IBM ist mittlerweile die größte Position in meinem Portfolio. Ich besitze die Aktien nun seit über einem Jahr und sie haben sich bisher – zumindest unter dem Strich – nicht besonders viel bewegt. Eigentlich hat mir hauptsächlich der schwächere Euro in Relation zum US-Dollar quasi „den Hintern“ gerettet, so das nach Berücksichtigung der Dividenden ein kleines Plus von 3 oder 4 Prozent seit meinem Einstieg im Oktober/November 2013 zu Buche steht, was bis dato eine grauenhafte underperformance zu allen nennenswerten Aktienmärkten (und eine deutliche outperformance zum runtergeprügelten ATX) darstellt.
Ich bin ein Freund von „reduzierenden“ Denkansätzen, weil ich die Auffassung vertrete, dass sich auch komplexere Situationen auf einige wenige Kerngedanken herunterbrechen lassen müssen. Hierzu hilft es freilich enorm, seine Gedanken zu Papier zu bringen und von Zeit zu Zeit darüber zu brüten. Man formuliert sozusagen eine einfache Investmentthese und analysiert in regelmäßigen Abständen die neu hinzukommenden Fakten und Informationen dahingehend, ob sie geeignet sind, die Investmentthese in Frage stellen oder sogar zu Fall zu bringen. Bei IBM lässt sich meines Erachtens der zukünftige Erfolg auf drei Kernelemente reduzieren.
Erstens muss – wie bei jedem Unternehmen – die finanzielle Stabilität gewährleistet sein. Auf Basis traditioneller Kennzahlen wie Goodwill-Quote, Eigenkapitalquote oder Gearing wäre IBM eigentlich ein klassisches No Go. Die bilanzielle Eigenkapitalquote liegt irgendwo bei 10%, das Gearing im mittleren dreistelligen Prozentbereich und die Summe des Goodwills ist ungefähr doppelt so hoch wie das gesamte Eigenkapital. Trotzdem meine ich, dass IBM relativ solide finanziert ist. Zunächst wäre ein negatives Eigenkapital (bei Abschreibung des gesamten Goodwills) kein großes Problem und vor allem kein Insolvenztatbestand, wenn die Zahlungsfähigkeit außer Zweifel steht. Es hängt also alles von der Schuldentilgungsfähigkeit ab. Zunächst glaube ich, dass die Cashflows von IBM zu den stabilsten in der Branche gehören. Viele Zahlungsflüsse gehen aufgrund von mehrjährigen Serviceverträgen ein, und man hat einen weltweit diversifizierten Kundenstock. Außerdem würde ich sogar soweit gehen, zu sagen, dass IBM fast „net cash“ im weiteren Sinne hat. Zunächst sieht man nur die gut 45 Milliarden Finanzschulden, die einem Eigenkapital von 14,x Milliarden USD gegenüberstehen. Man hat knapp 9,6 Mrd. Cash, weshalb eine Nettofinanzverschuldung von 35,4 Mrd. USD verbleibt. Allerdings hat man nicht weniger als 37,5 Mrd. USD Forderungen an einen gut diversifizierten Kundenstock, wovon der Großteil aus den Finanzleasinggeschäften stammt. Aus meiner Sicht wären diese Forderungen im Notfall innerhalb kürzester Zeit ohne erhebliche Abschläge zedier- und somit monetisierbar. Solange sich an dieser Konstellation nicht besonders viel ändert, beunruhigen mich die auf den ersten Blick alarmierenden Finanzkennzahlen nicht weiter.
