Cafe BE: Absage an M&A-Fantasie in Wien, dafür Investorenwünsche an Immos (Christian Drastil)

Wenn man international aufpassen muss, muss man in Wien besonders aufpassen. Doch keine Risken ohne Chancen (für Stockpicker). Ein Talk mit Eduard Berger (Wiener Privatbank), Isabella de Krassny (Semper Constantia), Monika Rosen (UniCredit) und Roland Neuwirth (Salus Alpha) - Bilder unter http://www.boerse-express.com/cat/diasho... .

Cafe BE: Frau de Krassny, Sie managen für die Semper Constantia einen
Aktienfonds, den SemperShare Opportunity (Anm.: ISIN AT0000A0K1T0), wurden zuletzt dafür auch in Performancerankings ausgezeichnet. Bitte um ein paar Worte zum Produkt.

Isabella de Krassny: Der Fonds wurde im August 2010 aufgelegt, gestartet ist er am 15. September. Mit dem Hintergrund, dass ich schon sehr viele Einzelmandate hatte, die vom Volumen her zu klein waren und die ich aufgrund auch der steuerlichen Veränderung – auf Einzeldepotbasis konnte man das Geld steueroptimiert nicht mehr managen – dann in den Fonds eingebracht habe. Der Fonds hat ein Volumen von rund 25 Mio. Euro. Zuletzt habe ich neues Geld eher abgelehnt, das Fundraising zurückgeschraubt. Ich hatte zwar mit Stiftungen gute Termine, bin aber froh, dass in diesen turbulenten Wochen nicht viel dazugekommen ist. Der Fondsansatz ist ein eher opportunistischer, ich bin auf der Suche nach Übernahmekandidaten und unterbewerteten Unternehmen mit stabilen Cash Flows und gesunden Bilanzen. Ein No Go sind Firmen, bei denen ein Riesenbatzen Firmenwerte auf der Aktivseite steht und das nicht im Eigenkapital Deckung findet. Eine Intercell beispielsweise war für mich ein Non Go, oder auch eine S&T. Ich agiere da lieber bilanz- und valueorientiert, habe auch immer ein bis zwei Übernahmekandidaten dabei, heuer war es die Roth & Rau, die hatte ich mit 10 Prozent gewichtet, das hat mir Outperformance gebracht.

Cafe BE: Wie gross ist der Österreich-Anteil im Fonds?

De Krassny: Der Österreich-Anteil ist relativ gross, wobei ich insgesamt zuletzt stark Gewichtung reduziert habe, ich hatte im Juli an guten Tagen in den steigenden Markt hineinverkauft. Aktuell habe ich etwas mehr als 30 Prozent Cash, von den verbleibenden etwas weniger als 70 Prozent sind es ca. 70 Prozent in Österreich.

Cafe BE: Setzen Sie zur Optimierung der Performance auch Derivate ein?
De Krassny: Ich bin seit einer Woche short im DAX, Gott sei Dank. Man kann sich auch nicht anders helfen. Wenn ich an Tagen wie diesen die AT&S verkaufen will, dann nimmt mir die niemand ab. Natürlich sind solche Hedges mit einer grossen Unschärfe, der DAX ist ja nicht so viel gefallen wie manche Einzelwerte, da muss man laufend justieren.

Cafe BE: Welche Investoren setzen Ihren Fonds ein?

De Krassny: Vor allem Private Banking und Stiftungen, die nicht selbst ein Mandat vergeben. In Summe verwalte ich ca. 105 Millionen, das meiste in Spezialfonds. Ich habe da ganz tolle Stiftungen, die mir seit Jahren vertrauen.

Cafe BE: Und welche sind die grössten Positionen, die grössten österreichischen Aktien im Fonds?

De Krassny: Immofinanz und Telekom, da habe ich Anfang August zugekauft. Weiters Barrick Gold.

Cafe BE: Und Grossbanken aus dem ATX?

De Krassny: Null.

Cafe BE: Haben Sie eine Benchmark?

De Krassny: Nicht wirklich. Euro-Stoxx oder MSCI Europe schaut man sich an. Aber es ist mir weitgehend egal, es beruhigt mich nicht, nur 10 Prozent zu verlieren, wenn die Indizes 20 Prozent verlieren. Ich probiere, nichts zu verlieren.

