Liebe Leser,
im Finanzsektor rumort es. Vor einiger Zeit habe ich das charttechnische Setup im iShares Euro Stoxx Banks 30-15 ETF (WKN 628930) vorgestellt. Seit Vorstellung hat sich der ETF nicht wirklich von seinem Ausbruchsniveau lösen können und besonders seit letzter Woche gibt der ETF erneut deutlich nach.
Meine Erwartung an den Sektor hing größtenteils damit zusammen, dass die Konjunktur in der EU anzieht, Finanzwerte relativ zu anderen Sektoren unterbewertet erscheinen und es bald zu einem strafferen Kurs in der Geldpolitik kommen könnte.
Hier sollte ich vielleicht nochmals erwähnen, dass ich in diesem Fall versuche Erwartungen zu antizipieren, also auf kurz- bis mittelfristig orientierte Trades setze und keine langfristige Kapitalanlage auf Basis von fundamentaler Bilanzanalyse der jeweiligen Unternehmen betreibe.
Erwartungen zu antizipieren bedeutet in der Regel das richtige Timing zu erwischen. Denn Erwartungen zu handeln, bedeutet nicht nachstehende Fakten zu handeln. Ob es also tatsächlich zu einem strafferen Kurs der EZB kommt, interessiert mich im ersten Moment gar nicht. Das wäre dann möglicherweise ein positiver Aspekt bei dem Ganzen, der den Trade unterstützt und fortsetzt. Es ist aber kein Muss.
Mich interessiert lediglich, ob es derzeit Faktoren gibt, die diese Erwartungen bei den Marktteilnehmern unterstützen und wie sie im Laufe des Trades interagieren. Diese Strategie wird größtenteils auf Basis der Intermarket- und der technischen Preisanalyse umgesetzt.
Doch wie funktioniert das in der Praxis? Zunächst sollte man die Bedeutung der Intermarketanalyse kennen. Ich werde versuchen das Ihnen in eigenen Worten etwas näher zu bringen und es vermeiden Lehrbuch-Definitionen zu wiederholen.
Intermarketanalyse aus meiner Sicht bedeutet: Die gleichzeitige Analyse der wichtigsten Märkte Anleihen (-Renditen), Aktien, Devisen und Rohstoffen. Da diese Märkte miteinander korrelieren, positiv oder negativ, lassen sich von Zeit zu Zeit über die sichtbare Interaktion, Rückschlüsse auf mögliche Potentiale in den betreffenden Aktiensektoren und damit auch Einzelwerten ziehen.
Die Intermarketanalyse kann zwar somit oft eine Form der technischen Preisanalyse sein, muss aber nicht. Ein reales Beispiel soll das verdeutlichen.
Zwischen dem US-Dollar und dem Goldpreis herrscht in der Regel eine negative Korrelation vor. Kurz- bis mittelfristig, mögen den Goldpreis viele andere Faktoren beeinflussen, doch langfristig wird der Goldpreis vom US-Dollar Kurs abhängen.
Er muss nicht zwingend negativ performen sofern der US-Dollar Kurs stark steigt, aber ein nachhaltiger Ausbruch nach oben, wird unter diesen Umständen unwahrscheinlich. Selbst der starke Anstieg zwischen den Jahren 2010-2011 ging mit einem nachgebenden US-Dollar Index einher.
Um die langfristige Entwicklung des Goldpreises zu antizipieren, sollten wir also als erstes herausfinden, wie sich der US-Dollar Kurs im Vergleich zu anderen Währungen entwickeln könnte. In unserem Fall sogar eher wie die Erwartungen dahingehend sich entwickeln werden.
Ob der US-Dollar Kurs im Vergleich zu anderen Währungen steigt oder fällt, hängt zwar kurz- bis mittelfristig ebenfalls von vielen Faktoren ab, doch längerfristig wird der US-Dollar Kurs von der erwarteten Zinsdifferenz, genau genommen der erwarteten Realzinsdifferenz (Zins minus Inflation) zwischen den jeweiligen Ländern abhängen.
