Cafe BE: IR zwischen GBs, Roadshows, (Bezahl)Research und Social Media (Christian Drastil)

Investor Relations im Umbruch. Wo gespart wird, was wichtiger wird. Hier die Zusammenfassung eines Experten-Talks, den ich am 9.6. im Cafe BE führen durfte. Mit Barbara Braunöck (Head of IR Wienerberger), Thomas Melzer (Vorstand /IR Brain Force) und Kerstin Schabhüttl (IR update software).

Cafe BE: Wie ist die IR-Abteilung bei Ihnen dimensioniert, wo hierarchisch angesiedelt? Beginnend vielleicht gleich mit Wienerberger ...

Barbara Braunöck: Wir sind angesiedelt beim CFO, wobei wir natürlich auch sehr eng mit dem CEO zusammenarbeiten. Wir decken die Bereiche Finanzmarktkommunikation mit Aktionären, Analysten ab, aber auch den Teil der Berichte, der nicht „Anhang“ ist, also Geschäftsberichte, Quartalsberichte. Und dann gibt es auch immer wieder Sonderaufgaben.

Cafe BE: Wie gross ist die Abteilung, die Sie leiten?

Braunöck: Fünf Leute mit mir.

Cafe BE: Und wie sieht es mit Mehrsprachigkeit aus?

Braunöck: Alles fokussiert auf englisch. Die Investoren, die für uns relevant sind, sprechen englisch.

Cafe BE: Weiter in der Runde geht die Frage an einen Vorstand, der den IR-Bereich mitmacht. Wie ist das Thema IR bei Brain Force strukturiert, Herr Melzer?

Thomas Melzer: Strukturiert ist es in Wahrheit überhaupt nicht, die IR-Abteilung gibt es nicht, Investor Relations-Dinge mache ich nebenbei mit – auch wenn „nebenbei“ ein bisschen abwertend klingt, aber so ist es. Ich habe einen Mitarbeiter, der mir bei der Erstellung der Quartals- und Geschäftsberichte hilft und auch für Präsentationen zuarbeitet. Er macht aber auch Treasury, M&A, Bewertungen, Risk Management und das hauptsächlich. Ich selbst widme etwa 10 Prozent meiner Arbeitszeit der Investor Relations. Das sind vor allem intensive Kontakte zum Kernaktionär Cross.

Cafe BE: Und wie sieht das bei update aus, Frau Schabhüttl?

Kerstin Schabhüttl: Bei update ist das Thema auch beim CFO angesiedelt, die IR-A
bteilung besteht aus mir. Die Tätigkeit umfasst den klassischen Bereich der Geschäftsberichte, rechtliche Abwicklungen, gemeinsam mit der Legal-Abteilung vor allem deutsches Recht. Dazu Investorenkontakte, wir haben doch etwas mehr Free Float; Investorenkontakte stellen sich natürlich für eine Ein-Personen-Mannschaft doch etwas schwierig dar. Aber es funktioniert recht gut.

Cafe BE: update ist ein österreichisches Unternehmen, notiert aber in Deutschland. Wo fliesst mehr Zeit rein? Deutsche Investoren nehme ich an ...

Schabhüttl: Definitiv Deutschland, unser Unternehmen ist auch am deutschen Markt viel stärker vertreten. Seit ich im Unternehmen bin, haben wir begonnen, auch den österreichischen Investorenmarkt stärker in den Fokus zu nehmen. Wir sind da ein Aussenseiter, das wissen wir. Es wird mehr und es ist ein Spagat. In Deutschland nimmt man uns nur begrenzt wahr und in Österreich ist es auch nicht leicht, aber der Weg stimmt.

Cafe BE: Wie kann man sich den typischen Tagesablauf eines IR-Mitarbeiters bei Wienerberger vorstellen, wobei schon klar ist, dass nicht jeder Tag gleich ist?