Cafe BE: Der Fonds ist ganz normal über Broker erwerbbar ...

De Krassny: Ja, es ist ein Publikumsfonds, in Deutschland zugelassen, der auch über die Broker bezogen werden kann.

Cafe BE: Herr Berger, am 1. August haben Sie Ihre neue Aufgabe bei der Wiener Privatbank angetreten. Was können Sie uns schon – über die Presseaussendung hinaus – verraten? Was waren die Beweggründe, diese Herausforderung anzunehmen?

Eduard Berger: Ich arbeite ja seit acht Jahren sehr erfolgreich mit Alfred Reisenberger zusammen, ich bin mehr als 20 Jahre Aktienbroker gewesen. Es ist auch immer die Frage zwischen Theoretikern und Praktikern. Wer hat die Ideen, wer setzt sie um? Wir sind immer mehr zur Überzeugung gelangt, dass wir uns in dem, was wir tun, sehr gut auskennen. Wir haben mit der Wiener Privatbank die Chance bekommen, die Seite teilweise wechseln zu können und unsere guten Ideen selbst in Anlageentscheidungen für eigene Kunden ummünzen zu können. Ich sehe das auch als logischen Entwicklungssschritt, nach 20 Jahren auf der Brokerseite nun auf die Asset Manager Seite zu wechseln. In der Wiener Privatbank - wir sind ein Spezialinstitut, das sehr erfolgreich im Immobilienbereich ist, zB bei Vorsorgewohnungen, wo aufgrund der Eigentümerschaft der Bank eine sehr grosse Expertise im Haus ist - gibt es gute Möglichkeiten. Private Banking und Asset Management waren durchaus erfolgreich, es ist aber noch viel möglich. Das ist die Aufgabe, das zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht natürlich unsere Aktien Österreich-Expertise. Wir werden Produkte entwickeln, den Fondsbereich ausbauen.

Cafe BE: Wird ein Österreich-Aktienfonds kommen?

Berger: Das ist ein bisschen zu früh zu sagen, ich formuliere es so: Österreich hat bei uns traditionell einen Schwerpunkt und wir werden schauen, dass wir auch in Zukunft die Wiener Börse unterstützen. Wir wollen die Expertise um die Aktie anbieten, aber eben auch einen Fonds. Wie der genau ausgestaltet sein wird, da bitte ich noch um etwas Zeit.

Cafe BE: Wann wollen Sie das ungefähr angehen?

Berger: Im Laufe des September sollten wir hier schon Botschaften haben.

Cafe BE: Ist auch eigenes Research angedacht?

Berger: Da ist ganz klar die Strategie, dass wir uns bei den Experten, die es am
Markt gibt, bedienen. Der Aufbau einer eigenen Researchabteilung ist in einem ersten Schritt nicht geplant.

Cafe BE: Obwohl man mit Alfred Reisenberger ...

Berger: Seine Expertise ist ja dann für den Fonds geplant.

Cafe BE: Die Bank ist vor kurzem in die neuen Büros am Parkring übersiedelt. Wann exakt?

Berger: Am 23. Juli, wir haben 45 Mitarbeiter am Standort.

Cafe BE: Frau Rosen, Frage an die Asset-Allocation-Spezialistin. Wie sieht die aktuelle Einschätzung der UniCredit aus?

Monika Rosen: Ihr Timing ist perfekt, wir haben am Mittwoch in Abstimmung mit den anderen europäischen Einheiten eine Anpassung der Asset Allocation gemacht: Wir haben Aktien von zuletzt übergewichten auf neutral zurückgestuft. Es wurden technische Unterstützungen, die man sich gesetzt hat, unterschritten. Ich würde sagen, zum Gesamtbild haben wir eine ganze Reihe von Störfaktoren gehabt, angefangen von der Protestwelle im arabischen Raum, dann die Nuklearkatastrophe in Japan, die Schuldendebatte in der Euro-Peripherie und zuletzt die Eskalation in der amerikanischen Schuldendebatte. Wir haben zwar lange Widerstand geleistet, aber irgendwann schlägt das auf das Sentiment durch. Jetzt kommt deutlich mehr Risikoaversion in den Markt, daher die Rückstufung auf Neutral, obwohl die Bewertungen sicherlich nicht überzogen sind. Auch die Berichtssaison in Amerika war gut.

