Nach längerer Zeit gibt es mal wieder einen Blick auf ein Unternehmen aus dem deutschen Markt. Die Suche nach klassischen Value-Unternehmen – ob nun als buy-and-hold Gelegenheit mit einem langfristigen Wettbewerbsvorteil oder in Form eines cigar butts – hat sich in letzter Zeit dort etwas mühsam gestaltet. Einerseits ist der Markt generell schon relativ hoch und bietet per definitionem weniger Schnäppchen als vielleicht 2009 oder 2011/12, andererseits baumelt über Deutschland nun schon seit einem Jahr das Damoklesschwert des Delistings ohne nennenswerten Kleinanlegerschutz. Allerdings hat sich bisher zumindest meine Befürchtung, dass das zu zahlreichen Rückzügen führen könnte, nicht bewahrheitet. Beobachten muss man das aber trotzdem weiterhin – vor allem in einem allfälligen groben Marktrücksetzer, durch den die Anzahl der günstig bewerteten Unternehmen stark ansteigt, ist die Wahrscheinlichkeit eines Delistings möglicherweise größer.
Allgemeines
Die MeVis AG ist ein Small Cap (derzeit gut 23 Mio. Euro), der sich in seinem Kerngeschäft auf die Herstellung und die Wartung von Software für den medizinischen Bereich fokussiert. Man entwickelt Applikationen vor allem für die Krebsfrüherkennung und vermarktet diese an Hersteller von medizinisch-technischen Produkten.
Auf das Unternehmen selbst bin ich durch einen der bei mir beliebtesten Screens – die Suche nach niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnissen in Kombination mit hoher Eigenkapitalquote – aufmerksam geworden. Diese Kombination mag ich deswegen, weil sie zwei der für mich bei einem Investment wichtigsten Kriterien, nämlich das Vorhandensein von bewertbaren Assets und das Nichtvorhandensein von übermäßig vielen Schulden indiziert. Man darf jetzt aber nicht so naiv sein zu glauben, dass jedes Unternehmen, das beispielsweise die Kriterien eines KBV unter 1 und einer EK-Quote über 50 oder 60% erfüllt, ein Value Investment ist. Entscheidend ist die Qualität der Assets, die Zusammensetzung der Fremdkapitalpositionen, eventuell vorhandene außerbilanzielle Verbindlichkeiten wie übermäßig hohe Leasingzusagen und letztendlich auch das Funktionieren des Kerngeschäfts.
Auf Basis der Halbjahresbilanz 2014 weist die MeVis folgende Daten auf:
KBV etwas über 0,8 (hier muss man aufpassen, dass die Zahlen auf finanzen.net nicht gänzlich korrekt sind, da das Unternehmen eigene Aktien hält, die bei der Aktienzahl auf finanzen.net nicht abgezogen sind. Aus diesem Grund ist die Marktkapitalisierung des Unternehmens sowie das KBV zu hoch dargestellt).
EK-Quote 80%
Forward KGV laut finanzen.net etwas über 8
Laut einem ersten Blick scheint das Unternehmen also wirklich günstig zu sein und man kann sich meiner Meinung nach weiter damit beschäftigen.
Zusammensetzung der Assets
Woraus setzen sich die Assets im Wesentlichen zusammen? Laut Halbjahresbilanz 2014 ist der größte Posten jener der „Immateriellen Vermögenswerte“ mit 15,8 Mio. Euro, welche zu ca. 2/3 aus einem Firmenwert nach einer einzelnen Übernahme (Hologic) resultieren. Dieser Punkt muss vor einem Investment unbedingt weiter beleuchtet werden, insbesondere müssen die Fragen erörert werden, unter welchen Prämissen die Übernahme getätigt wurde, um welchen Preis insgesamt und vor allem auch, von wem zugekauft wurde. Meine Erfahrung zeigt immer wieder, dass Personen aus dem „Dunstkreis“ des Unternehmens (größere Aktionäre, Management, etc.) an die Gesellschaft eines ihrer (anderen) Unternehmen zu teils fragwürdigen Preisen veräußern. Wenn ich auf derartige Fragestellungen stoße, notiere ich sie mir meistens auf einer eigenen Checkliste, die ich nach einer weiteren oberflächlichen Beurteilung des Unternehmens abarbeite, falls ich mich dazu entscheide, das Unternehmen weiter zu verfolgen.
