehmen entnommen oder refinanziert werden könnten, ohne dass sich das Risikoprofil oder die Ertragskraft des Unternehmens sonderlich ändert, möchte ich sie als eigenen Wert ansehen. Daneben erhält man im Falle eines Kaufes die Ertragskraft der Gesellschaft. Hier muss ich mit einer fundierten Einstellung vorerst passen, da ich keine Ahnung habe, wieviel die INIT in den nächsten Jahren verdienen wird/kann. Aus den bisher gewonnenen Informationen kann man allerdings zunächst ableiten, dass die Rentabilität des Geschäfts sehr gut und dementsprechend die Attraktivität für potenzielle Mitbewerber ziemlich hoch sein dürfte. Außerdem scheint ein nicht unwesentlicher Anteil zukünftigen Wachstums schon eingepreist zu sein. Ich würde auf einen ersten Blick behaupten, dass man ein wirkliches Schnäppchen machen würde, wenn man ein Unternehmen dieser Qualität zum 10 bis 11 fachen free cashflow zuzüglich dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen erwerben kann. Derzeit liegt der free cashflow wahrscheinlich irgendwo bei 8 bis 9 MEUR (was ohnehin eine gute Rate in Relation zum Umsatz ist), im bisherigen Spitzenjahr 2011 betrug er 13,x MEUR. Da man derzeit ungefähr 215 MEUR für das ganze Unternehmen hinblättern müsste, bezahlt man nach meiner Milchmädchenrechnung für die Ertragskraft (Kaufpreis – nicht betriebsnotwendiges Vermögen) knapp 179 MEUR. Wenn man das durch 10 bzw. 11 teilt, kommt man auf einen erforderlichen free cashflow von ungefähr 16,2 bis 18 MEUR, ein ganzes Stück über dem jetzigen Niveau, und selbst ein üppiges Stück über dem bisherigen Rekordniveau von vor drei Jahren. Die derzeitigen Erträge müssen also schon noch ein paar Jahre mit üppigen Raten weiterwachsen, um den heutigen Kaufpreis als Schnäppchen zu rechtfertigen.
Ehrlich gesagt habe ich auf den ersten Blick auch gewisse Zweifel, ob diese free cashflow-Raten auf Dauer haltbar sind. Derzeit läuft das Geschäft offenbar mit Sachinvestitionen im niedrigen einstelligen Prozentbereich des Umsatzes. Dasselbe gilt für die F&E-Aufwandsquote. Ich würde zumindest hinterfragen, ob ein Unternehmen, das Hardware herstellt, die einem beständigen technologischen Wandel unterliegt und dessen Moat unter anderem in einem echten Technologievorsprung liegen dürfte, nicht in Zukunft mehr als ein paar Prozent des Umsatzes zur Erhaltung dieses Vorsprunges sowie für Modernisierungen und etwaige Kapazitätsausweitungen bei Wachstum (die sicherlich viel Kapital binden) ausgeben wird müssen. Diesfalls würde das Verhältnis von free cashflow zu Umsatz abnehmen.
Vorläufiges Fazit
Die INIT ist zweifellos ein sehr gutes Unternehmen mit einem fähigen Management. Die langfristigen Geschäftsperspektiven scheinen mehr als nur intakt zu sein. Einzig und allein der Preis hat mich vorerst nicht überzeugt. Ich würde sagen, dass man derzeit für die eindeutig vorhandene Qualität auch einen einigermaßen angemessenen Preis bezahlt (Nettoumlaufvermögen zuzüglich das – geschätzte – 15 bis 18 fache der momentanen Ertragskraft). Bei derartigen Unternehmen hängt nun einmal sehr viel des Investmenterfolges von der Frage ab, ob die Gesellschaft in Zukunft ihre hohe Profitabilität halten kann. Wenn der Wettbewerb zunimmt und die Eigenkapitalrentabilität sich nur auf ein in Relation zur jetzigen Bilanzstruktur „normales“ Niveau absenkt und dort einpendelt, hat man wahrscheinlich deutlich zu viel bezahlt. Um einschätzen zu können, wie sich der Wettbewerb in den nächsten Jahren entwickelt, fehlt mir definitiv noch das entsprechende Wissen. Dementsprechend werde ich das Unternehmen auf meine Watchlist setzen, aber vorerst von einem Kauf absehen.
Verwendete Quellen
Alle Informationen wurden den Jahresabschlüssen 2010 bis 2013, dem Bericht zum Q3 2014, sowie der Homepage der Gesellschaft www.initag.de entnommen.
Der Beitrag Erstbetrachtung INIT AG erschien zuerst auf Bargain.
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