Reisen, Schampus, Party: So lebte ein Bitcoin-Neureicher in Australien. Als die Blase platzte, reagierte er weise (Tim Schäfer)

Ich habe versucht, mit Freunden, Bekannten und Familie über die finanzielle Freiheit zu sprechen, das Resultat war: Sie verstehen es nicht. Ich habe hitzige Debatten darüber geführt. Das Umfeld sagt: Es geht nicht. Ich sage: Ja, es geht.

Ich habe gelernt, aufzuhören, Leute über finanzielle Gewohnheiten zu coachen. Für meinen Seelenfrieden führe ich einfach keine Geld-Konsum-Gespräche mehr…

Es muss jeder selbst wissen. Ich kann es nur vorleben. Andere zu belehren bringt eh nichts. Im Endeffekt ist es traurig. Aber wir leben nun mal in einer Konsumgesellschaft. Daher ist die Sparsamkeit etwas Exotisches. Ich habe wenige, mit denen ich das Thema teilen kann.

Freunde, Bekannte etc. verstehen es einfach nicht. Sie kaufen teure Mode, Autos, machen enorme Renovierungen…. Sie schauen mich wie einen Geizhals an. Sie denken, ich verstehe überhaupt nichts von Zufriedenheit.

Ich habe gelernt, den Mund zu halten. Aber die Wahrheit sieht ja so aus: Die Leute wissen insgeheim schon, dass etwas möglich ist. Die Menschen sind aber in einer Falle gefangen. Sie fühlen sich machtlos, etwas an ihrer Situation zu ändern. Daher reagieren sie so aggressiv, wenn ich ihnen das Freiheits-Prinzip erkläre. Sie wollen es nicht verstehen. Sie verdrängen es aus ihrem Kopf. Sie schauen lieber nach neuen Autos, Küchen, Mode, Urlaube, Elektronik, Schuhen, Böden… Es ist eine Jagd, die nie endet.

Ein Gegenargument ist oft:

„Wenn das jeder machen würde so wie Du, dann würde die Wirtschaft zusammenbrechen.“

Selbst wenn es so wäre, dass jeder, der fleißig investiert, die Wirtschaft ruinieren würde, dann ist das für niemanden ein Grund, es nicht zu tun. Nicht jeder kann Hedgefondsmanager, Arzt oder Profi-Fussballer oder Sänger werden, aber das heißt nicht, dass es niemand tun sollte.

Der Australier Daniel Colosi hat voriges Jahr zum ersten Mal in Kryptowährungen investiert. Seine 5.000 Dollar sind in kurzer Zeit zu 200.000 Dollar geworden. Er prahlte auf Instagram. Colosi, ein ehemaliger Arbeiter in einem Bergbaubetrieb, gab Teile seines neu verdienten Geldes für luxuriöse Reisen aus. Seine Fotos auf Instagram sind eine einzige Angeberei.

Du weisst ja eh, was passiert, wenn man hochmütig wird. Meist fällt man auf die Nase. So war es hier. Aber schau Dir erst Mal seine Protz-Fotos an:

 

 

 

 

Im Januar sagte er der britischen Boulevardzeitung “Daily Mail“, nach Thailand ziehen zu wollen. Aber mittlerweile hat sich nach dem Bitcoin-Absturz seine Freude gelegt. Das neueste Foto sieht getrübt aus. Aus dem Text geht Reue hervor, die falschen Freude gehabt zu haben.

Seine Botschaft ist nun wirklich beeindruckend. Und das zeigt mir, dass Daniel Colosi erwachsen geworden ist. Im Kern rät er anderen: Habe einen hohen Standard. Umgebe Dich mit Menschen, die eine hohe Qualität haben. Er ist weise geworden. Ich finde das super, was er schreibt. Ich habe davor großen Respekt:

Dein Umfeld bestimmt wirklich den Weg, den du einnimmst. In den letzten 4 Wochen habe ich mir eine Auszeit genommen, um mein Leben, meine Leidenschaft, meinen Sinn, meine Gewohnheiten und meinen Einflussbereich neu zu bewerten.

Ich habe erkannt, dass ich nicht unbedingt der Beste bin, der ich sein könnte. Ich habe mich nicht mit den richtigen Leuten umgeben. Und dies verändert den Lauf deines Lebens dramatisch.

Ich freue mich auf die neue Reise, auf der ich bin. Und ich freue mich darauf, in Zukunft viel Wert zu bringen.“

Das, was er erkannt hat, ist Gold wert. Das ist eine wichtige Botschaft, die Warren Buffett seinen Studenten mit auf den Weg gibt, wenn er Vorträge hält: Pass auf Dein Umfeld auf. Umgebe Dich mit Leuten, von denen Du lernen kannst. Leute, die ein Vorbild für Dich sind. Das muss nicht in finanzieller Hinsicht sein, sondern kann umfassender sein.

Ich hab die Freiheit zu reisen, wohin ich will. Ich kann in Edel-Restaurants gehen. Ist das toll? Naja, ganz nett. Aber auf Dauer wird das, ehrlich gesagt, langweilig. Große Häuser, schicke Autos und andere extravagante Spielzeuge? Ja, dass kann Spass machen. Vielleicht ein paar Monate. Allenfalls Jahre. Dann wird es aber zum Alltag. Es ist nichts mehr Besonderes.

Irgendwann wird Dir klar, dass das Spielzeug bzw. die Statussymbole nur ein Hindernis sind für das, was am wichtigsten ist: Beziehungen. Gesundheit. Zufriedenheit. Ok, wer sparsam ist und trotzdem den Konsum genießen mag, kann das tun. Manche richten sich ein Unterkonto ein, auf das sie Spaß-Geld einzahlen.

