Stuttgarter Börsenempfang 2014 – ex-EZB Chefvolkswirt Otmar Issing findet klare Worte zu Deutschland und Europa

Stuttgart, Schlossplatz, http://www.shutterstock.com/de/pic-138854639/stock-photo-stuttgart-germany-castle-square-in-the-city-center-in-spring-may.html (Bild: www.shutterstock.com)    >> Öffnen auf photaq.com



Traditionell geht die Stuttgarter Börse im Herbst mit einem mit 400 Gästen gut besuchten Empfang aus der Sommerpause. Dabei hielt dieses Jahr der ehemalige Chefvolkswirt der EZB und nunmehrige Präsident des Center for Financial Studies der Goethe Universität in Frankfurt den Gastvortrag.

Börsenchef Lammersdorf zitierte Issing gleich zu Beginn: Issing hatte anlässlich der Gründung des Euro damals schon gesagt, dass der Euro ein Experiment ist, und zwar ein Mutiges. Die Hoffnung, dass Issing mangels aktueller öffentlicher Ämter, die eine oder andere klare Aussage trifft, wurde nicht enttäuscht. Issing ging zunächst auf die Identität des € ein, und betonte, dass auch auf der 1-Dollarnote „et unibus unum“ steht, übersetzt „aus mehreren eines machen“, wobei er auch darauf hinweist, dass dort auch „in God we trust“ steht, wobei Issing appellierte nicht an überirdische Kräfte zu appellieren, sondern die eigenen Hausaufgaben zu machen. Dies ist in Fragen der Stabilität und der Währungspolitik sicher eine der Kernaufgaben.

Zur Währungspolitik wies Issing mit Hinweis auf jüngste Marktentwicklungen auch intensiv auf die Unkalkulierbarkeit der Marktreaktionen hin. So wies er geradezu schmunzelnd darauf hin, dass vor etwas mehr als einem Jahr alleine die Ankündigung der Fed, über ein Zurückfahren der QE Voluminas nachzudenken („offenbar ist es für Märkte mittlerweile unvorstellbar, dass Notenbanken über etwas nachdenken“, das ist eigentlich der fast schon skurrile Punkt), eine größere Verkaufswelle auslöst. Als europäisches Gegenbeispiel an Irrationalität führt Issing die Mitteilung der EZB, weiterhin Liquidität bereitzustellen an, was an den Märkten geradezu bejubelt wurde, dass es weiterhin viel Geld zu Null Zinsen gibt. Das sollte volkswirtschaftlich eigentlich eher zum Nachdenken (ah ja, das ist aber heute gar nicht mehr en vogue) anregen. Laut Issing wandern Notenbanken aufgrund dieser massiven  und gestiegenen Irrationalitäten mittlerweile ständig quasi auf der Rasierklinge.

Deutschland sieht Issing derzeit in kritischer Lage, wörtlich in unberechtigter Selbstgefälligkeit. Man hat niedrige Inflation, quasi Vollbeschäftigung und moderates Wachstum, doch keinesfalls Anlass zu Selbstgefälligkeit. Mit den jüngsten Pensionsentscheidungen hat die deutsche Regierung die jetzige Pensionistengeneration zulasten der jungen Menschen massiv begünstigt (und dies obwohl Deutschland in Europa immer den anderen Ländern „predigt“, was zu tun ist). Solche Aussagen treffen auf Österreichs Regierung genauso zu, aber in Österreich leider schon seit mehr als 20 Jahren, und mit dem neuen Pensionskonto sehen wir das nun auch schwarz auf weiss. Issing erinnerte an einen Beitrag des WSJ anlässlich des Regierungsantritts der ersten Regierung Schröder: „Diese Regierung hält alle ihre Versprechen, und das ist das Schlimmste, was man über sie sagen kann.“ Die aktuelle Regierung sollte sich die weiteren Entwicklungen der damaligen Regierung Schröder, wo ja vieles wieder rückgängig gemacht werden musste, genauer ansehen.

Auch die aktuelle Entwicklung rund um EZB und Bankenunion sieht Issing durchaus kritisch. Einerseits führt die Niedrigzinspolitik und Liquiditätsschwemme dazu, dass Länder wie Italien und Frankreich de facto keinen Reformdruck verspüren, da Frankreich zum Beispiel de facto gleiche Zinsen zahlt wie Deutschland, obwohl dies die volkswirtschaftliche Bewertung sicher nicht hergibt. Auch der Sanktionsmechanismus sei schlecht: „Potentielle Sünder urteilen über aktuelle Sünder“, das kann nicht gut gehen. Die De Larossiere Kommission, der Issing auch angehörte, hat eindringlich davor gewarnt, dass die Bankenaufsicht zur EZNB kommt, da werden Konflikte mit der Geldpolitik entstehen, das erleben wir derzeit gerade. Niedrigstzinsen erhalten schwache Banken am Leben, um zu Überleben gehen diese neue Risiken ein, was möglicherweise das Problem auch verschärft. Ob die Bankenaufsicht bei der EZB juristisch haltbar ist, sei umstritten, immerhin hat die Bundesbank auch öffentlich klar gesagt, dass dies eigentlich nach den Verträgen nicht zulässig ist.

Abschließend kam die Politik zur Sprache: Einerseits seien vor allem unsichere Signale in der Energie- und Steuerpolitik mitschuld am verhaltenen Investitionsverhalten, andererseits sind aber auch die geopolitischen Risiken (Chiona/Japan; Ukraine, …) nicht unerheblich. Zur Bildungspolitik brachte Issing einen Dialog mit seinem Sohn, der Arzt ist, zur Sprache, der einmal zu ihm meinte: Wenn wir in der Medizin solche Experimente machen würden, wie die Bildungspolitik an unseren Kindern, dann säßen wir alle im Knast.“ Dies kann wohl auch für die österreichische Diskussion 1:1 übernommen werden.

Auch die eigene Zunft nahm Issing kurz in die Pflicht: Bei Fehlentscheidungen bzw. dem Nichteintreten mancher Folgewirkungen, wird auch oft darauf hingewiesen, dass manche Entscheidungen falsch sind , wenn die vorhergesagt Wirkung aber ausbleibt, dann wird das darauf zurückgeführt, dass „unser System viel mehr aushält, als angenommen“, was die moderne Begründung für falsche Prognosen ist.



(20.09.2014)



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Roland Meier

Roland Meier ist Geschäftsführer von iQ-Foxx.

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