Anlässlich des vor kurzem erschienenen Jahresabschlusses der Beta Systems AG (DE0005224406) möchte ich auch für dieses im Bargain Portfolio befindliche Unternehmen einen ersten quick check verfassen. Weitere signifikante Entwicklungen im Zusammenhang mit der Gesellschaft werden wie gehabt laufend kommentiert.
Zum Geschäftsmodell
Die Beta Systems AG ist ein deutsches Softwareunternehmen mit Sitz in Berlin. Die Gesellschaft bietet auf Lizenzbasis Lösungen für die effiziente Verwaltung von großen Datenmengen sowie Systeme für das Zugriffsmanagement an. Die beiden Produktlinien werden seit kurzem in eigenen operativen Gesellschaften unter der Bezeichnung „Data Center Intelligence“ (DCI) und „Identity Access Management“ (IAM) geführt. Die Produkte sollen Unternehmen mit großen Datenmengen und komplexen IT-Systemen bei der Vereinfachung ihrer IT-Abläufe helfen sowie den Umgang mit sensiblen Daten via steuerbarer Rechtevergabe erleichtern.
Das Vertriebsangebot des Konzerns reicht hier vom Verkauf der Lizenzen über die Installation und Einführung der Systeme beim Kunden bis hin zu Schulungen von Mitarbeitern, die mit den Systemen arbeiten werden. Vom Umsatzvolumen her wird mehr als die Hälfte im Wartungsbereich erzielt. Wichtige Kunden stammen aus der Finanz- und Versicherungsbranche sowie ebenfalls aus dem IT-Bereich. Der Absatz der Produkte hängt dementsprechend sehr stark vom Investitionsverhalten dieser Kundensparten ab. Aus geographischer Sicht wird ca. die Hälfte der Umsätze in Deutschland generiert, der Rest in Kanada, Dänemark, Schweden, Norwegen oder auch der Schweiz. Im Zusammenhang mit diesen Ländern bestehen auch die wichtigsten Fremdwährungsrisiken.
In den nächsten Jahren ist nicht davon auszugehen, dass das Thema „Big Data“, das im Bargain Magazine auch schon im Zuge des IBM-Artikels angesprochen wurde, an Bedeutung verlieren wird. Ganz im Gegenteil, es wird weiterhin mit exponentiellem Datenwachstum auf unserer immer schnelllebigeren Welt zu rechnen sein.
Derzeit ist bei dem Unternehmen wahrscheinlich kein Moat, also ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil im investmenttechnischen Sinn, vorhanden. Man kann sich aber der Vollständigkeit halber darüber Gedanken machen, ob sich im Laufe der nächsten Jahre einer entwickeln könnte und nach ersten derartigen Anzeichen Ausschau halten. Potenzial sehe ich hier erstens in möglichen Skaleneffekten durch das Lizenzgeschäft. Die Entwicklung und der erste Vertrieb von Software kostet sehr viel Geld und Mühe und je mehr Kunden man von seinem Produkt in weiterer Folge überzeugen kann, desto breiter ist die Ertragsbasis, auf die man diese Kosten aufteilen kann. Allerdings glaube ich persönlich nicht, dass die Skaleneffekte sich so extrem ausspielen ließen, wie es beispielsweise Microsoft tun kann. Soweit ich das verstanden habe, stellt die Beta Systems hochspezialisierte Software her, die sich nicht so ohne weiteres beim Kunden „ausrollen“ lässt, weshalb mit jeder weiteren verkauften Lizenz ein nicht unterheblicher variabler Aufwand verbunden sein wird. Ich wage zu bezweifeln, dass sich hier alle Kosten an den Kunden weiterverrechnen lassen. Die zweite Möglichkeit der Generierung eines dauerhaften Wettbewerbsvorteiles würde ich in der engen Bindung zum Kunden und den damit zu assoziierenden switching costs sehen. Um hier eine tiefergehende Beurteilung vorzunehmen, fehlt mir allerdings noch der Einblick ins Unternehmen.