Dabei ist es ausschlaggebend, dass die Länder hinsichtlich der Wirtschaftskraft und damit der Bonität vergleichbar sind. Denn ein höherer Zins alleine macht noch keine bonitätsmäßig stabile Wirtschaftskraft aus, sondern kann auch für erhöhte Risiken sprechen.
Für einen höheren US-Dollar Kurs und einen schwachen Goldpreis, sollten wir also eine höhere Realzinsdifferenz zu Gunsten des US-Dollars erwarten. Schauen wir uns dazu den EUR/USD-Kurs im Jahr 2014 an, dem Jahr in dem der US-Dollar gegen den Euro deutlich an Wert gewonnen hat.
In diesem Zeitraum fiel die EU-Inflation auf 0,5 %. Der Leitzins lag bei knapp über 0,0 %. Der Realzins bezogen auf den Leitzins lag also bei ca. – 0,5 %. Da die EZB aus allen Kanonen feuerte und ankündigte den Zins weiter zu senken, stiegen gleichzeitig Inflationserwartungen, die einen noch niedrigeren Realzins bzw. höheren Negativzins erwarten ließen.
In den USA lag der Leitzins zu dem Zeitpunkt bei etwa 0,25 %, die Inflation lag bei knapp über 1,5 %. Der Realzins lag also unter dem der EU. Jedoch hatte die FED bereits das Tapering des Staatsanleihekaufprogramms begonnen, was so viel bedeutete, dass keine Zinssenkungen mehr stattfinden würden. Das wiederum dämmte Inflationserwartungen und unterstütze somit Erwartungen an einen höheren Realzins gegenüber der EU.
In 2015 fiel die US-Inflation tatsächlich von 1 % in den negativen Bereich. Der Leitzins lag immer noch bei 0,25 %. In der EU hingegen stieg die Inflation in 2015 zeitweise in den positiven Bereich. Der Leitzins lag immer noch bei 0,125 % und wurde in 2016 auf 0,00 % gesenkt. Man sieht anhand des EUR/USD-Kurses, dass Marktteilnehmer die Entwicklung in der Realzinsdifferenz zwischen der EU und den USA sehr gut antizipiert haben.
Eine andere Möglichkeit diese Erwartungen intermarktanalytisch zu antizipieren, wäre die Analyse des zweijährigen US/German Bond Yield Spreads oder auch des Spreads zwischen den 10-jährigen Anleiherenditen der beiden Länder. Wer längerfristige Inflationserwartungen berücksichtigen will, sollte den zweiten nutzen.
Wer sich auf die technische Analyse stützen möchte, der könnte auch die deutsche Anleiherendite relativ zur US-Rendite analysieren. Wie der untere Chart zeigt, wäre nach markttechnischen Kriterien durchaus eine passable Signalgebung möglich gewesen. Im Laufe des Jahres 2013 stieg die Bund-Rendite gegenüber der T-Note Rendite an (rot), allerdings eher in Folge einer stark fallenden US-Rendite, denn auch die Bund-Rendite fiel in diesem Zeitraum.
Zu Beginn des Jahres 2014 begann die US-Rendite sich zu erholen, während die Bund-Rendite weiter fiel. Der Rest ist Geschichte. Ab Mitte 2016 nahm die Bund-Rendite relativ zu der US-Rendite erneut zu, was auch an der Erholung in den Bund-Renditen lag. Wie wir weiter unten sehen werden, ging auch das zur einem nicht geringen Anteil auf Erwartungen an eine höhere EU-Inflation zurück.
Seit Beginn 2017 fällt die relative Stärke der Bund-Rendite gegenüber der US-Rendite ab. Es lässt sich erneut ein Doppel-Top erkennen. Da sich die Bund-Rendite jedoch in diesem Zeitraum kaum verändert hat, lässt es auf Stabilität in der US-Rendite schließen. Sollte sich die relative Schwäche fortsetzen, dürften wir so langsam mit dem Ende der EUR/USD-Erholung rechnen. Positiv für den EUR/USD Kurs wäre es hingegen, wenn die Bund-Rendite wie in 2016 steigt und erneut relative Stärke beweist.