Die Idee dahinter ist ziemlich einfach: Du legst jedes Jahr etwas Geld beiseite, das Du dann für Luxus/Konsum ausgibst. Solange Dein Spaßgeldkonto nicht überzogen wird, ist das in Ordnung. Du kaufst Sachen damit, die im Alltag nicht unbedingt notwendig sind. Zum Beispiel lässt Du Essen an Deine Haustür liefern. Du kaufst teures Sprudel. Intelligente Lichter. Cocktails an der Bar.

Wichtig ist Deine Schlüsselfrage vorher: „Ist dieser Kauf wirklich notwendig?“ versus „Ist dieser Kauf es wert, x Tage dafür zu arbeiten, eben für das Spaßgeld?“

Die zweite Frage wird natürlich dazu führen, dass Du weniger Spass-Geld ausgibst. Zum Beispiel musst Du wissen, ob es das Bio-Olivenöl für 30 Euro oder die Bio-Seife für die Dusche für 25 Euro wirklich wert ist. Nur Du kannst das beantworten.

Macht es Sinn, sieben Mal pro Woche essen zu gehen oder Essen zu bestellen? Oder genügt es Dir „nur“ einmal pro Woche essen zu gehen? Ich denke oft über Pizza nach. Aber wenn ich sie bestelle, ist sie so teuer. Und auf der Pizza ist so wenig Gemüse drauf.

Manch einer bestellt pro Woche für mehrere hundert Euro Essen. Ich lauf lieber zum Supermarkt oder zum Gemüsestand an der Chruchstreet. Dort schnappe ich mir köstliches Gemüse und Früchte und bin genauso zufrieden. So senkst Du monatlich nicht nur Deine wiederkehrenden Ausgaben, sondern lebst gesünder.

Statt ein iPhone X für über 1.000 Euro zu bestellen, nutze ich mein altes iPhone 6 – auch wenn es nervend langsam ist. Ich denke, das ist akzeptabel. Das macht einen finanziellen Unterschied.

Ich betrachte solche Entscheidungen als eine Übung in Genügsamkeit und eine Übung darin, aktiv in den Krieg mit dem Lifestyle-Wahn zu ziehen. Der Effekt: Ich habe das Gefühl, mehr Sinn im Leben zu haben. Ich habe das Gefühl, dass ich mich auf etwas konzentrieren kann, das mir (und eventuell anderen) mehr nutzt, statt meine Zeit damit zu verschwenden, mit neuer Elektronik herumzurennen. Oder teure Autos zu finden bzw. zu fahren.

Steigst Du aus dem Rattenrennen aus, ist das der Hammer. Es fühlt sich ehrenvoll und lohnend an. Es war es wert, auf Dinge zu verzichten, die keine wesentliche Bedeutung haben. Ich entscheide mich für mehr Freizeit.

Ich verbringe meine Zeit mit gesünderen Dingen. Gesünderes Essen, Sport, Freunde, Familie. Ich muss mehr joggen gehen. Meine Fitness muss besser werden. Ich höre gerne diverse Podcasts über Finanzen. Das macht mir wirklich Spaß. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist länger geworden.

Um die Freiheit übrigens zu erreichen, sind keine vier Millionen Euro nötig. Es geht mit deutlich weniger Geld.

Im Großen und Ganzen hasse ich Schulden aller Art. Ich bin froh, wenn meine zwei Hypotheken endlich getilgt sind. Ich bin für aggressives Schuldentilgen. In ein paar Jahren bin ich schuldenfrei. Es gibt nicht nur einen finanziellen Vorteil, Schulden zu tilgen, sondern auch einen psychologischen Vorteil Kredite abzuzahlen.

Mein Rat generell: Vermeide Schulden, wo es geht. So ersparst Du Dir Kosten samt Druck. Erhöhe lieber Deine Sparquote – solange, bis es leicht unangenehm wird. Begrenze, wie viel Du ausgibst. Dann nimmt die Freiheit zu. Du fühlst Dich besser.

Hast Du keine Schulden mehr, wirst Du etwas merken. Du wirst denken:

„Wie haben wir so viel Geld übrig?“

Wenn Du keine Schulden hast, kannst Du massiv Geld sparen! Sogar in einem Haushalt, der weniger als 75.000 oder 50.000 Euro verdient. Hohe Schulden abzubauen, erfordert: harte Arbeit, Selbstleugnung und pure Entschlossenheit.

Hast Du die Schulden weg und Dein Depot wächst, nimmt der Druck ab. Irgendwann sagst Du dem Chef „Tschüs“. Du gehst im Park spazieren, fährst mit dem Rad. Gehst mit Familie und Freunden wandern. Bist im Dauerurlaub. Du suchst Dir aber noch Aufgaben, die Dir viel Spass machen. Du wirst nie mehr erschöpft leben. Du überlässt den Konsum-Wahn den anderen. Und auch die nervende Arbeit.

Im Original hier erschienen: Reisen, Schampus, Party: So lebte ein Bitcoin-Neureicher in Australien. Als die Blase platzte, reagierte er weise



(20.03.2018)

Bitcoin, http://www.shutterstock.com/de/pic-164975852/stock-photo-a-bunch-of-bitcoins-bit-coin-the-new-successful-virtual-money.html


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Tim Schäfer

Der Journalist Tim Schäfer pendelt seit dem Frühjahr 2006 zwischen New York und Deutschland. Wöchentlich berichtet er über die Geschehnisse an der Wall Street für Euro am Sonntag, eine der führenden deutschen Wirtschaftspublikationen. Darüber hinaus schreibt er für Magazine wie Der Aktionär oder die Börsenbriefe Prior Global und Prior Gold.

>> http://timschaefermedia.com


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