Wie global denkt die FED? Oder: die Börse ist Yellen (Wolfgang Matejka)

Der nächste emotionale und wohl auch volatilitätsmäßige Höhepunkt steht kurz bevor: die Sitzung der FED am 17.9.2015 soll endlich Klarheit über die mittelfristige Zinsrichtung der FED liefern. Deren Ankündigungen vor rund 6 Monaten, im Herbst die Zinsen erstmals seit 10 Jahren wieder zu erhöhen, wurde ja von den Märkten seither so richtig attackiert, und mittlerweile wird das löcherig geschossenen Argumentationsbollwerk der FED auch durch Volkswirte, Bankenchefs, andere Bösen und sogar ganzen Staaten, insbesondere aus den Emerging Markets weich geklopft. Man mag sich durchaus fragen was das alles soll, es geht ja nur um maximal ein Viertel von einem Prozent (wenn nicht gar um ein Achterl Prozent), das haben die Bondmärkte schon mehrfach vorweg genommen, warum dann das ganze Theater? Doch es geht um ein bisschen mehr …

Ein paar Schritte zurück. Die entwickelten Volkswirtschaften kämpfen seit Jahren gegen die deflatorischen Auswirkungen von völlig überzogenen Regularien, Bankenstress, Investitionsbarrieren und politischen Eingriffen, die im Nachgang von Lehman so oft mehr der jeweils eigenen Darstellung als dem gemeinsamen Wohlergehen dienen. Nachdem bei den meisten Staaten der Politapparat nicht agierte um wirksame und notwendige Reformen zu schaffen, mussten eben die Notenbanken ran. Die FED war die erste und begann mit Bondkäufen die Banken zu entlasten mit der Hoffnung, dass deren neue Leichtigkeit in eine Art Wake Up Call mündet - durchaus zu recht wie man an der neuen Kraft der US-Banken ablesen kann. Die Bank of Japan machte es zeitverzögert nach, nachdem man feststellen musste, dass es wohl sonst kaum gelänge den heimischen Bankensektor aus seiner jahrzehntealten Stasis zu befreien, Yen-Schwäche als exportgnädiges Beiwagerl lächelnd toleriert. Und, wir kennen es, auch die EZB musste als Reagierender of last Resort, die gegenseitigen Zuweisungen der Reformnotwendigkeiten zwischen den EU-Staaten, ohne dass diese selbst vor der eigenen Türe kehren, durchbrechen und mit einem FED-ähnlichen Bondkaufprogramm die Deflation adressieren. Jetzt fehlt noch die Bank of China, aber das kommt ja vielleicht noch.

Was bisher passiert ist, ist, dass das deflatorische Experiment bisher gelungen ist, aber nicht das inflatorische. Das Ziel besteht ja nicht allein darin Deflation zu vermeiden, sondern man will ja endlich Inflation erzeugen, die auch mittelfristig eine Erleichterung für Wirtschaft und Schuldner (überwiegend Staaten) darstellen kann. Und jetzt kommt die USA an die Reihe.

Die FED steck in einem Dilemma, denn die binnenwirtschaftlichen Faktoren sind ja gar nicht so schlecht. Zwar hat der stotternde Schieferöl-Markt am Arbeitsmarkt geknabbert und auch der feste Dollar treibt manchen Exporteuren den Schweiß auf die Stirn und wenn man ins Detail sieht, so ist das Wachstum der Gewinne vielerorts einer Reduktion der Basis bedingt durch Aktienrückkäufe geschuldet, aber in Summe ist alles ein Jammern auf hohem Niveau. Nur, jetzt schwächelt China und in seinem Sog die asiatischen Märkte, Brasilien kommt aus dem Tal der Tränen nicht mehr raus und Europa versteckt sich noch immer hinter Mario dem Großen. Eine Anhebung der Zinsen brächte das Ungleichgewicht noch mehr zu Tage, der Dollar wird fester, die Asiaten werten weiter ab, die US-Industrie schreit auf, die Märkte wittern Risiko und treten einen Schritt zurück. Klar kann die FED mit geblähter Brust und voller Selbstbewusstsein auftreten und sagen, wir haben das alles im Griff, so wie schon zuvor bewiesen, nur diese globale Überzeugungskraft muss einem der Markt dann auch glauben wollen - und believe me, in Zeiten wie diesen ist selbst die Kirche nicht mehr sicher, ob sie von Gläubigen betreten wird, oder nur von Leuten, die den Regen fürchten.



(16.09.2015)

Federal Reserve Building, FED, Washington DC, USA http://www.shutterstock.com/de/pic-160884488/stock-photo-federal-reserve-building-in-washington-dc-united-states.html, (© www.shutterstock.com)


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Wolfgang Matejka

Über 30 Jahre einschlägige Erfahrung im Bankwesen, davon über 15 Jahre in Führungspositionen

  • seit 07/2013 Chief Investment Officer der Wiener Privatbank SE
  • seit 07/2010 Geschäftsführender Gesellschafter der Matejka & Partner Asset Management GmbH
  • 02/2010 - 07/2010 Geschäftsführer der Oscar Investment GmbH Wertpapierfirma
  • seit 10/2009 Geschäftsführer der Matejka Beteiligungs GmbH, Erwerb, Verwaltung, Entwicklung und Veräußerung einer Beteiligung
  • 09/ 2009-10/2009 Vorstand der Q1 Capital Management AG, Unabhängiges Multi-Manager-Investmenthaus mit Sitz in Wien
  • 06 / 2009-10/2010 GF Sparrow GmbH. (Einzelgesellschaft) – Geschäftsgegenstand: Erwerb, Verwaltung und Entwicklung von Beteiligungen
  • 04 / 2006: GF Julius Meinl Investment GmbH
  • 03 / 2004: CIO Meinl Bank AG
  • 05 / 2002: Vst. Bank Vontobel Österreich AG
  • 01 / 1999: GF Allianz Invest KapitalanlagegesmbH.
  • 07 / 1994: Investment & Trust Bank (nunm. Allianz Investment Bank AG)
  • 04 / 1990: Länderbank Capital Markets GmbH.
  • 10 / 1981: Österreichische Länderbank AG
  • Matura (Naturwissenschaftl. Realgymnasium), CEFA, div. Fachseminare

>> http://wolfgang-matejka.com


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