Zweitens ist entscheidend, wie ein Unternehmen sich gegenüber den Aktionären verhält. Ich denke, dass IBM hier ein Musterbeispiel darstellt. Seit ich die IBM-Aktien gekauft habe, hat sich die ausstehende Aktienzahl um mehr als 10% reduziert (in einem Jahr!). Weitere Rückkäufe wurden bewilligt. Meines Erachtens liegen diejenigen, die IBM „Gewinnmanipulation“ durch die Aktienrückkäufe vorwerfen, schlicht und einfach falsch. Aktienrückkäufe sind – und da könnten sich österreichische CEOs eine Nachhilfelektion gönnen – genauso eine Form von Kapitalallokation, wie die Errichtung einer neuen Fabrik oder der Zukauf eines anderen Unternehmens. Dort, wo die Platzierung von Kapital die höchste Rendite verspricht, hat das Geld hinzufließen, und wenn man ein Geschäft mit 5 Prozent Gesamtkapitalrendite betreibt, macht es mehr Sinn, Aktien dieses Geschäfts zum halben Buchwert rückzukaufen, als dieses Geschäft im tatsächlichen Volumen zu vergrößern. In diesem Punkt ist IBM meines Erachtens beispiellos.
Drittens – und das ist meiner Meinung nach der wichtigste Punkt – steht die Frage im Raum, ob die langfristige Unternehmensstrategie stimmt. Gerade hier setzt ja die klassische bzw. typische Kritik an IBM an: man investiere nicht genug ins eigene Geschäft, man falle hinter Google und Konsorten zurück, man schaffe kein Umsatzwachstum und so weiter. Auch hier bin ich zur Auffassung gelangt, dass die Kritiker falsch liegen. Die Strategie von IBM für die nächsten Jahre sowie deren Prämissen werden klipp und klar dargelegt, einerseits auf der Homepage und andererseits bereits auf den ersten Seiten des Geschäftsberichtes 2013. Deren Grundüberlegung ist, dass das global produzierte Datenvolumen Jahr für Jahr erheblich steigt. Der überwiegende Großteil dieser Daten ist unstrukturiert und unorganisiert (unzusammenhängende Texte, Tweets, Bilder, Literatur, Online-Nachschlagewerke, Kundendaten). Daraus resultieren mehrere Notwendigkeiten. Erstens müssen diese Daten gesammelt, gespeichert und zugänglich gemacht werden. Sie müssen strukturiert und aufbereitet werden. Und sie müssen mit einer guten Software ausgewertet werden. Das ist eine Notwendigkeit, vor der man die Augen nicht verschließen kann und deren Bedeutung meines Erachtens erst ganz am Anfang steht. Für all diese Notwendigkeiten hat IBM aus meiner Sicht sowohl die besten Lösungen als auch den besten Draht zur Unternehmenswelt aufgrund eines beispiellosen Netzwerkes an Repräsentanzen in quasi jedem nennenswerten Land dieser Erde. Diese beiden Faktoren (Vernetzung mit der Unternehmenswelt und eine brauchbare Software zur Datenauswertung) sind meiner Meinung nach die Tragpfeiler dafür, um in Zukunft von dieser Transformation der IT-Landschaft zu profitieren. Zur Vernetzung mit der Unternehmenswelt kann beispielsweise angeführt werden, dass IBMs Clouddienste bereits von 80% der Fortune500 Unternehmen genutzt werden, sowie von 24 der 25 größten davon.
