Neues Börsegesetz Österreich ab Jänner: Die Büchse der Pandora (Wolfgang Matejka)

Am 1.1.2018 ist es soweit. Ob wir eine neue Regierung haben oder nicht wir werden ein neues Börsengesetz haben. Grund genug sich damit perspektivisch auseinanderzusetzen, denn nicht alles was neu ist, ist auch von vornherein „super“.

Für den österreichischen Kapitalmarkt scheint es als ob der Umstand, eine neue Gesetzesgrundlage erhalten zu haben, dem Charakter eines chinesischen Reissacks entspräche. Quasi, so ziemlich egal. Der MiFID II trainierte Blick ins Detail dieses stillen Machwerks lohnt sich aber. Denn unser neues Börsengesetz ändert Einiges. Allein die Aufnahme eines Verfahrens zum De-Listing, also zum Abschied von der Börse wird uns im nächsten Jahr mit Sicherheit beschäftigen.

Ein De-Listing in dieser Form gab es bis dato in Österreich nicht. Wollte man sich im Amtlichen Handel von der Börse verabschieden, musste man über 90% der Aktien hinter sich wissen und mittels eines Squeeze-Outs die restlichen Aktionäre zu mehr oder minder objektiven Kursen herauskaufen. Wo dies nicht gelang, drohte ein langwieriges und dadurch zumeist auch kostenintensives Rechtsverfahren. Da sind derzeit beispielsweise noch Einige im Laufen. Beim neuen Börsengesetz ist dies dann anders. Die Entscheidung für ein De-Listing braucht nur mehr 75% des stimmberechtigten Grundkapitals oder die 75%-Mehrheit eines Hauptversammlungsbeschlusses. Wer die durchschnittliche Anwesenheit an österreichischen Hauptversammlungen kennt, ahnt was da auf uns zukommen mag. Und es kommt noch schlimmer, denn die Regeln, sich von der Börse zu verabschieden, orientieren sich hauptsächlich an den zuletzt veröffentlichten Kursen. Sprich, wenn der Kurs einer Aktie durch welchen Grund auch immer, und das könnte ja auch mit der Gesellschaft gar nicht in direktem Zusammenhang stehen, gedrückt wäre, dann braucht man nur in der Hauptversammlung die 75% Mehrheit und schon beginnt der Prozess zu laufen. Die Büchse der Pandora für Österreichs Börse liegt vor uns.

Nun, das muss ja nicht unbedingt so schlecht sein. Wenn jemand gehen will, dann soll er doch gehen dürfen. Meint man. Dass Unternehmen sich das Geld mit dem sie Geschäfte machen, aber zuerst von den einzelnen Aktionären geholt haben, vergessen dabei die meisten. Dass diese Aktionäre zu diesen Unternehmen auch gestanden sind wenn es einmal schlechtere Zeiten gab, ist auch ein Faktum. Und dass man mit einem solchen De-Listing vielleicht eine Periode schwacher Kurse ausnützen kann um danach, wenn das generelle Umfeld höhere Kurse erlaubt, mit Pomp und Tata wieder zurückkehrt, ist sicher nur eine böse Ableitung der Möglichkeiten.

Aus taktischer Sicht kann man sich für das neue Jahr durchaus Reflexionen hinsichtlich dieses Gesetzes erwarten. Man kann erwarten, dass es die eine oder andere Aktie, die von Großaktionären dominiert wird, nicht mehr am Kurszettel hält. Man kann sich auch erwarten, dass, um vielleicht mediales Echo in Erkenntnis unfairer Bewertungsangebote zu verhindern, es dadurch zu dem einen oder anderen Kursanstieg führen wird. Man kann daraus eine positive Story für unseren heimischen Kapitalmarkt basteln. Natürlich in langer Perspektive auch eine Negative. Ambivalenz voraus. Bei attraktiven Abfindungsanboten werden die einen oder anderen Aktionäre sogar mit Freude reagieren. Selbst wenn Europas Börsen eine Konsolidierungsphase erleiden würden wäre Österreich dadurch in einer Sondersituation und positiv geschützt. Wir würden kurzfristig so hell strahlen wie eine Super Nova. Alle Bewertungen würden in Richtung eines kurzfristigen Optimums glänzen.

Nur was danach mit jeder Supernova passiert weiß man, sie stürzt wieder in sich zusammen und übrig bleibt ein weißer Zwerg.

Happy new Year.



(12.12.2017)

Wolfgang Matejka


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Wolfgang Matejka

Über 30 Jahre einschlägige Erfahrung im Bankwesen, davon über 15 Jahre in Führungspositionen

  • seit 07/2013 Chief Investment Officer der Wiener Privatbank SE
  • seit 07/2010 Geschäftsführender Gesellschafter der Matejka & Partner Asset Management GmbH
  • 02/2010 - 07/2010 Geschäftsführer der Oscar Investment GmbH Wertpapierfirma
  • seit 10/2009 Geschäftsführer der Matejka Beteiligungs GmbH, Erwerb, Verwaltung, Entwicklung und Veräußerung einer Beteiligung
  • 09/ 2009-10/2009 Vorstand der Q1 Capital Management AG, Unabhängiges Multi-Manager-Investmenthaus mit Sitz in Wien
  • 06 / 2009-10/2010 GF Sparrow GmbH. (Einzelgesellschaft) – Geschäftsgegenstand: Erwerb, Verwaltung und Entwicklung von Beteiligungen
  • 04 / 2006: GF Julius Meinl Investment GmbH
  • 03 / 2004: CIO Meinl Bank AG
  • 05 / 2002: Vst. Bank Vontobel Österreich AG
  • 01 / 1999: GF Allianz Invest KapitalanlagegesmbH.
  • 07 / 1994: Investment & Trust Bank (nunm. Allianz Investment Bank AG)
  • 04 / 1990: Länderbank Capital Markets GmbH.
  • 10 / 1981: Österreichische Länderbank AG
  • Matura (Naturwissenschaftl. Realgymnasium), CEFA, div. Fachseminare

>> http://wolfgang-matejka.com


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