Braunöck: Auch wenn wir grösser sind, ist es nicht so, dass es ganz fixe Zuordnungen gibt. Jeder macht alles und es ist sehr jahreszeitenabhängig. Wenn Geschäftsberichts-Zeit ist, dann arbeiten alle am Geschäftsbericht. Da kann die Investoren- und Analystenkommunikation schon tageweise etwas in den Hintergrund rücken. Nach den Ergebnissen richtet sich der Fokus wieder auf Roadshows, Meetings, Conference Calls.

Cafe BE: Wieviele Roadshowtage macht Wienerberger in einem Jahr?

Braunöck: Zwischen 35 und 40 netto.

Cafe BE: Und wie hat sich diese Zahl in den vergangenen Jahren verändert?

Braunöck: Das ist relativ stabil, weil auch die geografische Verteilung unserer Aktionäre relativ stabil geblieben ist. Das bedeutet, dass wir regelmässig die selben Destinationen anfliegen.

Cafe BE: Welche sind das?

Braunöck: Nordamerika, wir haben viele angelsächsische Investoren, dazu die europäischen Finanzzentren; London, Frankfurt, Paris ...

Cafe BE: ... Warschau?

Braunöck: Warschau weniger, weil die polnischen Investoren auf die österreichischen Bankenkonferenzen kommen und dort stark vertreten sind. Wir nennen diese Konferenzen von UniCredit, Erste Group und RCB „Speed Dating“, das ist sehr effizient für uns.

Cafe BE: Und wie viele One-on-Ones macht Wienerberger im Jahr? Ist das eher CEO- oder CFO-Sache?

Braunöck: Ich würde sagen zwischen 300 und 400. Es liegt ein bisschen mehr beim CFO, aber es wird grundsätzlich geteilt. Wir gehen immer gleichzeitig mit zwei Vorstandsteams auf Roadshow, ein Vorstand fliegt mit ein Mal IR nach Frankfurt, ein anderer gleichzeitig mit ein Mal IR nach Paris zum Beispiel. Auf manchen Konferenzen macht auch die IR-Abteilung tageweise die One-on-Ones alleine.

Cafe BE: Herr Melzer, wie oft präsentieren Sie Brain Force im Jahr? Ich zähle Sie doch zu den auffälligeren Unternehmen unter den Kleinen ...

Melzer: Ehrlich gesagt hab ich noch nie die Roadshowtage gezählt, in den vergangenen zwei Jahren war das aber auch an einer Hand abzählbar. Man muss sich ja auch immer überlegen, was man den Investoren eigentlich erzählen soll. Wenn ich mir die Entwicklung der Brain Force in den vergangenen Krisenjahre ansehe, dann standen Restrukturierung und Optimierung im Mittelpunkt. Solange ich ergebnismässig keinen wirklichen Erfolg aufzeigen kann, kann ich auch schwer auf Roadshow gehen. Ich war 2010 zwei Tage in Deutschland unterwegs und eben bei Euch auf einer Roadshow. Für 2011 möchte ich das intensivieren, da sich die Ergebnisse bessern. Ich war vor kurzem in Deutschland unterwegs und es hat mich sehr gefreut, dass man sowohl im Kurs als auch besonders im Handelsvolumen etwas gesehen hat. Der Plan ist jetzt, die sich abzeichnende erfolgreiche Restrukturierungsstory der Brain Force ein bisschen stärker wieder in den Markt hinauszutragen und bei diversen Veranstaltungen zu präsentieren, zB am 16. Juni am Small Cap Day in Wien, dazu Ende August auf einer Small Cap Konferenz in Frankfurt. Weiters das Eigenkapitalforum im November – hier überlegen wir, ob wir gemeinsam mit unserem Market Maker Silvia Quandt ein paar Investorentermine organisieren. Ein Microcap wie wir muss sich das alles gut überlegen. Ich traue mich zu behaupten, dass man mich im österreichischen Kapitalmarkt – ja eben auch jahrelang Wienerberger - ein wenig kennt, viele Fondsmanager und Banker habe ich mal getroffen und denen die Story erzählt. Es ist aber schwer, wirklich spezialisierte Microcap-Investoren zu finden. Da bin ich in Deutschland, wo wir ja auch an die Börse gegangen sind, wahrscheinlich besser aufgehoben.

