Beim glänzenden Edelmetall Gold scheiden sich bekanntlich auch die Geister im sonst oft recht einhellig denkenden Lager der Value-Investoren. Während es gerade in Deutschland und zunehmend auch in Österreich schon fast einstimmiger Grundtenor ist, Gold müsse als Versicherung in jedes Depot „beigemischt“ werden, entfährt einem alteingesessenen Charlie Munger nur ein schroffes „civilized people don`t buy gold!“1 Im nachfolgenden kurzen Artikel möchte ich zunächst einige gängige Argumente quasi „pro und contra aurum“ zusammentragen und anschließend selbst einige Gedanken zum aufgetriebenen Material anstellen. Keinesfalls soll diese Abhandlung Anspruch auf Vollständigkeit erheben, wahrscheinlich ließe sich die Aufzählung der Argumente für und wider Gold beinahe beliebig fortsetzen und sicherlich auch das eine oder andere stichhaltige Argument gegen meine persönliche Sicht der Dinge vorbringen.
Einer der (aus meiner Sicht zurecht) meistgelesensten und vielgehörten „Anlagegurus“ im deutschsprachigen Raum ist Prof. Dr. Max Otte, der offenbar zeitgleich mit seiner aufkeimenden Verunsicherung über die Nachhaltigkeit der Immobilienwirtschaft in Amerika eine Meinungsänderung in puncto Goldinvestments durchlief. Die Kernargumente für Gold seien ihmzufolge einerseits, dass Gold neben Aktien, Anleihen, anderen Rohstoffen und Immobilien eine der wenigen „reinen“ Assetklassen seien. Daneben sei physisches Gold in einer großen Krise eine Versicherung und hätten „Superreiche“ ebenfalls begonnen, Gold zu kaufen.2
Desweiteren sei der Goldpreis bei damals 500 USD (einer der ersten Artikel von Otte zu diesem Thema erschien 2006) bei weitem nicht zu teuer, lag er doch in den Krisenjahren 1979/80 bei 800 USD und würde das inflationsbereinigt einen realistischen Preis von 1500 bis 2000 USD bedeuten.3 Insgesamt solle Gold in etwa 5% des Depots betragen4, später ändert er diesen Prozentsatz unter anderem auf 3 bis 10%5.
Ein anderer bekannter Deutscher, der sich regelmäßig zu Gold äußert, ist Dirk Müller. „Mr. Dax“ meint ähnlich wie Otte, Gold gehöre „in jeden Haushalt“, quasi zur Nervenberuhigung, und zwar im Umfang zwischen 10 und 20% des liquiden Anlagevermögens6. Er konkretisiert aber auch, dass man sich von Edelmetallanlagen nicht unbedingt den großen Renditetreiber erwarten solle, sondern eher „um etwas zu haben, das nie wertlos wird“7.
Freilich liefert allein die Eingabe eines Suchbegriffes „Argumente für Gold“ in eine bekannte Suchmaschine ellenlange (mehr oder weniger brauchbare) Abhandlungen. So wird auf einer Internetseite8 unter anderem ins Treffen geführt, Gold sei nicht beliebig vermehrbar, es biete „ultimativen Schutz vor einer Währungsreform, es entziehe sich weitestgehend dem Zugriff durch Regierungen – und auch die Tatsache dass Gold nicht rosten könne und seit jeher Faszination ausübe, scheint mittlerweile ein „Anlagekriterium“ zu sein. Andernorts9 wird die Pauschalfeststellung getroffen, Gold erhalte den Wert in Krisenzeiten. Schließlich10 gilt als weiteres Argument noch die Anonymität des Goldbesitzes: würde von heute auf morgen eine umfangreiche Vermögensbesteuerung beschlossen, so könne man seine Münzen zusammenraffen und das Weite suchen.
Wenden wir uns noch einigen, bunt durcheinander gewürfelten Argumenten zu, die in einer Internetrecherche auffindbar sind und die gegen Gold sprechen könnten. Ein oft ins Treffen geführtes Argument lautet, dass das Edelmetall keine Zinsen abwerfe11. Daneben wird beispielsweise in einem Artikel des Spiegel12 darauf hingewiesen, dass der Preis sehr stark schwanke und außerdem der Goldbesitz im Ernstfall ohnehin verboten werden könne. Mitunter wird auch auf Risiken und definitiv vorhandene Umstände bei der Lagerung physischer Goldbestände (Schließfachgebühren, Safeeinbau zuhause, etc.) verwiesen13.
