Die OMV AG wurde in diesem Blog schon einmal im Rahmen eines Quickchecks behandelt. Im folgenden kurzen Artikel möchte ich eine weitere Möglichkeit zur Bewertung der OMV vorstellen, die meiner Meinung nach besser für den außenstehenden Privatinvestor (oder OPMI für „outside passive minority investor“, wie es Martin Whitman einmal formuliert hat) darstellbar ist.
Gerade bei der OMV ist ein Problem bei der Veröffentlichung der Informationen besonders evident (freilich gilt das für die meisten größeren Aktiengesellschaften). Das Reporting wird in drei Geschäftsbereiche aufgeteilt, nämlich Exploration & Production (E&P), Refining&Marketing (R&M) sowie Gas&Power (G&P). In diese drei Segmente werden kunterbunt gemischt durch alle geographischen Regionen verschiedenste Konzerntöchter hineingepackt. Die meisten Analysten nehmen nun meines Wissens nach, wenn sie ein einzelnes Segment bewerten, einfach irgendwelche EBIT-Multiples an, die kaum risikoadjustiert werden können.
Bei einem komplexen und international tätigen Geflecht von Konzernunternehmen kann man schon mal relativ leicht den Überblick verlieren, von daher kann ich erstens keine Garantie übernehmen, dass ich in meine Überlegungen keine Fehler eingebaut habe und zweitens musste ich teilweise sehr stark vereinfachen, allein schon, um selbst auch nur irgendwie den Durchblick zu bewahren.
Meine Idee ist, das OMV-Konglomerat in einige leichter verständliche und einfacher bewertbare Brocken zu zerteilen und die Bewertung dann als attraktiv anzusehen, wenn die einfacher bewertbaren Teile für sich genommen schon einen ähnlichen Wert aufweisen wie die Marktkapitalisierung insgesamt. Man kann dann quasi die schwerer quantifizierbaren Assets, von denen man nur sagen kann, dass sie „etwas“ wert sind, als margin of safety ansehen. Sinn der ganzen Sache ist weniger das Erreichen einer akkuraten Unternehmensbewertung der OMV, sondern vielmehr eine brachbare Übersicht über die möglichen Werte der einzelnen Bereiche, die etwas losgelöst vom (meiner Meinung nach für den OMV-Aktionär unbrauchbaren) Darstellung durch das Unternehmen selbst.
Ausgegangen bin ich von der Auflistung der in den OMV-Konzern einbezogenen Tochtergesellschaften, die aus dem Jahresabschluss 2013 auf den S. 147ff zu entnehmen ist.
Die aus meiner Sicht wichtigsten Gesellschaften, die in der „Konzernhierachie“ direkt unter der Mutter zu finden sind, sind:
Für meine Betrachtung von Bedeutung sind zunächst vor allem die Petrom, die Petrol Ofisi, und die Refining & Marketing GmbH.
Die Petrom ist eine 51%ige Tochter von der OMV, das heißt, sie wird im Konzernabschluss vollkonsolidiert. Hierbei handelt es sich um ein ehemals verstaatlichtes Öl- und Gasunternehmen aus Rumänien, dessen Streubesitz aber immer noch an der Börse notiert. Mit Ende dieser Woche (5.12.) lag die Marktkapitalisierung bei ca 26 Mrd. Rumänischen Leu, bzw. ca. 5,9 Mrd. Euro. Der auf die OMV entfallende Anteil wäre hiernach also ca. 3 Mrd. Euro wert. Da die OMV allerdings die Kontrolle über dieses Unternehmen hat, ist aus meiner Sicht ein „Kontrollaufschlag“ für dieses Aktienpaket angebracht. Wie hoch dieser im Detail sein kann, ist wahrscheinlich eine Streitfrage, ich finde aber 30% Aufschlag auf den Wert des Streubesitzes nicht übertrieben. Demnach kann für das Petrom-Aktienpaket ein Wert von 3,9 Mrd. Euro veranschlagt werden. Da die Petrom selbst auch noch knapp unter Buchwert notiert, obwohl sie in den letzten Jahren zweistellige EK-Renditen bei einer EK-Quote von deutlich über 60% erwirtschaftet hat, könnte man darüber argumentieren, ob der Marktwert der Petrom nicht auch noch unterbewertet wäre.
