Macht die Steuerreform aus mir eine leidenschaftliche Steuerzahlerin? Motiviert mich die Abschaffung des Bankgeheimnisses dazu, mit meinen dann heimgeholten Unsummen den Konsum nachhaltig anzukurbeln? Führt die exorbitante Performance unserer charismatischen Politiker dazu, dass ich mein nächstes Wahl-Kreuzerl wieder mit fanatischer Politikbegeisterung mache?
Die Frage ist also: wurde ich ausreichend motiviert, gesellschaftlich wünschenswerte Entscheidungen zu treffen? Hat unsere Hochleistungsregierung beim Komponieren der diversen Steuerreformsmaßnahmen nicht nur den Rechenstift sondern auch das Konzept des Nudgings berücksichtigt?
Nudging ist der Fachbegriff für’s Geschubst werden – nicht das böse Vor-die-U-Bahn-Schubsen, sondern das „freundliche“ Anstupsen für gesellschaftlich und persönlich günstige Verhaltensweisen.
Richard Thaler – einer der führenden Verhaltensökonomen und Entscheidungsexperte – hat gemeinsam mit Cass Sunstein in ihrem Buch: „Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ einen wichtigen Aspekt des menschlichen Entscheidungsverhaltens erläutert: Menschen verhalten sich nicht rational!
Diejenigen unter uns, die in der Tradition von Daniel Kahnemann mit den unterschiedlichen Ausprägungen von nicht-rationalem Verhalten in ökonomischen Situationen vertraut sind, überrascht das nicht. Der Mensch ist mit der Rationalitätserfordernis des Homo Oeconomicus immer schon grenzenlos überfordert gewesen. Entscheidungen werden nicht rational getroffen, es werden nur Versuche unternommen, rationale Begründungen für getroffene Entscheidungen zu finden.
Nudge basiert auf den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie. Menschen werden durch den Kontext beeinflusst und verhalten sich in vielen Situationen nicht so, wie es eine rationale Analyse vorausgesagt hätte. Will man das Handeln der Menschen in eine bestimmte Richtung lenken, so muss man den Handlungskontext entsprechend gestalten: als Entscheidungsarchitektur bezeichnen Thaler und Sunstein das Arrangieren der Entscheidungslage, sodass ein Ergebnis wahrscheinlicher wird als andere Ergebnisse. Eine kontextfreie Wahl gibt es nicht, meinen die Autoren. Die Umstände einer Entscheidung kann man daher entweder dem Zufall überlassen – oder aber man gestaltet sie ganz bewusst und führt gewünschte Verhaltensweisen herbei.
Dieses Konzept nennen die Autoren libertären Paternalismus. Es hat in den letzten Jahren bereits in verschiedenen Ländern z.B. in den U.S.A Eingang in die Politik gefunden. Durch kleine Nudges werden Menschen dazu verleitet, Energie zu sparen, sich gesund zu ernähren, vorsichtig zu fahren oder ihre Organe zu spenden.
Auch in Deutschland versucht die Politik seit kurzem mit einem Beraterstab aus Verhaltensökonomen mit Nudges die Menschen zu gesellschaftlich wünschenswertem Verhalten zu erziehen. Cass Sunstein ist sogar überzeugt, dass damit zum Glück der Menschen wesentlich beigetragen werden kann.
Manch „freiheitsliebende Geister“ wittern natürlich Bevormundung und lehnen diese Form der Manipulation grundsätzlich ab. Dem muss man aber vehement entgegen halten, dass noch wesentlich skrupellosere Einsatzbereiche dieser Beeinflussungsstrategie in der Werbung und in Politpropaganda Gang und Gäbe sind. Dass wir durch Werbung exzessiv manipuliert werden, wird ja eigentlich als systemimmanent hingenommen. Da wird es dem Einzelnen und seinem hoffentlich „gesunden Hausverstand“ überlassen, trotz manipulativer Beeinflussung die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen.
Warum also nicht auch beim nudging? Warum sollte man die Menschen davor schützen müssen, durch politische Maßnahmen zu gesellschaftlich und persönlich wünschenswertem Verhalten motiviert zu werden? Wenn man davon ausgeht, dass nudging an ein ethisch korrektes Konzept gebunden ist, ist die Kritik nicht fair und es sollte in einem breiteren Zusammenhang diskutiert werden.
Zurück zu kommen auf meine ausgehende Frage, ob wir Österreicher durch die Steuerreform exzessivem Nudging ausgesetzt werdern? Nein, keine Sorge: ich habe nicht den Eindruck, dass unsere österreichischen PolitikerInnen ihr Wahlvolk mit solch abgefahrenen verhaltensökonomischen Konzepten behelligen. Die wollen einfach nur unser Geld.
Wer es jetzt aber genau wissen will, welche Faktoren wie auf Informationswahrnehmung, -verarbeitung und das entsprechende Entscheidungsverhalten wirken, wie sich nudging, Anker und Heuristiken auf unser Verhalten auswirken und was man sonst noch wissen muss, um seine eigenen klugen Entscheidungen zu treffen, der kommt in die Entscheidungswerkstatt – Freiheit beim Entscheiden, mit Herz und Hirn im Einklang!
Die nächste Entscheidungswerkstatt findet am 10.-11. April 2015 in Wien statt.
Literatur:
Richard H. Thaler, Cass R. Sunstein (2009). Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt.
Daniel Kahnemann (2012). Schnelles Denken, langsames Denken.
Die Welt (15.3.2015). http://www.welt.de/wirtschaft/article138326984/Merkel-will-die-Deutschen-durch-Nudging-erziehen.html
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