Finanzielle Stabilität und Assets
Das Unternehmen ruht auf einem sehr soliden finanziellen Fundament. Die Eigenkapitalquote beträgt über 63%, es sind keine nennenswerten Finanzschulden vorhanden und von den knapp 49 MEUR Bilanzsumme entfallen ca. 31 MEUR (beinahe die gesamte Marktkapitalisierung) auf Zahlungsmittel (21,8 MEUR) und kurzfristige Finanzanlagen (9 MEUR). Das gesamte Umlaufvermögen abzüglich aller Verbindlichkeiten beträgt ca. 28,7 MEUR. Der Anteil immaterieller Vermögenswerte am Eigenkapital ist verschwindend gering. Die Umlaufintensität ist bei den meisten Softwarehäusern, die nicht soviele Entwicklungsaufwendungen kapitalisieren und aktivieren, ziemlich hoch und beträgt demnach auch bei der Beta Systems weit über 90%. Eventualschulden im herkömmlichen Sinn bestehen nicht, allerdings sind die Gesamtaufwendungen aus nicht kündbaren Leasing-Verhältnissen (vor allem für Büroräumlichkeiten) zu erwähnen, die sich auf insgesamt über 8 MEUR für die nächsten Jahre belaufen. Aus meiner Sicht sollten diese aber ohne Probleme aus den künftigen Umsätzen bedienbar sein, weshalb für mich derzeit keine Zweifel an der Bonität bestehen.
Verschiedenes
Der Kernaktionär der Beta Systems AG ist mit über 50% (mit Ende Juni 2014 50,02%1) die (ebenfalls im Bargain-Portfolio befindliche) Deutsche Balaton AG. Das Unternehmen stellt im Rahmen der Konzernberichterstattung der Balaton ein eigenes Segment dar und wird dort vollkonsolidiert. Wenn man heutzutage deutsche Aktien mit einem dominanten Kernaktionär erwirbt, muss man in die Bewertung und in das Chance-/Risikoverhältnis immer auch die Gefahr eines plötzlichen Delistings einbeziehen. Umso mehr gilt das für Aktiengesellschaften, die im Börsesegment Entry Standard notiert sind. In dieser Konstellation ist für mich das Delisting-Risiko zumindest etwas geringer bzw. leichter überschaubar, da der Kernaktionär seinerseits auch an der Börse notiert und relativ transparent über das Unternehmen berichtet. Solange also die Berichte der Balaton einsehbar sind, wäre auch ein Delisting auf Ebene der Beta Systems eher unproblematisch. Da ein Delisting außerdem zumeist mit wirtschaftlichen Vorteilen für den veranlassenden Kernaktionär verbunden ist, stellt eine Beteiligung am Kernaktionär ihrerseits zumindest einen geringfügigen Hedge dar. Gegen ein Szenario, in dem beide Unternehmen von der Börse gehen, schützt einen das aber freilich nicht. Außerdem ist mir die Deutsche Balaton bisher als relativ weitsichtiger und wertorientierter Investor aufgefallen (möglicherweise abgesehen von den China-Engagements, wo es allerdings für eine Beurteilung noch zu früh ist). Die langfristige Kursentwicklung der Balaton-Aktie sowie die laufenden Aktienrückkäufe dienen als Indizien hierfür. Außerdem hat die Balaton in der Vergangenheit schon mehrere erfolgreiche Investments im Software-Bereich getätigt (z.B. bei der Nemetschek AG).
Die Vergütung des Managements ist aus meiner Sicht im Rahmen des Erträglichen. Im abgelaufenen Jahr war sie sogar verhältnismäßig niedrig (weniger als eine halbe MEUR), jedoch ist aufgrund der unlängst erfolgten neuerlichen Vergrößerung des Vorstands davon auszugehen, dass dieser Kostenpunkt in Zukunft etwas ansteigen wird. Die variable Vergütungskomponente ist an die Entwicklung des EBIT gekoppelt und kann im Einzelfall vom Aufsichtsrat auch auf eine Koppelung an das EBT (Vorsteuerergebnis) umgestellt werden. Dieser Maßstab ist zwar nicht perfekt, weil er nicht auf die pro Aktie vorhandene Wertsteigerung Rücksicht nimmt und in der Standardausführung auch von der Verschuldung und vom Zinsaufwand entkoppelt ist. Immerhin kann der Aufsichtsrat aber auf letzteres reagieren. Es befinden sich derzeit außerdem meines Wissens nach keine Optionen im Umlauf.
Aus dem Punkt „Beziehungen zu nahestehenden Personen“gehen keine Geschäfte hervor, die aus meiner Sicht irgendwie alarmierend wären. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurde mit der Heidelberger Beteiligungsholding, einer Tochter der Balaton, ein Genussrechtsgeschäft abgeschlossen, und zwar in Höhe von ca 3,8 MEUR. Sollten sich derartige Geschäfte wiederholen und vor allem der Höhe nach umfangreicher wären, müsste man die Investment-Situation erneut beurteilen, insbesondere dann, wenn die HDBH in finanziellen Schwierigkeiten sein würde. Außerdem wurden mit der Consultingfirma des ehemaligen CFO Geschäfte im niedrigen sechsstelligen Ausmaß getätigt. Ganz lassen sich solche Naheverhältnisse natürlich nicht aufklären bzw. vermeiden und auch die tatsächliche Marktüblichkeit ist nicht überprüfbar. Aber solange sich die Beträge im Rahmen bewegen, kann man meiner Meinung nach darüber hinweg sehen.