Cafe BE: Frau Schabhüttl, Sie haben bei vielen Dingen, die Herr Melzer eben gesagt hat, genickt ...

Schabhüttl: Im Endeffekt ist es von der Unternehmensgeschichte in den vergangenen Jahren ganz ähnlich gewesen – der Umsatz ist weggebrochen, das Ergebnis ist weggebrochen, wir haben ebenfalls einen Umbau des Geschäftsmodells gemacht. Das ist keine Zeit für Roadshows. Heuer sehen wir, dass sich das alles wieder gut entwickelt, im 2. Halbjahr werden wir uns wieder auf Roadshows begeben. Beim Eigenkapitalforum haben wir versucht, reinzukommen, das aber nicht geschafft. Wir werden aber dort sein.

Melzer: Wir werden beim Eigenkapitalforum auch nicht präsentieren, aber Termine vor Ort machen.

Schabhüttl: In München machen wir im Dezember einen Termin, Wien wahrscheinlich erst 2012. Wir haben eine gute Geschichte dahinter, verfügen aber eher über einzelne Investoren, seit Dezember zB einen sehr interessierten Fünf-Prozent-Investor.

Cafe BE: Neues Thema, der Geschäftsbericht. Wieviele Ressourcen werden da investiert bei Wienerberger?

Braunöck: Relativ viele Ressourcen, die Endverantwortung liegt bei mir, inhaltlich in Abstimmung mit dem Vorstand und Controlling. Wir beginnen im Dezember mit den Vorbereitungen, veröffentlicht wird er im März. Dazwischen absorbiert der Geschäftsbericht gut und gerne zwei Drittel unserer Zeit.

Cafe BE: Der gesamten IR-Abteilung?

Braunöck: Ja, das muss alles abstimmt werden, geschrieben werden, übersetzt werden, die Zeit fliesst eigentlich mehr in die Korrekturarbeiten ein.

Cafe BE: Und wie läuft der optische Kreativprozess, da gibt es ja recht nette Stücke, auch der von Wienerberger kann ja einiges ...

Braunöck: Das wird mit der Agentur abgestimmt, das kreative Briefing kommt zunächst einmal von mir. Vorschläge werden dem Vorstand präsentiert, der entscheidet dann, welche Variante wir machen.

Cafe BE: Und auch hier die Frage nach der Dimension. Ist der Kostenrahmen über die Jahre stabil geblieben?

Braunöck: Wir haben das Budget für den Geschäftsbericht gekürzt, also ein bisschen weniger Aufwand, zB bei Fotostrecken, aber insgesamt genauso viel Arbeit.

Cafe BE: Inwieweit ist der Online-Geschäftsbericht eine wesentliche Karte geworden?

Braunöck: Ich persönlich sehe das nicht. Wir haben sehr geringe Zugriffsraten auf den Online-GB. Das mag auch daran liegen, dass sämtliche Informationen ohnedies auch auf der IR-Homepage stehen. Der Online-GB ist eine Zusatzübung, die nicht intensiv genützt wird.

Cafe BE: Dafür merken wir selbst dieser Tage, dass die Geschäftsberichte als simples PDF, sei es nun über unser Digital Paper-Tool auf Issuu oder in der IReport-App für das iPad, stark gelesen werden. Ihr seid ja mit Wienerberger, danke dafür, dabei, 5500 Abrufe in einem Monat für den GB 2010 ist eine schöne Zahl. Ich selbst hab ihn auch auf dem iPad durchgewischt und kenn ich daher gut ...

Melzer: PDF ist gut, den alternativen Online-GB braucht man eigentlich eher, um bei Awards dabei zu sein. Ich finde, das ist eine absurde Entwicklung. Ich selbst stelle auch das PDF online, wir sind ja auch bei Euch in der App dabei. Die Tablet-PCs haben das PDF greifbarer gemacht.

