Finanzmärkte zeigen ein Wechselspiel zwischen Fakten und Emotionen. Dies war immer so und wird immer so sein und ist in der Geldanlage Chance und Risiko zugleich. Ob wir wollen oder nicht, auch zum Halbjahr 2015 müssen wir uns intensiv mit dem Griechenland-Thema beschäftigen, auch wenn man sich emotional wohl bereits dafür aufraffen muss. Auf Ebene der Börsenpsychologie kann man argumentieren, dass für die mittelfristige Perspektive der Finanzmärkte das sprichwörtliche Ende mit Schrecken besser sein kann als ein Schrecken ohne Ende. „GREXIT wäre ein Risiko für die Weltwirtschaft“ – dies waren Schlagzeilen und Aussagen in den vergangenen Wochen. Kann ein Land, das für etwa 1,8 % der Wirtschaftsleistung der EURO-Zone und für etwa 0,3 % der Weltwirtschaftsleistung steht, wirklich ein nachhaltiges Risiko für die Weltwirtschaft darstellen? Wohl nicht – außer wir reden uns alle täglich ein, dass dies so wäre. Börse ist zu einem großen Teil Psychologie, Konjunktur ist es letztendlich auch. Da gerade das aktuelle Umfeld in diesen Tagen kaum seriös zu prognostizieren ist, wollen wir uns vor der Sommerpause auf einen Faktencheck konzentrieren. Gerade wenn Tagesaktualitäten nicht planbar sind, gilt es die übergeordneten Trends nicht aus den Augen zu verlieren. Zusammengefasst auf fünf Punkte.
1) Renditetiefs liegen hinter uns, aber keine nachhaltigen Anstiege vor uns. Wissen Sie noch, was die Finanzmärkte im Juni 2013 massiv beschäftigt hat? Der damalige FED-Chef Ben Bernanke hat mit seinen Kommentaren über ein mögliches Ende der US-Tiefzinspolitik für eine deutliche Korrektur an den Aktien- und auch an den Anleihemärkten gesorgt. Und heute – exakt zwei Jahre später? Die Leitzinsen sind immer noch nicht erhöht – und die Renditen länger laufender Staatsanleihen befinden sich im Seitwärtstrend. Mehr ist nicht passiert. In der EURO-Zone ist von einer ähnlichen Entwicklung auszugehen. Die Renditetiefs liegen wohl hinter uns. Negative Renditen über weite Teile des Staatsanleiheuniversums machen auch ökonomisch keinen Sinn. Weitere deutliche Zinsanstiege am langen Ende kämen für die Staatsfinanzen vieler Länder aber wohl viel zu früh und werden daher auch nicht stattfinden. Seitwärts unter Schwankungen ist daher unsere Markterwartung. Zinswenden brauchen Zeit.
2) EZB bleibt bis September 2016 auf Kurs. Die kritischen Stimmen sind leiser geworden. Das Anleihekaufprogramm würde ohnehin nichts bringen und zudem würde die EZB gar nicht genügend Anleihen am Markt vorfinden – so viele Kommentare im ersten Quartal 2015. Kritisieren ist immer leichter als Agieren. Es gab genügend Anleihen. Die Inflationserwartung bewegt sich in die gewünschte Richtung, der EURO wurde vor allem zum US-Dollar deutlich geschwächt, die Konjunkturerwartung 2015 der EURO-Zone liegt bei mittlerweile 1,5 % nach nur 0,9 % noch zu Jahresbeginn, vor allem Länder wie Spanien machen beachtliche Fortschritte. Natürlich ist dies alles nicht allein der EZB zu verdanken. Es ist aber Faktum und somit ist eine Diskussion darüber eine rein philosophische ohne Mehrwert. Nur zur Erinnerung: Das Kaufprogramm ist auf 18 Monate ausgelegt – lediglich vier Monate sind bisher absolviert.