Cafe BE: Wohin wird umgeschichtet?

Rosen: Wir erhöhen den Cash-Anteil, weil wir das auch wieder in den Aktienmarkt investieren wollen. Mittelfristig bleiben wir optimistisch.

Cafe BE: Und was können die Trigger sein, damit Sie wieder auf Overweight gehen?

Rosen: Ich würde schon sagen, dass – weil wir uns auch erst nach längerer Diskussion für das Neutral entschieden haben – jetzt einmal eine Beruhigung der Nachrichtenlage abgewartet werden muss. Die aktuellen Schlagzeilen sind ja solche, die der Kunde, der Investor, nicht unbedingt lesen will. Die Unsicherheitsfaktoren müssen sich zurückbilden, das Timing ist da immer schwierig. Das Tief wird man nicht erwischen.

Cafe BE: Ich möchte Sie nach dem „wir“ fragen. Wie geht so ein Reallokationsprozess vor sich?

Rosen: Ich bin seit zwei Jahren Head of Research Global Investment Strategy im UniCredit Private Banking, d.h. eine über Österreich hinausgehende Funktion. Es gibt ein Investmentkomitee, an dem die Länder Italien, Österreich, Polen und Deutschland sowie auch andere Einheiten teilnehmen. Wir haben da regelmässig auch über Conference Calls Kontakt, die Umschichtung am Mittwoch war eine ausserordentliche.

Cafe BE: Und noch ein paar Worte zu den Bonds in der Asset Allocation bitte ...

Rosen: Das ist meiner Meinung nach die vielleicht noch diffizilere Diskussion als die Aktienseite. Wir haben bei den Unternehmensanleihen nur noch Investment Grade, auch da das Risiko herausgenommen. Das Jahr ist noch nicht aus, die Überraschung ist für mich die wieder sehr gute Performance der Staatsanleihen der Kernmärkte. So sehr diese Schuldendiskussion auch verunsichert hat, für die Staatsanleihen, vor allem US-Treasuries, war es gut. Die Performance am US-Staatsanleihenmarkt ist gut (Anm.: der Talk fand vor der Abstufung der US-Bonität durch S&P statt).

Cafe BE: Ich möchte eine Frage zum Schweizer Franken anhängen. Es ist ja so, dass man allerorts über die Kredite, das Häuslbauer-Dilemma spricht, aber kaum von der Gegenseite, nämlich zB von Franken-Bonds als Longposition. Wie sehen Sie das?

Rosen: Der Anstieg des Franken war rasant, die Notenbank ist auf den Plan gerufen. Das ist spekulativ geworden, ich wäre von der Investmentseite mittlerweile vorsichtig, wir empfehlen das nicht aktiv. Freilich haben die diversen Nachrichten, die wir zuvor angesprochen hatten, eine Flucht auch in den Schweizer Franken ausgelöst.

Cafe BE: Herr Neuwirth, Ende Q1 waren Sie im Cafe BE und nannten Immofinanz, austriamicrosystems und Wolford als Empfehlungen für das Q2. Bitte um eine kurze Bilanz und eventuell neue Favoriten ...

Roland Neuwirth: Ich glaube, die Empfehlungen haben sich im Vergleich ganz gut geschlagen. Bei Wolford ist offenbar seit einiger Zeit ein grosser Käufer im Markt, dazu solide Zahlen. austriamicrosystems hat sich ebenfalls gut gehalten. Immofinanz war damals ja der Top-Pick aller Anwesenden und gerade dieser Titel hat die schwächste Performance aus meinem Trio gehabt. Die Immo-Aktien sind sicher stärker unter Druck gekommen, als man sich das in Österreich vorgestellt hat. Dabei ist deren Konjunktur nicht so schlecht, Österreich und Deutschland sind vom Markt her stabil, Osteuropa kommt in die Gänge. Bei der Immofinanz habe ich die Auswirkungen der Wandelanleihe unterschätzt, da ist es vielen, mit denen ich gesprochen habe, ähnlich gegangen. Da werden noch weiter laufend Stücke auf den Markt kommen. Auf der Gegenseite gibt es die Käufe von der Fries-Gruppe. Aktuell sind eher conwert und CA Immo meine Favoriten. Die Bank Austria hat ja bei der CA Immo eine Beteiligungserhöhung angestrebt, was nicht in vollem Ausmass gelungen ist, Anleger dachten, 12,35 ist der Boden, jetzt sind wir deutlich darunter.