Zurück zu unserem Goldpreis. Das Antizipieren der Realzinsdifferenz zwischen der EU und den USA, in 2014, dürfte auch dazu beigetragen haben, dass der Goldpreis mehr zur Schwäche tendierte als zur Stabilität. Sicher kann man nun einwenden, dass sich hier die Katze in den Schwanz beißt, denn eine Prognose muss man treffen, ob für die Realzinsdifferenz oder für den Goldpreis.
Das Verständnis der jeweiligen Zusammenhänge kann jedoch deutlich zur Identifikation eines günstigen Chancen-Risiko-Verhältnisses beitragen oder zumindest dabei helfen ein ungünstiges zu erkennen. So wäre in diesem Umfeld ein Long-Trade im Goldpreis wohl kaum eine gute Entscheidung gewesen.
Schauen wir nun auf die aktuelle Lage und den Trade im iShares EU Stoxx Banks ETF. Denn der Finanzsektor weist ebenfalls eine enge Korrelation zu der erwarteten Zinsentwicklung auf. Auch derzeit spielen Erwartungen an die EZB-Geldpolitik eine große Rolle. Ein höherer Realzins ist für Erträge der Banken in der EU ist ebenso positiv.
Der aktuelle Leitzins liegt bei 0,00 %, die Inflation liegt bei 1,4 %. Damit sind wir klar in einem negativen Bereich was den Realzins angeht, was für Banken auf den ersten Blick weniger positiv erscheint. Aber wie wir wissen geht es nicht darum was jetzt ist, sondern was das jetzt über die Zukunft aussagt.
Ziehen wir einen Vergleich zu der oben analysierten EUR/USD-Entwicklung in 2014, bedeutet die Kursentwicklung im iShares EU Stoxx Banks ETF, dass Marktteilnehmer hinsichtlich des Finanzsektors etwas antizipieren. Und ich befürchte, dass es sich hierbei nicht nur um die erwartete aber mittlerweile verpuffte Trump-Agenda handelt.
Nein es müssen auch andere Erwartungen vorliegen, denn der Turnaround dauert nun bereits seit einem Jahr an. Er begann genau genommen kurz nach dem Brexit-Referendum mit dem ersten Anstieg in der EU-Inflation aus dem negativen Bereich heraus. Seitdem ist die Inflation stetig auf zeitweise über 2,0 % gestiegen. Sie entwickelt sich jedoch seit zwei Monaten wieder rückläufig, gleichzeitig tendiert der Kurs des ETFs zur Schwäche.
Trump-Agenda, Großbritannien hin oder her, es wird deutlich, dass Anleger im EU-Finanzsektor hauptsächlich auf eine weiter steigende Inflation wetten und damit auf das Ende der lockeren Geldpolitik der EZB. Es wird daher für die kurzfristige Entwicklung in diesem ETF überaus von Relevanz sein, wie sich die EZB in dieser Woche und in den nächsten Sitzungen diesbezüglich positioniert. Andere Risiken, die aktuell auf den EU-Finanzsektor einwirken, bewerte ich derzeit nur als vorübergehend bzw. untergeordnet.
Ich hoffe ich konnte Ihnen ein wenig Einblick in meine Intermarketanalyse gewähren. Das Feld lässt sich sicherlich noch weiter ausführen und es gibt etliche Beispiele, in denen sich die Intermarketanalyse noch deutlicher auf Sektoren und Branchen bis hin zu einzelnen Aktien herunter brechen lässt.
Viel Erfolg!
David Iusow
Dieser Beitrag von alpha-invest.blog wurde von trading-treff.de zur Verfügung gestellt. Dort gibt es Analysen, Wissen und Emotionen zum Trading.
Unter alpha-invest.blog verbirgt sich der selbstständige Händler und Marktanalyst David Iusow. Neben diesen Tätigkeiten fungiert er zudem als Online-Redakteur und angehender Honorar-Finanzberater. Die betriebene Website lautet http://alpha-invest.blog/
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