Was die Speicherung sowie vor allem die intelligente Auswertung der ständig wachsenden Datenmenge betrifft, ist – soweit ich das beurteilen kann – IBM meilenweit in Führung. Das High-End-Server-Geschäft von IBM steht meines Erachtens ohnehin nicht in Frage. Mit Watson (das ist das künstliche Superhirn, das vor drei Jahren Jeopardy gegen die zwei besten Spieler der Welt gewonnen hat) verfügt IBM außerdem über eine Art künstliche Intelligenz, eine Anwendung von „cognitive computing“. Dieser Algorithmus ist darauf ausgerichtet, Fragen und Problemstellungen, die in menschlicher Sprache formuliert eingegeben werden, dem Sinn nach zu erfassen und zu begreifen, sowie unter sekundenschneller Abgleichung mit der gesamten verfügbaren Datenmenge wahrscheinlichkeitsgewichtete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Das Schöne an dieser Sache ist, dass der Algorithmus durch die Interaktion mit den Experten, die ihn benutzen, ständig dazu lernt. Hier ist meines Erachtens auch der Wettbewerbsvorteil von IBM in der Zukunft „vergraben“: „cognitive computing“ wird umso mächtiger, je mehr Experten aus unterschiedlichen Branchen mit diesem Tool interagieren. Je mehr fachkundige Menschen Watson nutzen, desto universeller und leistungsfähiger wird es. Soweit ich weiß, gibt es von keinem Unternehmen aus der IT-Branche ein vergleichbares Tool, das schon so breit eingesetzt wird und die extrem feste Verankerung von IBM in den IT-Abteilungen dieser Welt (egal welcher Branche) wird es noch viel mächtiger machen. Die Anwendungsfelder sind enorm und reichen vom medizinischen Bereich, wo Ärzte auf der ganzen Welt in Sekundenschnelle via in natürlicher Sprache geführtem Dialog mit einem Computer auf den Erfahrungsschatz der renommiertesten Ärzte des jeweiligen Fachs zugreifen können, bis hin zu voll automatisierten Helpdesks, die Callcenter auf der ganzen Welt ersetzen könnten.
Je mehr ich mich mit den Produkten und Dienstleistungen von IBM sowie deren Funktionalitäten auseinander setze, desto eher komme ich zur Überzeugung, dass sie sich ihre riesigen Aktienrückkäufe durchaus leisten können.
Gedanken zum Portfolio insgesamt
Nachfolgend möchte ich noch ein paar grundsätzlichen Überlegungen zum Gesamtportfolio darlegen: Wenn man sich das bargain-Portfolio nämlich anschaut, so erkennt man, dass dessen zukünftige Performance im Prinzip von ganz wenigen unterschiedlichen Entwicklungen abhängen wird. Alle im Portfolio befindlichen Titel lassen sich auf eine Handvoll Konzepte und Ideen reduzieren, die teilweise auf quantitative Value-Strategien zurückzuführen sind, und teilweise auf qualitative Merkmale.
Die offenkundig größte „Position“ ist die Wette auf den Ölmarkt, wenngleich diese sich auf mehrere verschiedene Titel aufteilt. Der hier zugrundeliegende Gedanke ist einfach: ich bin davon überzeugt, dass Öl auch in den nächsten Dekaden eine entscheidende Rolle im weltweiten Energiemix spielen wird. Außerdem meine ich, dass die derzeitigen Verwerfungen am Ölmarkt diese Bedeutung mittel- bis langfristig nur noch verstärken. Niedrige Öl- und vor allem Spritpreise werden dazu führen, dass die Verbrauchsbasis gemessen am Volumen wächst und gefestigt wird (kann man eigentlich Tesla shorten?). Die Tatsache, dass sehr viele unabhängige Ölförderer in den USA extrem hoch verschuldet sind, sollte außerdem dazu führen, dass der Markt bereinigt wird. Hiervon profitieren meines Erachtens stark finanzierte Ölförderer überhaupt sowie integrierte Ölkonzerne im Speziellen. Der kurzfristig stark gesunkene Ölpreis führt klarerweise zu einer drastischen Kürzung der Explorationsaufwendungen, was wiederum zur Konsequenz haben sollte, dass die Erschließung neuer Ölfelder zur Ersetzung derjenigen, die jetzt ausgebeutet werden, auf die lange Bank geschoben wird. Freilich kann ich nicht einschätzen, wie lange die Marktbereinigung dauern wird, oder ob der output zur Stützung des Preises vielleicht schon früher reduziert wird, aber die Kombination aus den genannten Faktoren sollte eine goldene Zukunft für jene Unternehmen bedeuten, die die nächsten Jahre überleben, wenn eine natürliche Verknappung des langfristigen Angebots (Ausfall bestimmter Förderer sowie geringere Erschließung neuer Felder wegen gestrichener Explorationsaufwendungen) auf eine steigende Nachfragebasis (durch wachsenden Verbrauch) trifft. Meine geplante Vorgangsweise in Bezug auf diese Investmentidee sieht so aus, dass ich zuwarte und gegebenenfalls bei einem Unternehmen reagiere, wenn ich der Meinung bin, dass seine finanzielle Position nicht mehr als gesichert anzusehen ist.