Cafe BE: Und Ihre neuen Favoriten?

Neuwirth: CA Immo, dazu möchte ich die Polytec nennen, das Unternehmen ist zu billig bewertet und hat gutes Momentum. In der Wahrnehmung ist Polytec noch immer durch die Fast-Pleite vor zwei Jahren belastet, dabei hat sich das mittlerweile massiv gedreht. Das Unternehmen hat sich von einer hochriskanten Anlage zu einem soliden Investment mit Netto-Cash-Position gewandelt. Freilich hat man einen Entrepreneur an der Spitze, der immer für Überraschungen gut ist. Sonst möchte ich kein Unternehmen hervorheben, CA Immo und Polytec sind die Favoriten.

Cafe BE: Und wie hat sich der Fonds (Anm.: Salus Alpha RN Special Situations, ISIN:AT0000A0GYZ4) entwickelt?

Neuwirth: Wir haben bereits 34 Mio. Volumen, es gab trotz volatiler Märkte Mittelzuflüsse. Die Performance ist im Vergleich mit den Indizes sehr gut, dennoch nicht befriedigend. Seit Jahresbeginn ist es ein kleines Minus.

Cafe BE: Und Ihre Einschätzung der Immobilien-Aktien, Frau de Krassny? Die Immofinanz hatten Sie ja genannt ...

De Krassny: Die meisten liegen so weit unter dem NAV. Mein NAV ist Eigenkapital minus Firmenwerte, und nicht irgendetwas Hochgerechnetes. Mein Favorit ist die Immofinanz, die haben ausgeputzt, die Bilanz bereinigt. Als Zehetner gestartet ist, wurden rund 3,50 Euro wertberichtigt. Ich nehme an, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. conwert wiederum hat bewiesen, dass man über Buchwert verkaufen kann, da ist aber der Abstand zum Net Asset Value nicht mehr so gross wie bei der Immofinanz. Bei der CA Immo hab ich insofern ein bisschen Bauchweh, weil sie die Vivico gekauft haben, und das ist ein riesen Klumpen am Bein, da habe ich Vorbehalte. Da muss noch viel investiert werden. Zudem sehe ich bei der CA Immo die Bank als grossen Profiteur, weil Zinsen von ca. 5 Prozent bezahlt werden und ich eine Eigenkapitalrendite von unter 5 Prozent habe, da bin ich nicht dabei. Ich verstehe auch, dass die Bank CA Immo-Aktien zukauft. Also Immofinanz, auch die Zahlen war jetzt sehr gut. Das einzige, was ich bei Immofinanz vermisse: Das oberste Gebot müsste, wenn ich so weit unter NAV notiere, doch sein, Aktien zurückzukaufen und Immobilien zu verkaufen. Das sagt Zehetner nicht so klar, die conwert spricht das eindeutig aus. Ich mag von Zehetner nicht hören, dass er in Polen etwas kauft, sondern zum NAV verkauft.

Neuwirth: Umek macht bei der conwert genau das, was wir vor zwei Jahren gefordert haben, da wird der Jahrhundertboom bei Wiener Zinshäusern auch für Verkäufe genützt.

De Krassny: Genauso halte ich es für richtig, ich kann nicht nachvollziehen, warum man jetzt wieder in Deutschland bei den LBBW-Wohnungen mitbietet. Aus meiner Sicht ist das das falsche Signal an den Kapitalmarkt.

Cafe BE: Immofinanz also vor allem als Top-Gewicht, weil das Gap zum NAV noch nicht so gut geschlossen wurde?

De Krassny: Ja, conwert hatte auch mit der Übernahme der ECO ein Lucky Buy. Da waren wir auch dabei, jetzt vor allem mit der Wandelanleihe.

Cafe BE: Und in Richtung Übernahmekandidaten in Wien?