Ein Problem, das noch am Rande erwähnt werden sollte, ist, dass sich die Gesellschaft seit kurzem in Rechtsstreitigkeiten mit zwei ehemaligen Vorständen befindet. Die Streitwerte der beiden Prozesse betragen insgesamt etwas mehr als eine halbe Million Euro, liegen also weit davon entfernt, existenzbedrohend zu sein.
Zur Bewertung
Wenn ein Software-Unternehmen mit einem bereits marktfähigen Produkt, nennenswerten Umsätzen und einem nicht grauenhaft negativen Cashflow in etwa um seine Geldbestände beziehungsweise nur knapp über der Höhe des Netto-Umlaufvermögens gehandelt wird, ist dessen Bewertung per se meiner Meinung nach eigentlich so gut wie immer irrational. Bei Softwarehäusern ist das wesentliche Asset wenig überraschend die Software sowie das Knowhow der Mitarbeiter und deren Verknüpfungen mit den Kunden. All diese Dinge sind für gewöhnlich – sofern nicht Entwicklungskosten in signifikantem Ausmaß aktiviert werden – nicht in der Bilanz zu finden, wenn sie originär geschaffen wurden. Wenn man die Beta Systems derzeit also für einen Marktpreis von etwas mehr als 33 MEUR erwerben kann, bezahlt man für diese Assets, die momentan einen Jahresumsatz von über 30 MEUR erzeugen, nicht einmal 5 MEUR.
Selbstverständlich ist anzumerken, dass derzeit kein Gewinn erzielt wird, sondern beispielsweise im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Minus von etwas über 2 MEUR „produziert“ wurde (nach einem moderaten Plus im Vorjahr). Diese Tatsache ist für mich aber aus mehreren Gründen vorerst nicht weiter beunruhigend. Einerseits wurde trotzdem ein positiver Cashflow erzeugt. Andererseits geht aus dem Lagebericht hervor, dass die Kapazitäten ausgeweitet wurden und man deutlich mehr Geld für F&E ausgegeben hat. Die Ausweitung dieser Kapazitäten im Konzern ist auch insofern erkennbar, als dass die Mitarbeiterzahl im abgelaufenen Jahr von Stichtag zu Stichtag von 239 auf 271 Mitarbeiter gestiegen ist. Insgesamt wurden über 7 MEUR für F&E-Tätigkeiten ausgegeben. Generell meine ich, dass der Großteil der Kosten (v.a. der Personalaufwand) im Konzern halbwegs skalierbar ist, sofern sich abzeichnen würde, dass das Geschäft sich dauerhaft verschlechtert. Unter diesen Voraussetzungen ist es meines Erachtens irrational, wenn man ein Softwareunternehmen quasi um den Preis seiner Cashbestände erwerben kann, weil der Markt dann de facto einpreist, dass die Gesellschaft aus ihrem Softwarebestand in Zukunft zu 100% keine positiven Cashflows produzieren kann. Abgesehen davon ließe sich bei der derzeitigen Bilanz- und Vermögenssituation – würde man die Beta um diesen Preis gänzlich erwerben – quasi der gesamte Kaufpreis via Direktverwendung oder über eine „leveraged recap“ sofort vom Käufer entnehmen bzw. für Aktienrückkäufe oder sonstige Manöver einsetzen.
Vorläufiges Fazit
Die Beta Systems AG passt für mich weiterhin sehr gut als „cigar butt“ in mein Portfolio. Angesichts der unlängst erfolgten Kapazitätsausweitungen und der extrem günstigen Bewertung in Relation zu Netto-Umlaufvermögen, Cashbeständen sowie einer halbwegs variablen Kostenstruktur erachte ich die downside im Hinblick auf einen dauerhaften Kapitalverlust als ziemlich gering. Man sollte allerdings bei einem Engagement die für Value Investoren übliche Geduld mitbringen, da sich die positiven Geschäftsentwicklungen wahrscheinlich erst in den nächsten zwei bis drei Jahren voll entfalten werden.
1 http://www.deutsche-balaton.de/beteiligungen.htm
Der Beitrag Quickcheck Beta Systems AG erschien zuerst auf Bargain.
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