Das selbe Spiel in Grün kann man für das türkische Geschäft anstellen, nämlich für die Petrol Ofisi. Hier notieren nur mehr 3 oder 4% Streubesitz an der Börse, auf Basis dieses Streubesitzes würde man die gesamte Petrol Ofisi (umgerechnet von Türkischer Lira in Euro) mit knapp einer Mrd. Euro bewerten. Auch hier ist aus meiner Sicht eine Kontrollprämie von 30% angebracht, weshalb man die Petrol Ofisi Beteiligung mit mindestens 1,3 Mrd. Euro ansetzen kann.
Der nächste, hochinteressante Bereich ist die Refining & Marketing GmbH. Hier enthalten sind, soweit ich das verstanden habe, die beiden Raffinerien Wien-Schwechat und Burghausen, alle jene Tankstellen (über VIVA), die nicht in der Petrol Ofisi gebündelt sind (deutlich über 2000) sowie der Großteil der 36%igen Beteiligung am Spezialchemiekonzern Borealis.
Zunächst zur Borealis. Im Jahr 2013 hat der Borealis-Konzern laut seinem Jahresabschluss 423 Mio. Euro verdient, in den Jahren zuvor waren es 480 bzw. 507 Mio. Euro. Wenn ich hier mit einer Ertragskraft von 450 Mio. Euro rechne, entfallen 162 Mio. auf die OMV. Mit einem fairen KGV von 14 bewertet wäre die Borealis-Beteiligung knapp 2,26 Mrd. Euro wert. Kontrollprämie ist hier keine angebracht, da die Borealis von der IPIC kontrolliert wird und nicht von der OMV.
Die beiden Raffinerien Schwechat und Burghausen verfügen über eine Kapazität von insgesamt 13,2 Mio. Tonnen (Jahresnominalkapazität). Das entspricht einer Kapazität von >270 tsd bbl/Tag. Was könnten nun diese beiden Raffinerien wert sein? Ich habe nach einiger Recherche im Internet nur eine Vergleichstransaktion aus der jüngeren Vergangenheit gefunden, wo von BP eine Raffinerie mit 475 tsd bbl/Tag Kapazität für 2,4 Mrd. US-Dollar verkauft wurde1. Mir ist bewusst, dass ich hier möglicherweise Äpfel mit Birnen vergleiche, aber als groben Anhaltspunkt kann man so etwas meiner Meinung nach schon in eine Analyse einbauen. Heruntergebrochen auf die OMV-Kapazitäten (57% der BP-Transaktion) könnte man einen Preis von knapp 1,4 Mrd. USD bzw. 1,15 Mrd. Euro für die OMV-Raffinerien ansetzen. Ich persönlich veranschlage hier allerdings einen deutlich höheren Wert (2 Mrd.). Erstens, weil vor allem Schwechat in Österreich eine besonders große strategische Bedeutung hat (jeder zweite Liter Treibstoff, der in Ö verbraucht wird, kommt von dort2), zweitens, weil meiner Meinung nach Raffinerien in Österreich und Deutschland wegen höherer Umweltauflagen einen größeren Wert haben als in Texas und drittens, weil ich der Auffassung bin, dass durch den niedrigen Ölpreis derzeit das Raffineriegeschäft eine Wiedergeburt erleben könnte (fix vorgegebene Kapazitäten müssen einen preisbedingt steigenden Spritverbrauch bewältigen, weshalb die Raffineriemargen steigen sollten).
Außerdem sind in diesem Segment die Tankstellen, die der OMV-Konzern betreibt, gebündelt. Insgesamt gibt es derzeit ca. 4200 Tankstellen, wovon allerdings 2160 (lt. Jahresbericht 2013) von der Petrol Ofisi betrieben werden und einige hundert (genau konnte ich das auf die schnelle nicht evaluieren, vor einigen Jahren waren es knapp über 8003) von der Petrom. Wenn ich konservativ davon ausgehe, dass 1000 der 4200 Tankstellen nicht von Petrom oder Petrol Ofisi betrieben werden, und pro Tankstelle einen Nettowert von 800 TEUR bis 1 MEUR ansetze (was vorerst eine Schätzung ins Blaue darstellt, ich aber noch genauer nachlesen werde), komme ich auf einen Wert für diese Tankstellen von 0,8 bis 1 Mrd. Euro.