De Krassny: Da sehe ich nicht viel. Wolford haben wir eine sehr eingefahrene Aktionärsstruktur, die nicht sehr zugänglich ist. Was ich mir vorstellen könnte, ist eine Übernahme der THI. Einfach, weil es hier um eine nicht korrellierende Asset Klasse geht. Da wächst jeden Tag total unabhängig von den Weltproblemen Masse heran, das Problem ist, dass die biologischen Vorräte in der Bilanz meines Erachtens nach zu hoch sind, aber man muss das nicht bezahlen. Der NAV wird mit 17 Euro ausgewiesen, aber man hat einen Aktienkurs von 6 Euro. Der Einblick in die Bewertungsmodelle ist nicht so grossartig, aber PwC als Prüfer ist vertrauenswürdig, wenn das nicht passt, dann hol ich mir die (lacht). Stiftungen, die in Geld schwimmen, suchen nach Alternativen. Ob das Agrarflächen, Windräder oder eben Teak-Plantagen sind, man sucht Substanz. Im Fonds ist die Aktie nur gering gewichtet, ich habe auch die Wandelanleihe mit der Option zu 5 Euro. Aber Übernahmekandidaten generell in Österreich? Nein, da tu ich mir schwer.

Neuwirth: Wir hatten vor Jahren eine Übernahmewelle, das wurde abgearbeitet. Grundsätzlich tut sich nicht viel, mir fallen nur folgende Möglichkeiten - aber sicher nicht als „heiss“ zu bezeichnen auf einen Zeitraum von 3-5 Jahren - ein. Zunächst RHI, ein Evergreen und Herr Schlaff ist da ja nun doch schon ca. fünf Jahre drinnen. Dann die CA Immo, das haben wir besprochen. Auch Polytec haben wir besprochen: Huemer hat Anfang des Jahres die Beteiligung reduziert. Eine Uniqa möchte ich in den Raum stellen: Raiffeisen braucht bekanntlich Kapital, dazu ein neuer CEO, der eine Equity Story daraus machen will. Und hat sich Uniqa als Marke denn wirklich durchgesetzt oder sind die alten Marken nie in den Köpfen der Mitarbeiter abgelegt worden? Letztendlich Wolford: Die Familien haben schon vor einigen Jahren Palmers verkauft. Warum, nachdem jetzt richtig fein wieder rausgeputzt, nicht auch Wolford? Gerüchte gab es immer wieder.

Berger: Ich bin sehr skeptisch, was M&A betrifft. Global ja, aber in Österreich gibt
es kaum etwas. Im nicht börsenotierten Bereich kann etwas gehen, im börsenotierten Bereich möchte ich da wirklich keine Fantasie aufbauen. Zu den Immobilienaktien möchte ich sagen, dass man alle drei besitzen kann, aber man es als Österreicher immer wieder vergisst, dass es ja weltweit nicht nur drei Immobilienaktien gibt. Die Konkurrenz um das Kapital ist sehr gross, die kleinen Österreicher müssen doppelt so schnell laufen wie die Grossen, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. Bei der Immofinanz wurde zuletzt zu viel über die Financial Engineering-Dinge gesprochen, nicht über das Kerngeschäft. Bei der CA Immo bin ich anderer Meinung als Frau de Krassny, Vivico kann eine gute Sache werden, Deutschland ist eine grosse Chance.

Cafe BE: Die Runde spricht immer von drei Immobilien-Aktien, was muss die S Immo tun, damit es vier werden?

Berger: Die Genussscheinproblematik gehört gelöst, man muss die Dinge einfach machen. Dinge, die wir in Österreich gerade noch verstehen, will sich zB ein Engländer gar nicht erst anhören. Die Dinge müssen einfach sein. Die Firma selbst ist gut geführt, der Erklärungsbedarf kommt von den Genussscheinen her. Auch die Immofinanz hatte lange Zeit sehr viel zu erklären, das Financial Engineering wurde gut gelöst. Das beste Beispiel ist conwert: Die Story ist simpel, leicht zu verstehen. Jetzt ist die Story halt doch schon ordentlich gelaufen. Damit sind wir beim Thema Börse. Zur Zeit hat das Stockpicking wenig Wert, ich glaube, das wird sich wieder ändern. In diesen Tagen hedgt fast jeder mit Futures, da werden dann die Indexaktien querbeet verkauft, Stockpicking hat da wenig Bedeutung. Wir glauben, daran, dass das Beschäftigen mit der einzelnen Aktie das Sinnvollste ist. Daher auch die neuen Aktivitäten der Wiener Privatbank. M&A sehe ich in Wien wie gesagt nicht, das wird maximal als Hoffnungsschimmer eingesetzt.

