Business Angel gesucht - was die Kreativen der Musikindustrie derzeit beschäftigt (Christian Drastil)

Neben Börse Express, Venture Woche und Fonds Express machen wir mit fresh:music (gratis bestellbar unter http://www.boerse-express.com/nl ) auch ein wöchentliches Musik-PDF. Mit der gestern versandten Ausgabe starteten wir eine (lose) Gesprächsserie mit den Machern in der österreichischen Musikindustrie. Für mich eine spannende Sache, weil es mich einfach sehr interessiert, was die Musikindustrie zu sagen hat. Natürlich werden wir diese Interviews anders führen, als sie beispielsweise ein Musikmagazin führen würde. Uns tangiert der Business-Aspekt natürlich ebenfalls sehr. Letztendlich soll ja auch der Konsument wissen, warum sich beispielsweise ein Preisniveau so entwickelt, wie es das halt gerade tut. Alexander Hirschenhauser, Chef der Soul Seduction und als solcher für Karrieren wie Kruder & Dorfmeister verantwortlich, bringt meiner Meinung nach den Status quo einer Branche gut auf den Punkt. Wenn er etwa über „zunehmende Arbeitsbelastung und nötige Effizienzsteigerung durch Kreativität“ sinniert, dann erinnert mich das auch sehr stark an unser Tagesgeschäft als Plattform-Betreiber im Internet.

Hier das Interview im Original:


Herr Hirschenhauser, wie läuft es bei der Soul Seduction?

Alexander Hirschenhauser: Im derzeit extrem schwierigen Marktumfeld der Musikindustrie den Umständen entsprechend relativ gut. Am gesamten Musikmarkt können ja bekanntlich die seit Jahren rück-läufigen Umsätze mit physischen Tonträgern noch nicht durch die Zuwächse im digitalen Bereich wettgemacht werden. Also ist permanenter Ideenreichtum gefragt, um während dieses Prozesses der Wandlung gesund zu bleiben. Das bedeutet auch eine zunehmende Arbeitsbelastung für jeden einzelnen, der in dieser Industrie beschäftigt ist, was nur durch Kreativität zur persönlichen Effizienzsteigerung zu bewerkstelligen ist. Am österreichischen Markt haben sich unsere Umsätze zuletzt ähnlich wie bei den meisten Kollegen entwickelt. Was uns enorm hilft, ist, dass wir bereits fast die Hälfte unserer Betriebsleistung im Export erwirtschaften, und dieser Bereich zeigt auch schöne zweistellige Zuwächse.


Wie viele Mitarbeiter stellen sich derzeit dieser „zunehmenden Arbeitsbelastung“?

Wir haben derzeit 20 Mitarbeiter, sieben davon Teilzeit.


Was sind Ihre grossen Projekte für den weiteren Jahresverlauf?

Unser wichtigstes Projekt für 2007 ist unsere erste hauseigene Compilation, welche als „soulseduction 0.0" in der zweiten Jahreshälfte erscheinen wird - also sozusagen die Nullnummer als Pilotprojekt. Wir werden ausschliesslich aktuelle Highlights aus unserem weltweit exklusiven Vertriebsrepertoire zusammenstellen und diese Compilation in einem für den Konsumenten charmanten Preissegment ansiedeln. Das Ziel ist, beim geneigten Hörer „Lust auf mehr" zu machen, will heissen, auf die Artist-Alben der vertretenen Künstler zu verweisen. Selbstverständlich wird das ein eng verwobenes physisch/digitales Projekt. Ein weiteres sehr wichtiges Projekt ist die Neukonzeptionierung unseres Retail Stores „Black Market“ in der Wiener Innenstadt nahe der Börse. Meine Stichworte dazu sind: Noch mehr Style, eigenständiges Cafe-Bar-Angebot inklusive Food auch im Takeaway, Zusammenführung von physischem und digitalem Musik-Angebot im stationären Einzelhandel.


Und die - neben der Compilation - wichtigsten Releases?

Die wichtigsten neuen Alben werden vor dem Sommer von Mo Horizons, Waldeck und Cinematic Orchestra kommen, für die Herbst/Wintersaison freuen wir uns bereits auf Rodney Hunter, Parov Stelar und voom:voom, das Brainchild von Peter Kruder und Christian Prommer von Fauna Flash. Der Joker im Talon sind die Moon-shine Session vom Gton Project-Mastermind Christophe Cohen-Solal, der im Herbst den Bluegrass-Sound aus Nashville/Tennessee einer ganz neuen Hörerschicht näherbringen wird.


Als Business Medium müssen wir das fragen: Ist die Sache kommerziell ein Erfolg?

Als spezialisierter Nischenanbieter (Soul/Funk/Jazz, World, Club, Electronica, Adult Pop - „music for the active listener") kann man maximal das Ziel haben, Marktführer in der eigenen Nische zu sein und das sind wir am nationalen Markt seit vielen Jahren. International gesehen spielen wir in unserem Marktsegment in der Oberliga mit, das ist sehr schön und auch beachtlich für ein Unternehmen, das von einem sehr kleinen Heimmarkt aus operiert, ein eigener Firmenjet geht sich da dennoch nicht aus, das ist aber auch niemals unser Ziel gewesen. In der Independent-Musikbranche zählt nicht das Einkommen an erster Stelle. Unser grösstes Asset ist der international werthaltige Consumer Brand „Soul Seduction", und theoretisch hätten wir einige grössere Ideen, dieses Potenzial auch wirtschaftlich maximiert global auf die Strasse zu bringen. Doch fehlt wie so oft das Kapital, um alle Ideen umzusetzen. Wo ist der Business Angel?


