Der Brokerjet-Erbe wird George, der direktanlage.at-Nachfolger heisst schon jetzt Hello bank!, und flatex ist wieder da: Das Rennen um Trader mit österreichischer WP-KESt wird spannend.
(aus http://www.christian-drastil.com/fachheft36)
Aufgrund der Sommerpause unseres Printpartners medianet gab es zwischen dem Fachheft 34/35 (Juli/August-Doppelnummer) und der hier vorliegenden Nummer 36 eine Spanne von sieben Wochen. Sieben Wochen, in denen die Börsen abgestürzt sind und in denen in der jahrelang beschaulichen österreichischen Brokerage-Landschaft kein Stein auf dem anderen geblieben ist: Die Erste Group hatte angekündigt, das Brokerjet-Angebot, das vor einem Jahr vollintegriert worden war, einzustellen. Wenige Tage später wurde aus der direktanlage.at die Hello bank!. Und mit flatex steht ein neuer alter Player wieder vor der Tür.
Brokerjet mit Joker George
Aber blicken wir einmal zurück: Mit etwas mehr als 820 Mio. Euro Handelsvolumen war Brokerjet 2014 noch jener Broker, der den grössten Börse Wien-Umsatz aller Retailbroker erreichte. Vom BSN gab es einen „Number One Award“ dafür. Knapp dahinter lag direktanlage.at auf dem zweiten Rang, dann kam lange nichts. Dieses Bild sah man im Jahrzehnt davor regelmässig: Brokerjet (teilweise auch unter dem Namen ecetra) war stets die Nr. 1 der Retailbroker, in den Jahren 2005 bzw. 2009 schaffte man es sogar 2x unter die Top10-Handelsmitglieder eines Jahres. Und 2x gab es auch Gesamtvolumina von knapp mehr als 3 Mrd. Euro in Österreich-Aktien, es waren dies das ATX-Rekordjahr 2007 und das kleine Comeback-Jahr 2009. Im Jahr 2014 konnten sowohl Brokerjet (um 16 Prozent) als auch Dauerkonkurrent direktanlage.at (um 19,2 Prozent) ihr Aktien-Wien-Volumen deutlich steigern. Vor einem Jahr, zum Zeitpunkt der Integration, betreute Brokerjet nach eigenen Angaben mehr als 37.000 Kunden und wickelte rund 600.000 Trades pro Jahr ab. Aktuell gibt es ein Überbrückungsangebot, aber sonst noch nichts Konkretes zu einem neuen Angebot; doch dazu später.
Hello bank! stark präsent
Kaum stand die Meldung von der Brokerjet-Schliessung in den Medien, kam die direktanlage.at ihrerseits mit News. Nur wenige Tage später wurde das neue Vollbank-Angebot Hello bank! als Nachfolger der direktanlage präsentiert, das Ganze mit hohem Werbedruck ausserhalb der Kernzielgruppe und bekanntem CEO: Ernst Huber hatte schon die direktanlage.at zu einem Platzhirsch in Österreich gemacht. Über das Change-Timing der beiden Big Player wurde in Börsekreisen viel diskutiert, während sich in Traderforen einige auf der Suche nach der für sie richtigen neuen Marke begeben haben. Da es – bis auf fallende Börsenkurse und immer wieder neue Entwicklungen in der Heta-Causa – in diesem Sommer börslich nicht viele News gab und man auch nicht ewig über Regulierungen reden kann, war das Brokerage-Thema auch bei den Alpbacher Wirtschaftsgesprächen präsent, eingebettet in eine grosse Fintech/Digitalisierungs-Diskussion, bei der Kundenbindung und Kostensenkung als Treiber genannt wurden. „Das Kostenthema war wohl auch ein wesentlicher Punkt, warum in Österreich seitens der Erste Bank die Schliessung von Brokerjet angekündigt wurde, obwohl man doch einer der beiden großen Online-Broker in Österreich war. Die Neuordnung der Brokerlandschaft in Österreich wird in den nächsten Monaten durch massive Werbeanstrengungen der anderen Marktteilnehmer erfolgen, wobei die neu gestaltete Hello bank! dies mit einem umfassenden Vollbankenansatz angeht, während die meist ausländischen Anbieter dies mit einem Übersiedlungsangebot an die bisherigen Brokerjet-Kunden versuchen“, fasst Ex-TeleTrader-CEO und BSN-Partner Roland Meier, der seine Alpbach-Sichten via http://christian-drastil.com/blog/roland.meier kundgetan hat, zusammen.
flatex wieder im Spiel
Einer dieser ausländischen Anbieter ist hervorzugeben, das zeigt sich auch in Börseforen klar. Es geht um flatex, aus mehreren Gründen ohnedies ein „halberter österreichischer Player“. Das liegt zum einen am österreichischen Steuermodell (vulgo Wertpapier-KESt), das schon seit Jahren implementiert ist. Zum anderen will Frank Niehage, der neue Vorstandsvorsitzende der börsenotierten deutschen FinTech Group AG, zu der flatex gehört, den Konzern zum führenden europäischen Anbieter für Finanztechnologie entwickeln. Die flatex-Expansion ist dabei für ihn ein wichtiger Schritt. Heisst: Mit Oswald Salcher und Robert Ulm wurde die Österreich-Verantwortung auch den beiden Österreichern unter den Konzern-Managern und Kennern des Wiener Markts übertragen. Salcher sitzt im Headquarter in Frankfurt und Ulm im Büro in Wien. flatex war der erste deutschsprachige Online-Broker mit einem „flat“-Modell und ist bei Viel-Tradern in Deutschland eigenen Angaben zufolge die Nummer 1. „Der Ausstieg von Brokerjet aus dem Markt hat nur das Momentum des Ausbaus des Österreich-Geschäfts bei der flatex verstärkt“, sagt Salcher, der für flatex.at keine Depot-Gebühren verlangt. Künftig sollen auch Crowd-Produkte angeboten werden. Dazu die Steckenpferde: „Neben den normalen Kassa-Produkten wie Aktien, Renten usw. gibt es auch OTC-Produkte wie Optionsscheine und Zertifikate und die immer populärer werdenden CFDs.“ Gerade in der sehr turbulenten Börsenphase der vergangenen Monate habe es eine massive Zunahme der CFD-Trades gegeben. „Die österreichischen Kunden sind die trade-aktivsten von allen“, so Salcher.
Und was plant die Erste Group? „Bis in George die Wertpapierservices genutzt werden können, steht Brokerjet-KundInnen über die aktuelle Plattform netbanking der neue „Self Directed Investor“ (SDI) zur Verfügung. Zu beachten ist, dass dieser Service nur bestehenden Brokerjet-KundInnen zur Verfügung gestellt wird, einen für alle zugänglichen Service wird es erst wieder über George geben. Wie bei der gesamten Entwicklung von George werden wir unsere KundInnen aktiv bei der Produktgestaltung des neuen Services miteinbinden und mitgestalten lassen. Aus Konkurrenzgründen möchten wir aber noch nicht über unsere Pläne und den Entwicklungsstatus sprechen, wir bitten um Verständnis“, so Katrin Emig, Erste Bank, zum BSN.
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