Aufbauend auf diese Argumente möchte ich meine eigene Sichtweise zum Besten geben. Zunächst stellt sich die Frage nach der Validität des Argumentes von Otte, Edelmetalle seien eine „Anlageklasse“, also eine der wenigen „Dinge“ die sich zu einem Investment eignen. Hier hängt es meiner Meinung nach schlicht davon ab, welches Verständnis man dem Begriff „Investment“ zugrunde legt, ist also subjektiv. Benjamin Graham liefert einen möglichen Ansatz14, den ich im Prinzip auch teile:
„Eine Investment-Transaktion verspricht auf der Grundlage einer sorgfältigen Analyse Vermögenssicherheit und einen zufriedenstellenden Ertrag. Transaktionen, die mit diesen Anforderungen nicht übereinstimmen, sind spekulativ.“
Die Merkmale, die aus diesem Investmentbegriff abstrahierbar sind, lauten also „sorgfältige Analyse“, „Vermögenssicherheit“ und „zufriedenstellender Ertrag“. Bereits im Hinblick auf das erste Merkmal muss ich Zweifel daran äußern, dass Gold per se überhaupt halbwegs zuverlässig bewertbar ist. Es mag zwar stimmen, dass das Angebot (Neuförderung plus bereits im Umlauf befindliches Gold) bestimmbar ist, die Nachfrage ist aber immer zu einem gewissen und nicht unwesentlichen Grad von einem Verunsicherungsfaktor in der Bevölkerung getrieben und dieser ist aus meiner Sicht kaum quantifizierbar. Anders formuliert: es ist kaum darstellbar, in welchem Umfang eine mögliche Krise, Währungsreform, Schuldenschnitt, Inflation oder was auch immer in Zukunft vielleicht auftreten kann, im Preis von heute bereits antizipiert wird. Aus meiner Sicht erfüllt Gold im Gegensatz zu den anderen Assetklassen, die z.B. Otte aufs Tapet führt und bei denen diese Kriterien zumindest manchmal erfüllbar sind, diesen Begriff nicht und sollte somit eine separate Kategorie bilden15. Letztendlich möchten das die Befürworter von Gold ja auch, indem sie es fast durchwegs als „Versicherung gegen den Ernstfall“ titulieren und nicht als Renditebringer sehen.
Das führt mich zum aus meiner Sicht aus den zusammengetragenen Argumenten ableitbaren Hauptgrund, Gold zu halten, nämlich zum „Versicherungscharakter“ dieses Rohstoffes im Ernstfall. Die erste Frage, die dieses Argument aufwirft ist jene, wie man denn diesen Ernstfall definiert. Aus den Ausführungen von Otte, dass langfristig betrachtet Aktien seit 1800 bessere Renditen abwarfen als Gold16, leite ich ganz frech ab, dass der Ernstfall einer sein müsste, in dem die Verwerfungen so schwerwiegend sind, dass sich ein gutes, branchenbezogen und regional diversifiziertes Portfolio von Unternehmen, dessen finanzielle Stabilität ausgezeichnet ist, die also in ihrer Finanzierung nicht übermäßig von Banken abhängig sind, dauerhaft nicht mehr erholen könnte. Temporäre Kursschwankungen lasse ich hier nicht gelten, denn dagegen wird sich ein langfristig orientierter Value-Investor kaum versichern wollen, weil das genau jene Zustände sind, die er bevorzugt herbeiwünscht. Auch eine bloße Währungsreform (nach einer heftigeren Inflationsphase und teilweisen Schuldenerlässen) ist aus meiner Sicht nicht schwerwiegend genug, um eine dauerhafte Erholung der Aktienkurse zu unterbinden. Zutreffend ist, dass viele Unternehmen nicht über die entsprechende Preissetzungsmacht verfügen, um ihre gestiegenen Input-Kosten an den Absatzmarkt weiterzugeben. Richtig ist auch, dass viele – besonders kapitalintensive – Unternehmen in Inflationszeiten gravierende Schwierigkeiten erleiden würden. Trotzdem fällt es mir schwer zu glauben, dass beispielsweise ein Portfolio mit Nestle, BP (oder Exxon), P&G, Coca Cola, Microsoft und anderen Qualitätsunternehmen (sofern sie zuvor zu halbwegs moderaten