Nach den intangibles kommen zwei Posten, die ich immer sehr gern in der Bilanz eines Unternehmens sehe, nämlich einerseits „Zahlungsmittel“ in Höhe von 7 Mio. Euro und „sonstige finanzielle Vermögenswerte“ in Höhe von 8,4 Mio. Euro. Letztere sind laut erläuternden Angaben zum allergrößten Teil (>8 Mio.) marktgängige Wertpapiere. Wenn man stark vereinfacht davon ausgeht dass 10% des Jahresumsatzes in Cash erforderlich sein könnten, wären bei einem derzeitigen von ungefähr 14 Mio. (das ist das Vorjahresniveau) Euro ca. 1,5 Mio. der Cashreserven betriebsnotwendig. Finanzielle Verbindlichkeiten sind de facto kaum vorhanden (insgesamt gut 1 MEUR). Viel mehr würde ich persönlich bei dieser Bilanzstruktur nicht ansetzen.
Bewertung
Ganz offensichtlich sind also mit Sicherheit 13 bis 14 Mio. Euro an nicht betriebsnotwendigem Vermögen vorhanden, die derzeit auch kaum Erträge liefern (laut aktueller GuV nicht einmal 200 TEUR pro Jahr). Hier könnte meiner Meinung nach – entsprechendes Management bzw. einen Katalysator vorausgesetzt – erhebliches Wertsteigerungspotenzial versteckt sein. Der Kaufpreis des gesamten Unternehmens (d.h. die Marktkapitalisierung) beläuft sich derzeit bei 1,72 Mio. ausstehenden Aktien (>5% hält das Unternehmen ja selbst) auf ca. 23,2 Mio. Euro, wobei unter Berücksichtigung des zuvor identifizierten nicht betriebsnotwendigen Vermögens kaum 10 Mio. Euro auf das operative Geschäft entfallen. Unabhängig von einem möglichen Katalysator – hierzu weiter unten – bietet dieser Berg an nicht betriebsnotwendigem Vermögen auch eine erhebliche Margin of Safety gegen Ertragsverschlechterungen im laufenden Geschäft. Wenn man sich die Bilanzstruktur ansieht, ist ein Totalverlust des investierten Kapitals durch eine Pleite des Unternehmens – außer im Falle einer gefälschten Bilanz (Gott bewahre) – de facto nicht möglich: 15 MEUR sofort liquidierbares Vermögen stehen insgesamt 7 MEUR Verbindlichkeiten gegenüber.
Letztendlich hängt hier also alles von der Frage ab, was dieses operative Geschäft wert ist. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten. Man könnte zunächst einfach das momentane Ertragsniveau hernehmen. Im ersten Halbjahr 2014 wurden 1,7 Mio. Euro verdient. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr wären das 3,4 Mio. Euro Jahresgewinn. Was aber bei einem Blick auf die GuV sofort auffällt ist, dass kaum Steuern gezahlt werden. Möglicherweise zehrt man hier von Verlustvorträgen aus den Jahren 2010 und 2011, wo erhebliche Verluste geschrieben wurden. Je nachdem, wie weit diese Verlustvorträge noch reichen, sollte man das Ertragsniveau sicherheitshalber wahrscheinlich um 25 bis 30% nach unten korrigieren, wonach noch immer ungefähr 2,4 bis 2,55 Mio. blieben. Eine andere Möglichkeit wäre (auch aufgrund der Verluste in den Jahren 2010 und 2011), die Erträge aus den letzten Jahren aufzusummieren, einen Durchschnitt zu bilden und diesen ebenfalls mit einen höheren Steuersatz zu berichtigen. Da die beiden Verlustjahre aber offenbar hauptsächlich durch nicht cashwirksame außerplanmäßige Abschreibungen bedingt waren, macht diese Vorgangsweise für mich überhaupt keinen Sinn. Ich persönlich bevorzuge die dritte Möglichkeit, nämlich die Errechnung eines durchschnittlichen free cashflows aus den letzten Jahren.