Cafe BE: Was erwarten Sie für ATX und DAX in den nächsten Wochen und Monaten?

Berger: So dramatisch schlecht ist die Welt nicht, die Bewertungen, die KGVs sind günstig. Wir werden nach den Turbulenzen wieder auf Fundamentals schauen, dazu kommt ja auch, dass Aktien ein toller Inflationsschutz sind. Vieles sieht man halt nicht, wenn das Blut aus dem Computer herausspritzt. Ich hatte noch nie so viele Anfragen von Freunden und Bekannten bekommen, ob sie jetzt aus dem Schweizer Franken raussollen. Also den Schweizer Franken würde ich jetzt nicht drehen. Auch bei Gold sollte man aufpassen. Börse ist Psychologie, vor zwei Wochen dachte man, man könnte durchatmen, wir haben uns aber vom Timing her geirrt. Trotzdem spricht viel für wieder steigende Kurse.

Rosen: Die Krise 2008 hat mit sich gebracht, dass die Leute etwas von den Financial Assets weggegangen sind.

De Krassny: Im Gold hab ich kein Counterpart-Risiko.

Rosen: Auch das ist ein Punkt.

Berger: Als Asset Class wird sich Gold noch weiter durchsetzen, ist ja noch nicht lange so ein grosses Thema.

Cafe BE: Frau Rosen, Ihr Österreich-Kollege Thomas Neuhold nannte mir – wenngleich ebenfalls mit Hinweis auf geringe Wahrscheinlichkeiten – RHI, Wienerberger, Intercell, Telekom, Immofinanz – als M&A-Kandidaten. Ich möchte Sie um den internationalen Blick bitten, in welchen Branchen sehen Sie Möglichkeiten?

Rosen: Ich hätte ja eher die Schlagzeilen bei den IPOs gesehen als bei M&A, Stichwort LinkedIn oder vielleicht Facebook. Branchen, die im Bereich M&A genannt werden, sind zunächst einmal die Börsen mit NYSE Euronext und Nasdaq. Weiters Konsumgüter und der Versuch von Carl Icahn, Clorox zu übernehmen. Oder Infrastruktur-Plays wie zB Flughafenbetreiber. Über allem steht Verunsicherung, es gibt hohe Cash-Bestände, aber nur sporadische Deals. Man hält sich auch das Pulver trocken.

Cafe BE: Welche Branche würden Sie hervorheben?

Rosen: Am ehesten die Technologie, dort kommen die meisten Geschichten her. Dort ist man auch auf der Suche nach der jeweils nächsten Revolution.

Cafe BE: Schlussfrage – Sie alle sind lange im Geschäft. Gibt es eine persönliche Lieblingsaktie? Eine, für die Sie ein besonders gutes G’spür haben?

Berger: Andritz. Die haben eine gute, globale Auftragslage und eine bilanzielle und finanzielle Gesundheit. Von der Vorsehbarkeit und von der Qualität her ist Andritz eine Lieblingsaktie. Für aktivere Investoren ist die voestalpine grossartig.

Neuwirth: Gute Antwort, leider gibt es ja viel zu wenige Core Holdings in Österreich, also Firmen, die über den Zyklus hinweg wachsen. Andritz, Mayr-Melnhof, Semperit, dazu vielleicht Rosenbauer und Lenzing.

Berger: Auch Palfinger hat eine hohe Grundqualität.

Rosen: Mir gefällt IBM, eines der ersten Technologieunternehmen, das markant in Richtung Dienstleistung gegangen ist. Mit allen Problemen, die es im Service gibt.

De Krassny: Über die Jahre hindurch die Lieblingsaktie? Da möchte ich Semperit nennen.

Diskussionsleitung: Christian Drastil
Fotos: Katharina Schiffl http://www.boerse-express.com/cat/diasho...



(08.08.2011)

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Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

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