Preisen erworben wurden) durch Inflation und eine Währungsreform zugrunde geht. Natürlich werden sich eine Zeit lang weniger Menschen beispielsweise Coca Cola kaufen, wenn sie große Teile ihres Wohlstandes verloren haben, aber gerade die Coca Cola Company könnte temporär die Produktionsmenge wahrscheinlich ziemlich gut nach unten skalieren und ein paar Jahre später eben diese Produktion in den wieder steigenden Wohlstand hinein ausweiten. In all diesen Fällen ist aus meiner bescheidenen Sicht keine Absicherung notwendig, da der Ernstfall ein vorübergehender ist. Allerdings könnte man hier das Argument ins Treffen führen, dass temporär der Goldpreis in einem Inflationsszenario infolge einer Panikreaktion nach oben schnellen könnte, die Goldbestände dann verkauft und damit die Bestände an trudelnden Qualitätsunternehmen zu guten Kursen aufgestockt werden könnten. Das klingt für mich aber eher nach einem Versuch, den Markt (bzw. sogar mehrere Märkte) zu timen. Es ist also grundsätzlich an ein noch schwerwiegenderes Szenario zu denken, in dem große Teile der aktiengesellschaftsorientierten Konzernwirtschaft dauerhaft zugrunde gehen. Zu nennen wäre dann beispielsweise ein Weltkriegsszenario, in dem große Teile der Industrie weltweit verstaatlicht werden oder ähnliches. Es müsste soweit kommen, dass viele Menschen um ihr nacktes Überleben kämpfen. In diesen Fällen könnte man dann jene paar Golddukaten, die man mit auf die Flucht nehmen konnte und die einem nicht geraubt oder sonst von der Obrigkeit enteignet wurden, gegen Lebensmittel eintauschen. Hier wage ich zu behaupten, dass große Teile der Kaufkraft, die ich zum Zeitpunkt des Golderwerbes (also in Zeiten der Ruhe) abspeichere, dann trotzdem verloren gehen. Erhielte man zum jetzigen Zeitpunkt für eine Unze Gold zum Beispiel ungefähr 1000 Liter Milch, so sind Zweifel durchaus berechtigt, dass man dieselbe Menge in einem derart postapokalyptischen Szenario bekäme, wo große Teile der Landwirtschaft und der Produktionsstätten beschädigt sein würden. Von einem wirklichen Vermögenserhalt kann hier keine Rede sein, allerdings kann man daraus im Halten von Gold eine gewisse flexible Grundabsicherung erblicken – mehr jedoch nicht. Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen, dass man seine Überlebenschancen für diesen (hoffentlich für immer fiktiven) „Ernstfall“ eher steigert, indem man das „Versicherungskapital“ anstatt in Gold in eine umfassende und gute Ausbildung, in das Lernen von verschiedenen Sprachen oder ähnliche „immaterielle Güter“ steckt, die die eigene Arbeitskraft aufwerten und im Ernstfall besser eintauschbar machen. Freilich wird es viele geben, denen dieser Mehraufwand nicht (mehr) zu Gesichte steht und für die dadurch Gold durchaus eine gangbare Alternative darstellt.
Enteignungstendenzen per se möchte ich übrigens ebenfalls nicht gelten lassen, weil es aus meiner Sicht naiv wäre zu glauben, dass im Falle eines Währungsumbruches bzw. zur Abdeckung staatlicher Verbindlichkeiten lediglich Anleihegläubiger, Aktionäre und Immobilienbesitzer herangezogen würden, die Goldbesitzer, insbesondere jene, die ihre Schätze im Bankschließfach deponiert haben, aber verschont blieben. Für die Teile des Goldbestandes, die man selbst lagert, bestehen zunächst im Normalfall wesentliche Mehraufwendungen in der Bestandhaltung und im Falle des Falles wahrscheinlich ein ziemlich rigoroses Goldverbot in Kombination mit einem Schwarzmarktszenario, bei dem keiner genau weiß wie es sich entwickeln würde. Natürlich könnte jemand, der vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschreckt, hierin eine Chance erblicken.