3) Expansive Notenbank prägt Zins, Aktien und Währung. Dass Notenbanken über Anleihekäufe eine expansive Strategie der Geldmengenausweitung betreiben ist grundsätzlich nichts Neues. Es gibt historische Beispiele auch in der jüngeren Vergangenheit wie vor allem die USA oder auch Japan. Natürlich kann man aus diesen historischen Erfahrungen keine Garantien ableiten, aber eben doch gewisse Wahrscheinlichkeiten. Es ist wahrscheinlich, dass der jeweilige Aktienmarkt während dieser Gelddruck-Periode eine positive Entwicklung zeigt. Es ist wahrscheinlich, dass die jeweilige Währung zur Schwäche neigt – vor allem in Relation zu jenen Währungen ohne expansive Notenbankpolitik. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Anleiherenditen deutlich steigen, da mit der Notenbank ein permanenter Käufer am Markt ist. Diese drei Wahrscheinlichkeiten treffen somit bis Herbst 2016 auch auf die EURO-Zone zu. Leider werden und wurden diese Tatsachen in den vergangenen Wochen vom Griechenland-Thema völlig überlagert. Auch die kommenden Tage und Wochen laufen wohl unter „Fortsetzung folgt“.
4) Die Weltwirtschaft wächst gut 3 %. Der regionale Blick verstellt oft die Sicht auf die globale Welt. Geldanlage 2015 hat jedoch zwingend mit der globalen Brille zu erfolgen. Natürlich gibt es laufende Entwicklungen und Veränderungen. Zuletzt lief die Konjunktur in Europa etwas besser als erwartet – allerdings von tiefen Niveaus kommend. Die Zahlen in den USA waren etwas schlechter als erwartet – allerdings von hohen Niveaus kommend. Die Lage in den Emerging-Markets ist differenziert – und in einigen speziellen Fällen wenig überzeugend. Aber: 2014 wuchs die Weltwirtschaft insgesamt um gut 3 %, 2015 wird die Weltwirtschaft um gut 3 % wachsen und auch für 2016 liegen die Erwartungen in etwa auf diesem Niveau. Allen Krisen zum Trotz. Für global tätige Unternehmen ein solides Umfeld – und damit auch ein solides Argument für den Aktienmarkt, der von echter Überteuerung aus unserer Sicht weit entfernt ist.
5) Wenn die Schwankungen zunehmen – denken Sie an Punkt 1,2,3 und 4. Die vergangenen Wochen brachten Schwankungen – bei Anleihen, Aktien, Währungen und Rohstoffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies auch in der vor uns liegenden Periode so sein wird, ist groß. Im historischen Vergleich ist eher das aktuelle Umfeld der Normalzustand. Man muss dies allerdings in Kauf nehmen, um mittelfristige Ertragschancen zu wahren. Wer diesen Weg nicht bereit ist mitzugehen, sollte eher eine grundsätzliche Diskussion über die Zusammensetzung seiner Geldanlage führen. Der Zusammenhang Risiko-Ertrag ist so alt wie die Finanzmärkte an sich – und tritt nur für temporäre Phasen in den Hintergrund. Sollten während der Sommermonate – eventuell gerade in Ihrer wohlverdienten Urlaubszeit – wieder Volatilitäten die Finanzmärkte und damit die Medienwelt prägen, dann denken Sie an die Punkte 1 bis 4. Diese Punkte werden weiterhin Gültigkeit haben, wenn ich mich am 1. September nach der Sommerpause wieder melde.
Griechenland-Risiko beherrschbar – Konstruktionsfehler der EURO-Zone bleiben. Im Vergleich zu 2012 sind die Voraussetzung zur Bewältigung der Herausforderung Griechenland gut. Die Bankensysteme sind wesentlich stabiler, die Ansteckungsgefahren auf andere Länder sollten daher beherrschbar sein – zumal die EZB nunmehr über mächtige Mittel des Markteingriffes verfügt. Wie sich das Thema Griechenland in den kommenden Monaten entwickelt, ist heute offen. In einer Ära nach der Griechenland-Krise - oder nach Griechenland als EURO-Mitglied - wird die EURO-Zone um weiterführende Grundsatzdiskussionen nicht herumkommen. Kann es eine Gemeinschaft geben, der man zwar beitreten kann, deren Austrittsmodalitäten aber kaum geregelt sind? Ist eine gemeinsame Währung ohne ein gemeinsames Machtzentrum in Form einer Art Fiskalunion auf Sicht haltbar? Dass jeweils dezentral in den Ländern entschieden, aber gemeinschaftlich gehaftet wird, kann auf Sicht nicht funktionieren. Mittelfristig wird gerade der Fall Griechenland diese nötige Diskussion vorantreiben. Wer A sagt muss auch B sagen – zumindest irgendwann.
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