Braunöck: Wir haben das umgestellt, machen nicht mehr den Online-GB, sondern ein PDF mit ein paar Gustostückerln. Da konnten wir viel sparen. Im Verhältnis zu den Zugriffsraten hat sich der Online-GB nicht gerechnet.

Cafe BE: Wieviele Stück druckt Wienerberger physisch?

Braunöck: Rund 20.000, etwas mehr in englisch als in deutsch. Ein paar tausend Stück werden direkt über uns bestellt.

Melzer: Wenn ich mir den Geschäftsbericht von einem Unternehmen ansehe, dann mache ich das nicht online. Ich will das blättern können, in der Hand haben. Die Idee des Online-GB mit Querverweisen ist recht gut, aber aus meiner Sicht funktioniert das nicht, ich kann mir zB auf eine elektronische Sache keine Notizen machen.

Cafe BE: Wieviel Zeit fliesst bei Brain Force in den GB?

Melzer: Ich würde sagen, dass wir ein Monat ziemlich intensiv daran arbeiten. Wir haben ein schiefes Wirtschaftsjahr, wollen immer vor Weihnachten fertig sein. Da arbeiten im Unternehmen drei Leute sehr intensiv daran: Mein Konsolidierer für das Zahlenwerk und den Anhang, dann der Treasury-Mitarbeiter für den Text, mein Job ist das Redigieren und das Einbringen von ein paar Ideen. Unsere Marketingabteilung in Deutschland setzt den GB inhouse. Für uns ist das ein grosser Aufwand, 100 Seiten Information liefern ein Riesenpotenzial an möglichen Fehlern.

Cafe BE: Wieviel Stück machen Sie physisch?

Melzer: Unter 1000, einige hundert in englisch. Die brauchen wir für unsere Tochtergesellschaften und die brauchen das wiederum für die Kunden. In den drei Jahren, in denen ich bei Brain Force bin, hatte ich noch keinen einzigen englischsprachigen Investorenkontakt. Wir konzentrieren uns ganz klar auf Deutschland und Österreich.

Schabhüttl: Bei uns ist es ebenso ein intensives Thema, beginnt im Dezember, endet mit dem Druck Anfang Mai. Aktuell produzieren wir 600 Stück, das hat sich immer weiter reduziert. Auch wir produzieren alles selbst, ganz ohne externe Dienstleistung. Zuständig sind IR und Controlling, dazu eine Abstimmungsrunde mit dem Marketing. Marketing wird wichtiger, weil der GB vom Finanzinformationsinstrument auch zum Marketinginstrument wird. Die Möglichkeiten sind ja vielfältig. Online haben wir auch ein PDF mit ein wenig Navigation, ein weiterer Aufwand würde nicht in Relation stehen. Eine Agentur wickelt uns das dann mit Druck und so ab.

Cafe BE: Die Performance der update-Aktie passt, Ihr liegt year-to-date schön im Plus. Wie schafft man es, dass die Leute das überhaupt mitbekommen, wie schafft man Visibilität für das Unternehmen, für die Aktie, ohne jetzt einen Batzen Geld in die Hand zu nehmen?

Schabhüttl: Das ist wirklich schwer, es geht vor allem über persönliche Kontakte. Wir haben auch früher gesehen, dass – selbst, wenn wir wirklich gute Quartale hatten – sich kaum etwas im Kurs getan hat. Es fängt jetzt an, weil die Story eine andere, eine spannendere, ist. Cloud-Computing, die ganze SaaS (Anm.: Software as a Service)-Geschichte ist mehr in den Medien, so bekommen wir mehr Visibilität. Social-CRM bringt uns nach vorne, da geht es eher um Innovationskraft beim Produkt.

Cafe BE: Neue Story kann ja ein Fall für Research sein ...

Schabhüttl: Wir haben mit der MM Warburg einen guten Researcher und viele unabhängige in Deutschland, die über uns berichten. Die tun das gerne und intensiv. In Österreich sind wir nicht abgedeckt. Kontakte mit Banken in Österreich sind nicht vorhanden, was Research betrifft.