2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | Gesamt | Durchschnitt | |
betr. CF | 2908 | 3071 | 4950 | 5107 | 5288 | 7483 | ||
Capex* | 4018 | 3040 | 3176 | 2798 | 2599 | 1856 | ||
Free CF | -1110 | 31 | 1774 | 2309 | 2689 | 5627 | 11320 | 1886.67 |
* diese setzen sich für mich zusammen aus den Invesitionen in das (materielle und imaterielle) Anlagevermögen sowie aus den „Auszahlungen für den Erwerb von aktivierten | ||||||||
Entwicklungskosten“, die ebenfalls im Investitionscashflow erfasst werden | ||||||||
Aus der Mehrjahresbetrachtung der Cashflowrechnung waren für mich mehrere Dinge erkennbar. Erstens sieht man, dass – wenig überraschend – für diese Art von Geschäftstätigkeit kaum Capex im herkömmlichen Sinn erforderlich sind. Zweitens sieht man, dass der größte Posten der „erweiterten Capex“ so wie ich sie hier berücksichtige, die „Auszahlungen für den Erwerb von aktivierten Entwicklungskosten“ sind. Drittens sieht man, dass dieser Posten der Höhe nach im Jahresvergleich seit 2008 deutlich zurückgegangen ist. Dieser Punkt sollte auch noch dringend erörtert werden, bevor man investiert. Möglicherweise wird hier bei Investitionen gespart, die eigentlich notwendig wären. Da ich diesbezüglich aus dem Finanzbericht nicht schlau geworden bin, habe ich ein e-mail an das Unternehmen geschickt. Der vierte Punkt, den ich aus der Cashflowrechnung sehe, ist eigentlich aus meiner Sicht der Wichtigste, nämlich dass – freilich unter der Prämisse, dass derzeit nicht zu wenig investiert wird – der auf das Kerngeschäft entfallende Teil des Kaufpreises für das Unternehmen sehr günstig erscheint (das 5 bis 6 fache des durchschnittlichen free cashflows, bzw. deutlich weniger wenn man die Zahlen aus den letzten drei Jahren heranzieht).
Katalysator für die Wertsteigerung
Wenn ein Unternehmen teils aufgrund von in diesem gebundenem nicht betriebsnotwendigem Vermögen unterbewertet erscheint, braucht es freilich einen Katalysator, damit dieses Wertsteigerungspotenzial realisiert wird. In Österreich und in Deutschland leider eher theoretischer Natur ist das Aktivwerden eines aktivistischen Investors. Denkbar wäre hier vielleicht die bereits im bargain-Magazine besprochene Deutsche Balaton. Den brauchbarsten Hinweis auf einen Katalysator in der näheren Zukunft liefert in diesem Fall aber das Unternehmen selbst. Laut der Aussendung zum Halbjahr 20141 erklärt man einerseits die zukünftige Ausschüttungspolitik mit 40 bis 60% des Jahresüberschusses, was auf Basis des derzeitigen Gewinnes (ohne Steuerkorrektur) und bezogen auf den momentanen Kurs von 13,5 Euro je Aktie eine Dividendenrendite von 6 bis 9% ergeben würde. Angesichts der momentanen Zinssituation müsste eigentlich der Aktienkurs bei Bestätigung einer derartigen Dividende deutlich steigen. Andererseits wird in dieser Aussendung auch die Ausschüttung einer zusätzlichen Sonderdividende für den Sommer 2015 erwogen. Vorläufig wird allerdings keine genauere Angabe zur möglichen Höhe dieser Sonderzahlung getätigt.
Vorläufiges Fazit
Ich werde das Unternehmen genauer unter Beobachtung stellen und gegebenenfalls noch einen weiteren Artikel dazu verfassen. Bisher wurde die MeVis nur in Bezug auf die Assets und sehr oberflächlich im Zusammenhang mit ihrer Ertragskraft auf Basis des free cashflows betrachtet. Was ich auf jeden Fall noch vor einem möglichen Investment ansehen werde ist wie erwähnt die Übernahme, aus der der wirklich große Firmenwert resultiert, die Aktionärsstruktur und deren mögliche Interessen, warum die Auszahlungen für Entwicklungskosten so gesunken sind, sowie letztendlich ob das Unternehmen nicht vielleicht sogar einen Moat haben könnte. Schließlich sind die Nettomargen derzeit riesig (deutlich über 20%) und der Return auf die tangiblen Assets (unter Herausrechnung des Firmenwerts und des nicht betriebsnotwendigen Vermögens) ist momentan exorbitant.
Der bisherige Eindruck ist, dass man hier rein auf Basis der Vermögenswerte und der momentanen Ertragslage ein sehr günstiges Unternehmen erwerben könnte das in absehbarer Zukunft über mehrere denkbare Katalysatoren für eine Wertsteigerung aufweist. Einerseits können üppige (Sonder-)Ausschüttungen den Kurs treiben, andererseits entweder eine Erhöhung des derzeit wirklich niedrigen Gewinnmultipels und/oder eine weitere Verbesserung der Ertragslage (wenngleich dies aufgrund des Ausblicks nicht so wahrscheinlich sein dürfte). Gleichzeitig scheint das Risiko eines dauerhaften Kapitalverlustes aufgrund der erörterten Bilanzstruktur äußerst begrenzt. Insofern zahlt es sich aus meiner Sicht aus, sich näher mit der MeVis AG zu befassen.
Der Beitrag Quickcheck MeVis AG erschien zuerst auf Bargain.
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