„Wo ist der Business Angel?“ gefällt uns. Diesen Sager werden wir nächste Woche auch im fresh:music-Schwesterprodukt „Venture Woche“ bringen. Da werden sie dann von selbst anrufen, die Angels. Angels interessiert auch die Internet-Strategie. Wie siehts da aus?

Wir betreiben mit www.soulseduction.com seit dem Jahr 1999 einen sehr erfolgreichen B2C Online-Store, der seit 2005 auch digitale Downloads anbietet und aktuell ca. 80% international direkt an Konsumenten ausliefert. Es versteht sich für uns von selbst, dass es bei uns digitale Downloads im universell kompatiblen mp3-Format gibt, denn das ist das einzige digitale Format, das vom Konsumenten wirklich gewünscht wird. Auch sind wir stolz darauf, dass wir einen der weltweit ganz wenigen Online-Stores betreiben, wo man Musik sowohl auf physischem Tonträger als auch als Download kaufen kann. Denn sehr viele Musikfreunde wollen manches als Tonträger im Regal stehen haben und anderes zum schnellen Genuss als digitale Files. Das Angebot umfasst derzeit ca. 50.000 Titel als physische Tonträger und an die 10.000 Songs als Downloads. Das Download-Angebot wird laufend ausgebaut, so schnell wir als kleine Firma das eben können. Unser wöchentlicher Newsletter geht an derzeit knapp 15.000 von insgesamt 30.000 registrierten Usern. Die nächsten Projekte sind: Downloads im WAV-Dateiformat und Mehrwert-Packages, z.B. das Video zum Musik-Download. Im B2B-Bereich haben wir seit 2005 mit Soul Seduction Digital Distribution (SSDD) das meines Wissens einzige Aggregation-Service in Österreich aufgebaut, derzeit erledigen wir den Upload auf ca. 100 Download-Plattformen in aller Welt und die Administration der dort generierten Umsätze. In diesem Bereich sind wir stolz darauf, nicht nur die üblichen Verdächtigen wie i-tunes in allen Märkten, musicload.de, tiscali, yahoo oder MSN zu beliefern, sondern auch kleinere Nischen-plattformen auf allen fünf Kontinenten. Das über uns weltweit exklusiv ausgelieferte Upload-Repertoire umfasst derzeit die Kataloge von ca. 60 Independent-Labels.


Letzte Frage: Rednex versucht, sich selbst um Rufpreis 1,5 Mio. Dollar zu versteigern. Zukunftsweisend oder Blödsinn?

Rednex ist/war ein Retorten-Bandprojekt aus Schweden und als solches nichts anderes als ein durch massives Marketing aufgebauter Consumer-Brand. Warum soll man also einen Markennamen samt Rezepturen, Lizenzen und Online-Datenbank nicht versteigern? Kein Problem für mich oder auch „mir egal", allerdings belächelt unsereins dieses Musikmarktsegment namens „formatierte Retortenband" und mehr als das. Solche Projekte sind für uns jenseits der Wahrnehmungsschwelle. Musik mit kulturellem Anspruch kann kaum ohne den realen Künstler als glaubwürdige Basis vermarktet werden, in unserem Marktsegment wäre das also tatsächlich reiner Unsinn. Ich denke, diese Versteigerung ist aber ohnedies bereits ohne Resultat abgebrochen worden. Das gefällt mir sehr.

(20.04.2007)

 Latest Blogs

» SportWoche Party 2024 in the Making, 23. A...

» SportWoche Party 2024 in the Making, 25. A...

» Österreich-Depots: Unverändert (Depot Komm...

» Börsegeschichte 25.4.: RBI, Porr (Börse Ge...

» Zahlen von Strabag, News von Marinomed, S ...

» Wiener Börse Party #637: Egalite Addiko Ba...

» Nachlese: Marcel Hirscher, Hannes Roither,...

» Wiener Börse zu Mittag schwächer: Frequent...

» MMM Matejkas Market Memos #35: Gedanken üb...

» Börsenradio Live-Blick 25/4: DAX clincht m...


Christian Drastil
Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

>>


 Weitere Blogs von Christian Drastil

» SportWoche Party 2024 in the Making, 23. A...

Dienstag, 23. April Ich war ein guter Mehrkämpfer. In der Jugend haben wir oft im Freundes...

» SportWoche Party 2024 in the Making, 25. A...

Donnerstag. 25. April Ryoyu Kobayashi und Red Bull haben den Praterallee-Sub2-Marathon von Eliu...

» Österreich-Depots: Unverändert (Depot Komm...

Aktiv gemanagt: So liegt unser wikifolio Stockpicking Öster­reich DE000LS9BHW2: -0.11% vs. ...

» Wiener Börse Party #637: Egalite Addiko Ba...

Hören: https://open.spotify.com/episode/0H6yJjHnp8j0PhP7Sw2VAT Die Wiener Börse Par...

» Nachlese: Marcel Hirscher, Hannes Roither,...

Um 13:18 liegt der ATX mit -0.51 Prozent im Minus bei 3562 Punkten (Ultimo 2023: 3435, 3....