Melzer: Natürlich ist es positiv, wenn zwei oder drei Analysten eine Aktie covern, weil es dann auch zwei oder drei externe Meinungen zur Aktie gibt. Wir müssen ja für Research zahlen. Uns macht niemand Gratis-Research, weil das daraus erzielbare Volumen für die Händler zu gering wäre.

Cafe BE: Eure Aktie ist ja year-to-date auch im Plus ...

Melzer: Ich glaube, wenn die Branche nicht im Trend liegt, wenn sich alle auf Large Caps konzentrieren, wenn grosse Makro-Themen vorherrschend sind, kann man tun, was man will, es wird nichts helfen. Das ist eine ganz andere Welt. Man ist teilweise sehr weit unter jeder Wahrnehmungsgrenze. Was bleibt, ist, dass man sich die Stockpicker heraussuchen kann. Da gibt es Microcap-Spezialisten. Und das geht nur über persönliche Kontakte und Meetings. Die Investoren wollen auch den Vorstand sehen.

Cafe BE: Sie waren jahrelang bei Wienerberger; ein Unternehmen, das nicht für Research bezahlen muss, jetzt bezahlen Sie. Besteht da nicht die Gefahr einer anderen Wertigkeit?

Melzer: Die Gefahr besteht natürlich. Da ist es wichtig, dass man sich gute und integre Analysten sucht. Felix Ellmann von Warbung, der das bei uns macht, würde niemals eine Meinung von sich geben, von der er selbst nicht überzeugt ist. Der Bezahl-Research ist auch so gestaltet, dass man zu Jahresbeginn zahlt, damit man dann keinen Druck ausüben kann.

Schabhüttl: Ellmann hat viel Ahnung von der Branche, macht auch update software. Der lässt sich da auch nicht dreinreden.

Cafe BE: Fehlt kostenpflichtiges Research aus österreichischer Hand oder wäre das gar nicht marktfähig?

Schabhüttl: Wenn man sich nicht nur auf den österreichischen Markt spezialisiert, kann das schon funktionieren.

Melzer: Ich kann die Wirtschaftlichkeit nicht beurteilen, aus Unternehmenssicht wäre das sicher interessant. In Österreich müssen ja nur die ATX-Unternehmen nicht für Research bezahlen. Insofern glaube ich schon, dass so etwas gut wäre.

Braunöck: Ich glaube, es ist wahnsinnig schwierig, Industrieexperten aufzubauen, die dann auch Auslastung erzielen. Und jemand, der alles abdeckt, weiss zwar von allem ein bisschen was, aber das ist zu wenig.

Cafe BE: Und wie sieht es mit der Analysten-Coverage bei Wienerberger aus?

Braunöck: 20 Analysten covern uns, das ist eher ein Luxusproblem, weil das natürlich auch sehr viel Aufwand in der Betreuung ist. Es ist zwar schön, ein breites Spektrum zu haben, aber viel Arbeit mit Treffen und regelmässigen Conference Calls. Es gibt Analysten, die sich regelmässig melden, und solche, die vielleicht einmal im Jahr updaten.

Cafe BE: Die Umsätze sind in Wien deutlich zurückgegangen heuer, einige Ihrer Kollegen machen sich Sorgen, dass Investoren vergrault werden, weil man eventuell aus den einmal gekauften Aktien nicht mehr rauskommt ...
Braunöck: Bei uns ist das kein grosses Thema, wir haben noch immer ausreichende Liquidität.

Cafe BE: Eine kleine Runde mit Anliegen ...

Melzer: Ich glaube, die Wiener Börse muss sich überlegen, wie sie mit dem Prime Market weiter umgeht, irgendwann kommen die ganzen Unternehmen abhanden, wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, das kann nicht im Sinne des Handelsplatzes sein. Rückwirkend betrachtet war es für uns sicher ein Fehler, in Frankfurt zu delisten. Das wird die Wiener Börse nicht gerne hören, aber dem muss sie sich stellen. Wir sind aus dem Wiener Prime Market gefallen aufgrund des Grössenkritieriums, in Frankfurt gibt es dieses Kriterium nicht. Ich sehe den Prime Market als Qualitätssegment und Qualität hat nichts mit Grösse zu tun. Wenn ich als kleines Unternehmen ohnehin schon schwer Aufmerksamkeit bekomme, dann hilft es nicht viel, wenn ich mich aus dem Prime Market verabschieden muss, weil ich klein bin. Das hilft imagemässig natürlich nicht. Wenn sich unser Kurs nicht verdoppelt, sehe ich derzeit auch keine Möglichkeit für unser Comeback im Prime Market.

