31.03.2021, 4026 Zeichen
Urlaub am Bauernhof. Dem Bauern beim Pflügen zusehen. Beim Rückweg am Traktor mitfahren dürfen. Das Gruseln über die geflüsterte Nachricht, dass ein Schwein geschlachtet wurde. Die Nacht danach. Das Schnitzel danach. Heuhupfen im Stadel und das Aufstauen des Baches im Wald hinterm Hof, samt dem stundenlangen Bau eines kleinen Wasserrads im Keller vom Bauernhof. Und die Erinnerung an das kleine Wunder, inmitten des Waldes einen kleinen Stausee geschaffen zu haben, wo nach zwei Tagen sogar eine kleine Forelle ein kurzes Zuhause gefunden hatte. Alles präsent wie gestern.
Ach ja, seit letzter Woche gibt‘s auch einen Stau. Einen gar nicht so Kleinen. Die elegante Querlage der Ever Given im Suezkanal blockiert diesen globalen Güterweg mittlerweile über eine Woche und selbst wenn, wie berichtet, inzwischen der Containerriese wieder flott gemacht wurde, bleibt ein Stau von fast 500 Schiffsriesen, die sich um die Eingangspforten drängen. Und genau dieser Knoten wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Der globale Warenverkehr ist am Anschlag und jede Verzögerung kostet.
Es sind geschätzt 6-10 Mrd. US$ an Waren, die täglich den Suezkanal passieren. Etwa 19.000 Schiffe pro Jahr. Das sind rund 1,25 Milliarden Tonnen an Fracht, oder etwa 13% des globalen Warenverkehrs. Da relativiert sich die Lust am Stau-Schauen, denn es steigt die Sorge vor stärkeren Einschlägen ins globale Wachstumsbild.
Und dieses Wachstumsbild ist schon seit einiger Zeit mit Unterbrechungen bei Lieferketten beschäftigt. Zuerst der SARS-CoV2-Ausbruch in China samt deren Lockdowns, danach jene in Europa, gefolgt von indirekten Effekten in USA und Brasilien aufgrund der dort rapide steigenden Arbeitslosigkeit, dann kommen wir endlich ein wenig auf die Beine und schon gilt es Rohstoffen nachzujagen, die nicht genug vorhanden sind um das Anspringen der Wirtschaften zu begleiten. Und kaum ist man diese Sorge los tritt die Halbleiter-Versorgung auf die Wachstumsbremse, weil es plötzlich zu wenig davon gibt. Ein Stolperer nach dem Anderen. Vielleicht war die Reaktion auf „Ever Given“ vielleicht bereits ein Akt der Gewohnheit, weil an den Kapitalmärkten relativ ruhig vernommen. Aber heftig ist der kurzfristige wirtschaftliche Effekt allemal.
Nun gut, nun gilt es dies alles zu verarbeiten. Ein Schiff, das seine Ware mit Verzögerung transportieren wird, ist zwar ein Umsatzverlust, aber nur temporär. Ein Produzent, der länger auf seine benötigten Einzelteile warten muss, bekommt die Rechnung auch bezahlt, nur eben auch später. Und, nachdem verderbliche Waren normalerweise nicht in praller Sonne auf Containerschiffen transportiert werden, gilt es diese möglichen Ausfall von Produkten auch zu relativieren.
Eine Möglichkeit dazu ist und wird es mit Sicherheit sein, die Preise anzuheben. Jeder in der Kette hatte Probleme und jeder begegnet diesen pekuniär. Die Einen holen sich‘s von den Versicherungen, die anderen von ihren Kunden. Kaum jemand wird auf existenzbedrohlichen Verlusten sitzen bleiben. Am Ende zahlt es der Konsument. Und das treibt die Fantasie steigender Inflationszahlen wieder an. Willkommen im globalen Rad.
Das, was sich aber im Zuge all dieser Ketten von Ereignissen mehr und mehr breit macht, ist ein Verständnis für engere Lieferketten. Eine Versorgungsgeografie, die in direkterer Umgebung stattfindet. Die Nahversorgung wird wieder attraktiv. Der Konsument wird es wohl auch bezahlen, denn, auch das suggeriert uns die Werbung schon seit Jahren, regionale Produkte sind beliebt, weil mit einem guten Gewissen verknüpft, und ohnehin schmeckt alles was ums Eck ist gleich viel besser.
Und als ob es noch eine Bestätigung benötigt, klingelte es gerade an der Tür und der Postbote brachte ein Paket. Ein Rumpelspiel (keine Angst es ist ein Geschicklichkeitsspiel aus Holz). Vor drei Monaten nach einer Dokumentation über Südtirol, worin auch dieses Spiel kurz gezeigt wurde, bestellt. Manche Lieferketten brauchen eben länger.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 31.03.)
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