Eine weitere treibende Kraft wird – aus den bereits dargelegten Gründen – die Entwicklung von IBM sein. Entscheidend ist hier die Fähigkeit des Unternehmens, seine Marktposition zu verteidigen, von der genannten Transformation der IT-Landschaft zu profitieren und gleichzeitig sowohl die gesicherte Finanzkraft wie auch seine beispiellose Aktionärsorientierung nicht zu verlieren. Es ist also zu überwachen, wie sich die finanzielle Stabilität entwickelt, wie viele Unternehmen weiterhin die Clouddienste von IBM nutzen werden und was sich im Bereich der künstlichen Intelligenz und dem cognitive computing tut. Wenn der Kurs von IBM sich weiter abschwächen sollte, wäre ich durchaus bereit, weiter zuzukaufen.
Eine andere wachsende Position ist Do&Co – wenngleich ich hier im Laufe des Jahres schon einen Teil verkauft habe. Die Grundüberlegung hier ist, dass die Gesellschaft ein gründergeführtes Unternehmen mit Aktionärsorientierung ist, mit einem CEO, der in der Vergangenheit eindrucksvoll seine Kompetenz und seinen enormen Arbeitswillen unter Beweis gestellt hat. Die Nachfolge scheint auch gesichert zu sein, da beide Söhne voll im Unternehmen eingebunden sind und aus verschiedenen Interviews und Medienauftritten ähnliche Wertvorstellungen und Arbeitswillen vermuten lassen. Man verfügt über beeindruckende Liquidität, gut ein Drittel der Marktkapitalisierung besteht noch immer aus Cash, Tendenz steigend. Die Wachstumsfelder sind vielfältig: durch die Errichtung neuer Gourmetküchen kann das Airline-Catering weiter ausgebaut werden. Das Konzept der umfassenden Flughafengastronomie – wie der unlängst gestartete Betrieb des „food corners“ am Flughafen Wien, kann repliziert werden, ebenfalls der Betrieb des Caterings am Zug. In den Städten, wo man bereits via Gourmetküche aktiv ist, können Henry-Restraurants eröffnet werden. Diese Bereiche weisen erhebliches Synergiepotenzial mit den anderen Segmenten Event Catering und Restaurants & Hotels auf, da durch gemeinsames Beschaffungswesen bei den Nahrungsmitteln und vor allem beim Personal (hier wird auch die geplante Do&Co Akademie eine große Rolle spielen, da ich denke, dass die wichtigste „Ressource“ in diesem Geschäft qualifiziertes Personal ist) Kosten- und Logistikvorteile gegenüber der Konkurrenz gehoben werden können. Meiner Meinung nach ist Do&Co derzeit ein Buy-and-Hold-Unternehmen par excellance (wenngleich nicht billig genug für einen Einstieg).
Das letzte wichtige Konzept im Bargain-Portfolio sind die cigar butts. Es findet sich eine größere Anzahl Unternehmen in der Auswahl, die in Relation zu ihrem Asset-Wert (vor allem zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen) um einen sehr günstigen Preis gehandelt werden. Die Idee ist, dass diese Titel im Durchschnitt im Verlauf der Zeit an Wert gewinnen. Als stellvertretendes Paradebeispiel kann die bereits im Blog behandelte Vianini Lavori genannt werden, die noch immer über wesentlich mehr mark-to-market-Wertpapiere (nach Abzug aller Schulden) verfügt, als die Marktkapitalisierung ausmacht.
Der Beitrag IBM und das Portfolio… erschien zuerst auf Bargain.
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