Cafe BE: Und der mid market?

Melzer: Die Herumspringerei in den Segmenten bringt meiner Meinung nach überhaupt nichts. Wir halten uns immer noch an Prime Market-Regelwerk, sind aber nicht drinnen aufgrund der Streubesitzkapitalisierung. Ob ich nun im Standard market continues oder im mid market, der ja ohnedies nicht wirklich funktioniert, bin, ist mir egal. Ich verstehe es nicht, dass man den ohnedies kleinen Wiener Markt in so viele Segmente aufteilt. Ich finde es schade, wie mit dem österreichischen Kapitalmarkt umgegangen wird. Wien ist ohnedies sehr klein, da ist alles Negative umso verheerender. Die Investoren spüren es, wenn die Sozialdemokratie den Kapitalmarkt am liebsten in Grund und Boden stampfen will. Viel mehr kleine Unternehmen sollten an den Kapitalmarkt strömen, jedoch fehlen die Rahmenbedingungen.

Braunöck: Vor allem auch im Hinblick auf Basel III, wo die Finanzierung ja ohnedies schwieriger wird. Gerade da ist es notwendig, dass man einen Rahmen schafft, damit sich Unternehmen Eigenkapital holen können.

Melzer: Der Börse Express schreibt ohnedies laufend über den Rückgang der Handelsumsätze, was auch richtig ist.

Cafe BE: Wir werden dafür durchaus kritisiert. Es ist dies aber das einzige „beweisbare“ Argument, das die aktuelle Fehlentwicklung in unserem Land, nämlich entgegen dem internationalen Trend, aufzeigt. Alles andere fällt in den Bereich der Parteiprogramme, der Ideologie. Und nicht nur die Sozialdemokratie ist daran schuld, das Finanzministerium hat meiner Meinung nach auch ausgelassen, obwohl dort wie ich höre die KESt-Befürworter intern klar in der Minderheit sind. Der Preis einer nicht funktionierenden Koalition zu Lasten des Standorts. Bei den aktuellen Volumina mit Hälfte-Rückzug der Inländer wäre das KESt-Aufkommen ein Witz.

Melzer: Über die Sinnhaftigkeit der KESt brauchen wir nicht reden. Ein Drama.

Cafe BE: Ist für update die Börse Wien ein Thema?

Schabhüttl: Ausschliessen möchten wir das nicht, aber so wie es sich aktuell entwickelt, ist es kein Thema.

Melzer: Seit wir mit Silvia Quandt einen Designated Sponsor haben, wird in Deutschland wieder deutlich mehr gehandelt, das Volumen hat sich verdoppelt. Wir sind wieder im Fliesshandel, das kostet aber Geld. Ich nehme den Fehler, auf zwei Börseplätze aufzuteilen, auf mich. Man kann nicht so einfach zwischen zwei Börseplätzen umbuchen, das ist auch für den Market Maker komplex.

Cafe BE: Hat Wienerberger eigentlich noch ADRs in New York?

Braunöck: Ja, aber ohne grössere Bedeutung. Mittlerweile bekommen wir Unternehmen sogar ein bisschen Geld dafür, ich bin da emotionslos. Zum vorher gesagten: Das Verständnis, dass der Kapitalmarkt in Österreich eine volkswirtschaftliche Bedeutung hat, fehlt. Es ist schade, denn es geht ja auch um Arbeitsplätze.

Cafe BE: Und ich denke, die Frage bezüglicher Shareholder ID geht auch exklusiv an Wienerberger ...