Als nächstes kommt die OMV Gas & Power GmbH an die Reihe. Hierin sind unter anderem die 64%ige Tochter EconGas und die 100%-Tochter GasConnect enthalten. Letzterer ist ein Betreiber eines in Österreich ebenfalls strategisch wichtigen 930 km langen Hochdruckleitungsnetzes für Erdgas4. Das ist knapp die Hälfte des gesamten Österreichischen Ferngasnetzes. Hier tue ich mir extrem schwer, auch nur einen halbwegs brauchbaren Wert anzusetzen. Es dürfte aber nicht völlig daneben liegen, hier davon auszugehen, dass die Reproduktionskosten für ein derartiges Gasnetz in astronomischen Höhen liegen. Ich nehme hier vorerst eine halbe Mrd. an, wobei ich noch weiter recherchieren und gegebenenfalls weitere Ergebnisse mit einem neuen Artikel mitteilen werde.
Auch die EconGas ist schwer zu bewerten, da sie einerseits ein negatives Eigenkapital aufweist und andererseits in den letzten Jahren Verluste gemacht hat (year to date soll sie allerdings positiv sein). Dieses Unternehmen fällt für mich eigentlich in die Kategorie „ist etwas wert, aber ich habe keine Ahnung, wie viel“. Mangels anderer Anhaltspunkte bewerte ich die EconGas mit einem extrem niedrigen Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,1. Der Jahresumsatz belief sich auf knapp 9,7 Mrd. Euro, weshalb man als ersten Anhaltspunkt einen Unternehmenswert von 970 Mio. Euro, bzw. 620 Mio. Euro für den auf die OMV entfallenden Anteil annehmen kann. Würde man das Ertragslevel von 2010 wieder erreichen (>70 Mio. Jahresüberschuss), wäre das sogar eine konservative Schätzung (ob das gelingen kann, weiß ich natürlich nicht).
Zwischenergebnis
Das ergibt einen Wert von 6,68 Mrd. Euro oder über 20 Euro je Aktie (bei 327 Mio. Stück). Eine erste Schlussfolgerung, die ich aus dieser Einschätzung ziehen kann und die für mich von überragender Bedeutung ist, ist die Tatsache, dass auf Holding-Ebene wesentlich mehr (auch via Marktgängigkeit veräußerbare) Vermögenswerte als Schulden vorhanden sind. Die finanzielle Stabilität des Unternehmens scheint also (vorbehaltlich etwaiger Patronatserklärungen für die Töchter, die ich nicht nachprüfen kann) gewährleistet.
Es sei darauf hingewiesen, dass ich beispielsweise die erst unlängst in Betrieb genommenen Gaskraftwerke, die dem Segment Gas&Power zugeordnet sind, ausgeklammert habe. Aufmerksame Leser werden außerdem bemerken, dass ich hier noch kein Wort über die Explorations- und Produktions-Assets der OMV verloren habe. Diese Assets möchte ich bei weitem nicht aussparen, allerdings in anderer Form in die Bewertung einbeziehen. Teilweise wurden diese Assets zunächst auf Ebene der Petrom und der Petrol Ofisi schon mitberücksichtigt, signifikante Teile der Produktion der OMV laufen aber außerhalb dieser beiden Töchter via E&P GmbH. Diese Anteile möchte ich in einer unkonventionellen Betrachtung als Margin of Safety sehen. Das heißt alles, was in diesem Segment produziert, generiert und als Asset zugeordnet ist, stellt das Wertsteigerungspotenzial der Aktie vom jetzigen Preisniveau sowie das Sicherheitspolster gegenüber weiteren unvorhersehbaren Entwicklungen dar.
Kurz zusammengefasst sieht man einerseits, dass die finanzielle Stabilität der OMV gewährleistet sein sollte und andererseits, dass – wenn man die in dem Artikel verwendeten Einschätzungen teilt –das gesamte E&P-Geschäft der OMV, welches nicht via Petrom getätigt wird, und in welches in den letzten Jahren laut diversen Medienberichten mehrere Milliarden investiert wurden5, derzeit durch den Markt mit beinahe Null bewertet wird. Mit meiner kleinen Position in der OMV fühle ich mich also trotz Minus sehr wohl und ich werde weitere Kursverfälle in den Bereich von 20 oder 21 Euro je Stück aller Wahrscheinlichkeit nach zum Ausbau dieser Position nutzen.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass diese Einschätzung auch ihre Schwächen hat und zum Teil auf sehr vagen Annahmen beruht, sie hat hoffentlich trotzdem mein Minimalziel erreicht, nämlich eine etwas differenziertere Sicht auf die OMV zu verschaffen.
3 http://www.mysynergis.com/cms/upload/pdf/PetromWebGIS_de.pdf
4 http://www.gasconnect.at/de/Unternehmen/Wer-ist-GCA
5 siehe zum Beispiel http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1442740/OMV-investiert-Milliarden-in-NordseeBeteiligungen
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