Das ATX-Jahr 2010: Börseerholung geht weiter, Justiz muss viel aufarbeiten; Polit-Watschn zum Abschluss (Christian Drastil)


Bereitete Dubai 2009 den Boden für Misstrauen ­gegen Staats-Schulden mustergültig auf, rieb 2010 Griechenland genüsslich Salz in die Wunden: Athen hatte sich bei seinen Budget-Defizitzahlen (wieder einmal) geirrt. Derart, dass IWF und EU um Geldspritzen angepumpt werden müssen - Ratingagenturen sagen zu dem Staat nur noch Junk. ­Unsicherheit breitet sich wieder aus. Auch gegenüber Banken, da gefürchtet wird, dass diese bei Staatspleiten hohe Wertberichtigungen vor sich haben. Um die Angst zu lindern, entschliesst sich Europas Bankenaufsicht CEBS dazu, die Institute des Kontinents einem Stresstest zu unterziehen. Dieser gelingt zwar, nur wenig später müssen aller­dings irische Banken notverstaatlicht werden, das Land selbst bekommt ­ebenfalls EU-Hilfe.

In diesem Umfeld blieb es dabei: Im Oktober 2007 gelang in Wien Strabag das bis dato letzte IPO. Auch 2010 war die Zeit dafür nicht reif, die längste ­IPO-lose Zeit des ATX wurde prolongiert. Gegen ­Jahresende kam dann aber im Kapitalerhöhungsbereich Hektik auf, EVN und Verbund traten sich beinahe auf die Füsse. Auch rundherum ging es bei dem Stromtiteln rund. Im Zuge der EVN-Kapitalerhöhung wollte sich Grossaktionär EnBW von ­seinen Anteilen trennen, der gebotene Preis war den Deutschen schlussendlich aber zu gering, CEO Burkhard Hofer, der wenig später seinen Rücktritt einreichte, musste einen zweiten Anlauf zur Geldbeschaffung starten. Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber ­hingegegen brachte überhaupt das Kunststück ­zustande, den Sanktus von Hauptaktionär Republik Österreich zu einer Kapitalerhöhung zu bekommen.

Ein ähnliches Kunststück brachte Wolfgang ­Auer von Welsbach zustande. Dieser verkaufte Genussscheine an Anleger, die er nicht mehr zurückkaufen konnte. Anfang Mai wird der Konkurs über der ­Gruppe eröffnet. Die Justiz ermittelt wegen des ­Verdachts auf Betrug, Untreue und Steuerhinterziehung. Apropos Kriminal: Im Zuge der Skylink-Affäre kommt es zu ersten Hausdurchsuchungen. Ende des Jahres wird dann CEO Herbert Kaufmann ­endgültig ein Skylink-Opfer.

Wir bleiben in der Branche. Letztmals flog ’09 die AUA an die Börse, seit Februar nicht mehr. Im ­selben Monat stockte Air Berlin bei Flyniki von 24 auf 49,9 Prozent auf, plus der Option auf 100 Prozent.
Beendet wurde die Trennung zwischen RZB und der Ostbankentochter Raiffeisen International. Die Fusion zur Raiffeisen Bank International wird im Oktober ins Firmenbuch eingetragen. Ähnliches macht die Telekom Austria, diese kündigt ebenfalls im Februar die Fusion der Festnetz- mit den ­Mobilfunkeinheiten an.

Nicht getrennt, sondern gebunden hat sich bwin. Gemeinsam mit der britischen PartyGaming ­entsteht der weltgrösste börsenotierte Online-Glücksspielkonzern. Und die OMV schnappt sich endgültig mit Petrol Ofisi den grössten türkischen Tankstellen-Betreiber. Weiters steigt Oleg Deripaska wieder bei Strabag ein, mit 17 Prozent. Im Gegen­zug bekommt Strabag die Sperrminorität am russischen Strassenbaukonzern Transstroy.

Dafür schlittert A-Tec in die drittgrösste Insolvenz der österreichischen Industriegeschichte und ­OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer fällt ein Aktien­kauf aus 2009 auf den Kopf - die FMA klagt ihn wegen ­Insiderhandels an.

Das Licht der Welt betritt der Tablet-Computer iPad von Apple. Binnen kürzester Zeit hat der ­­­US-Konzern nach dem iPhone den nächsten Verkaufs­schlager. Und Zulieferer AT&S den nächsten ­Gross­auftrag zur Leiterplattenproduktion.

In Summe beendete der ATX das Jahr mit mehr als 2900 Punkten, ein Plus von 16 Prozent. Ach ja. Und dann wurde noch die Wertpapier-KESt ­beschlossen. Ein Thema, das 2011 seine Auswirkungen zeigen wird ...

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(10.01.2011)

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Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

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