(alle lachen) Braunöck: Wir führen das zweimal im Jahr durch, zum Halbjahr und zum Geschäftsbericht. Wir wollen vor den Roadshows einfach aktuellere Daten haben.

Cafe BE: Thema C.I.R.A.. Wie erleben Sie die Verbandstätigkeit?

Braunöck: Vor zwei Jahren wurde die Organisation und die Struktur der Veranstaltungen geändert, hin zu Round Tables zu gewissen Themenschwerpunkten. Das finde ich sehr gut und sehr spannend. Leider habe ich persönlich sehr oft keine Zeit dafür - zu viel unterwegs oder zu viel zu tun. Ich finde das schade, weil das Format sehr gut für einen Austausch ist.

Schabhüttl: Die C.I.R.A. hat zuletzt sogar eine Telco angeboten, das war interessant.

Braunöck: Je später am Abend, desto eher haben die Leute Zeit, aber das ist wieder für die vielen Kollegen aus den Bundesländern kompliziert.

Melzer: Ich glaube, die C.I.R.A. hat mit der Generalsekretärin Marlene Binder sehr an Servicekompetenz gewonnen. Früher haben wir das alle ehrenamtlich nebenbei mitgemacht. Jetzt gibt es mit der – dankenswerten – starken Unterstützung der Wiener Börse eine viel bessere Plattform. Man merkt ganz klar, dass, wenn sich jemand auf eine Aufgabe konzentriert, alles viel besser läuft. Man bekommt auf Fragen innerhalb kürzester Zeit schönes Feedback.

Schabhüttl: Wir waren länger nicht in der C.I.R.A., ich sehe das jetzt aber extrem positiv. Die Themen sind spannend, Themen, die beschäftigen, zB Social Media im IR-Bereich.

Braunöck: Es ist ein institutionalisierter Best-Practice-Austausch, und das ist positiv. Sonst müsste man mit all diesen Menschen Mittagessen gehen und das geht ja zeitlich nicht.

Cafe BE: Und wie sieht es mit dem Thema Social Media bei Ihnen aus? Hat das für die IR eine Bedeutung?

Schabhüttl: Es ist ein Dialog mit dem Marketing, wir wollen gute, aber auch die weniger guten Nachrichten bringen. Marketing sieht das anders. In Österreich gibt es da insgesamt Aufholbedarf. Wir haben einen Vorteil, weil das komplette Unternehmen jung und technologie-affin ist. Facebook, Twitter, LinkedIn, das sind schon wichtige Kanäle für uns. update hat auch ein Social-CRM-Tool entwickelt. Die Nachfrage ist gross, obwohl ein Tool nicht alle Fragen beantwortet.

Melzer: Bei uns ist das noch kein Thema, wir haben die Ressourcen nicht dafür. Twitter nutze ich gerne als Empfänger. Die Landesgesellschaften haben teilweise eigene Twitter-Accounts. Xing und LinkedIn verwenden wir vorwiegend für das Recruiting.

Braunöck: Ich glaube, dass wir an diesem Thema nicht vorbeikommen. Auch ich sehe das eher im Marketing angesiedelt. Im IR-Bereich bin skeptisch. Man muss sich erst die Frage „was will ich damit erreichen?“ stellen und macht man das intensiv, man muss sich auch die Kosten/Nutzen-Frage stellen. Weiters muss man die rechtlichen Pflichten bzgl. Veröffentlichungen beachten.

Cafe BE: Abschliessend je zwei kurze Sätze zur HV bitte ...

Braunöck: Es kommen rund 400 Leute, Anwesenheitsquote zwischen 30 und 40 Prozent.

Melzer: Bei uns ist das umgekehrt, 30 bis 40 Personen anwesend, Präsenz aber über 50 Prozent. In einer Streubesitzgesellschaft hat es eine andere Relevanz.

Schabhüttl: Bei uns ca. 40 bis 50 Personen, etwas mehr als 30 Prozent Anwesenheitsquote.

Diskussionsleitung: Christian Drastil
Fotos: Franz-Josef Galuschka


(17.06.2011)

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Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

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