Letztendlich lässt sich aber für mich persönlich feststellen, dass Gold für die meisten Szenarien wahrscheinlich eine Versicherung darstellt, die man nicht braucht, in einem Extremfall lediglich zur Absicherung verschiedener rudimentärer Grundbedürfnisse dient, keinesfalls aber zum wirklichen Kaufkrafterhalt, und selbst das für manche nur die zweite Wahl sein dürfte. Kurzum: pauschale Verallgemeinerungen a la „Gold dient zum Vermögenserhalt“, „Gold ist eine Versicherung“ oder „Gold gehört in jedes Depot“ sind nicht zielführend.
Eine kleine Anmerkung möchte ich abschließend anbringen zu etwas das mich persönlich während meiner Recherchen besonders erheitert hat: in einem Artikel in der Wirtschaftswoche17 wird auf die offenbar starken Schwankungen im Goldpreis hingewiesen und als „Gegenmittel“ dafür die Absicherung gegen eben diese Schwankungen über Derivate vorgeschlagen. Man kaufe also eine Versicherung gegen die Wertschwankungen der Versicherung. Passenderweise werden zwei mögliche „Produkte“ aus der Derivatkategorie ad hoc vorgestellt, einerseits ein „Short-ETF“, d.h. ein (offenbar synthetischer) börsengehandelter Fonds, der sich gegenläufig zum Goldpreis entwickeln soll und nur läppische 0,8% Spread verschlingt. Andererseits wird ein Short-Zertifikat mit einem 6er-Hebel vorgestellt, allerdings nur für „routinierte Anleger“. Das bedeutet, eine Veränderung im Basiswert schlägt sich mit einem Faktor 6 auf das Zertifikat nieder. Der ETF habe laut der Quelle ThomsonReuters, auf die sich der Artikel bezieht, ein Chance-Risikoverhältnis von 7 zu 6, während das Hebelzertifikat auf 10 zu 9 komme – was auch immer das bedeuten soll – , wahrscheinlich dass man es kaufen muss. Besonders spannend ist auch, dass für diese beiden Papiere von den Autoren des Artikels ein Stopp-Kurs definiert wird. Wenn also die Versicherung gegen die Schwankungen der Versicherung in die falsche Richtung schwankt, kann man sich gegen zusätzliche Kursverluste absichern. Faszinierend.
Quellen:
1 http://www.youtube.com/watch?v=wXBjwxAP0es
2 Max Otte; Sehr geehrte Privatanleger; 1. Aufl.; S. 281 ff
3 Max Otte; Sehr geehrte Privatanleger; 1. Aufl.; S. 283
4 Max Otte; Sehr geehrte Privatanleger; 1. Aufl.; S. 284
5 Max Otte; Sehr geehrte Privatanleger; 1. Aufl.; S. 289
8 http://www.gold-kaufen.biz/vor-und-nachteile/
9 http://www.goldreporter.de/gold-kaufen/; http://www.krisenvorsorge.com/krisenvorsorge-die-argumente-fuer-gold-bleiben-sattelfest/
10 http://www.bullionaer.de/shop_content.php/coID/12
11 http://www.sachwert-magazin.de/index.php/smrohstoffe/122-gold-silber2
13 http://www.gold-kaufen.biz/vor-und-nachteile/
14 Benjamin Graham, David Dodd; Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse; 3. Deutsche Auflage; S. 78; beschämt gebe ich zu, dass ich diesmal aus der ziemlich schlecht übersetzten deutschen Edition zitiert habe
15 Auch zustimmend: Max Otte; Sehr geehrte Privatanleger; 1. Aufl.; S. 288
16 Max Otte; Sehr geehrte Privatanleger; 1. Aufl.; S. 288; unter Verweis auf Jeremy Siegel; Langfristig investieren;
17 http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/goldpreis-argument-fuer-gold/8463110-5.html
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